Mit seinem akkurat frisierten dunklen Haar, der Brille und dem höflichen Lächeln ist Mattia Binotto keiner, der auf den ersten Blick auffällt. Schon gar nicht im schrillen PS-Zirkus der Formel 1. Ganz im Gegensatz also zu Maurizio Arrivabene, den sie nicht nur den "Marlboro Man" nennen, weil er als Seiteneinsteiger aus der Zigarettenindustrie kommt, sondern weil er mit seinen markanten Zügen wirkt wie ein Filmstar, der jeden Moment lässig in den Sonnenuntergang reitet.
Das ist Vettels neuer Ferrari-Chef
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Arrivabene aber hat sich vergaloppiert im Machtgefüge der Scuderia, ist am Ende gestürzt über die Erfolglosigkeit. Am Montagabend bestätigte Ferrari Medienberichte, dass Arrivabene in die Wüste geschickt werde. Ferrari lechzt nach dem WM-Titel. Der Glaube, ihn unter Arrivabene einzufahren, war erloschen.
Hirn statt Schein
Statt des einstigen Marketing-Experten des größten Ferrari-Sponsors Philip Morris soll es nun Binotto richten, so wie es der Wunsch des im Sommer verstorbenen Fiat-Chrysler-Präsidenten Sergio Marchionne war. Hirn statt Schein, wenn man so will. Denn Binotto gilt als ausgewiesener Technik-Guru. Sebastian Vettel dürfte von der roten Revolution durchaus profitieren.
Binotto hat in seiner Heimatstadt Lausanne Mechanik studiert. 1995 kam er zu Ferrari, durchlief sämtliche Stationen in der Fabrik und im Formel-1-Team. 2014 ernannte ihn Marchionne zum Leiter des gesamten Motorenbereichs, seit 2016 konzentrierte sich Binotto als Technischer Direktor auf den Formel-1-Rennstall. Der 49-Jährige gilt als eine Art Star unter den Ingenieuren.
Lauda sieht Binotto als "Schlüsselfigur"
Als "Schlüsselfigur" bezeichnete Niki Lauda, Aufsichtsrats-Chef des Mercedes-Rennstalls, Binotto schon 2017. Weil ein Schweizer da sei, "der die Italiener organisiert, sie zum Arbeiten antreibt aber ihnen gleichzeitig die Freiheit lässt, ihre Vorstellungen und Ideen auszudrücken", sagte Lauda der Repubblica.
Der Verdienst, dass es der Ferrari speziell im vergangenen Jahr mit den Mercedes aufnehmen konnte, wird Binotto zugeschrieben. Die vielen strategischen Fehler werden Arrivabene angelastet. (Rennkalender der Formel-1-Saison 2019)
Vettel und Binotto haben einen guten Draht zueinander. Die Entwicklung und Abstimmung des Autos sehen beide als Teamwork.
Spöttische Arivabene-Aussagen über Vettel
Zwischen Vettel und Arrivabene stimmte die Chemie nicht immer. "Er ist ein Junge, der das Beste seiner Fähigkeiten am Steuer eines Ferrari erst noch zeigen muss. Vielleicht schenken wir ihm Ellbogenschoner, um sich besser zu wehren, wenn es gegen seine Rivalen hart auf hart geht", sagte Arrivabene über Vettel und sprach über den viermaligen Weltmeister ein bisschen wie über einen Schuljungen. Es sollte als Scherz gemeint sein, klang aber eher spöttisch.
Richtig ist, dass nicht nur Arrivabene Fehler am Kommandostand gemacht hat. Auch Vettel leistete sich auf der Strecke zu viele Patzer und hatte am Ende gegen Lewis Hamilton keine Chance.
Neuer Ferrari macht Hoffnung
Bei Ferrari hoffen sie nun, dass der Traum von einer neuen Ära endlich Wirklichkeit wird. Das Duo Vettel/Binotto wird verglichen mit Michael Schumacher und dessen damaligem Superhirn Ross Brawn. Schumacher benötigte vier Jahre Anlauf- und Aufbauzeit, holte dann fünf WM-Titel in Folge. Vettel geht in seine fünfte Saison bei Ferrari.
Vettels neuer Bolide wird am 15. Februar der Öffentlichkeit präsentiert. Wie die Gazzetta dello Sport berichtet, soll er im Windkanal trotz der neuen Regeln, die die Autos eigentlich einbremsen, bereits schneller sein als der SF71H - auch dank innovativer Lösungen von Binotto.
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