Pál Dárdai fühlt sich aktuell laut eigener Aussage im "Champions-League-Modus".
Hertha taumelt Abgrund entgegen
Allerdings ist es nicht seine Hertha, die den Glanz der Königsklasse versprüht. Es sind die Gegner. "Wir haben schon gegen Frankfurt gespielt, die stehen da oben, Bayern steht da oben, Leipzig, nächste Woche gegen Wolfsburg", zählte Dárdai das anspruchsvolle Programm seit seinem Amtsantritt Ende Januar auf. (Bundesliga: VfL Wolfsburg - Hertha BSC, ab 15.30 Uhr im Liveticker)
Seine ernüchternde Bilanz in den vier Spielen unter seiner Regie: ein Punktgewinn gegen den VfB Stuttgart. Die jüngste 0:3-Niederlage gegen RB Leipzig war das insgesamt achte Berliner Spiel in Folge ohne Sieg. (Spielplan und Ergebnisse der Bundesliga)
Zugleich stellte die Alte Dame mit der vierten Heimpleite in Serie den Vereinsnegativrekord ein. Dreimal gab es eine solche Serie schon, zuletzt 2012 - in der letzten Abstiegssaison. Aktuell steht der Hauptstadtklub mit 18 Zählern aufgrund der besseren Tordifferenz im Vergleich zu Arminia Bielefeld, das noch ein Nachholspiel gegen Werder Bremen in der Hinterhand hat, knapp über dem Strich.
Dárdai: "Fehlende Führungsspieler, zu wenig Teamgeist und viele Sprachen"
Die Situation ist trügerisch, schließlich hat der Tabellenvorletzte FSV Mainz 05 den Rückstand bis auf einen Punkt verkürzt - und das unter anderem mit Siegen gegen die Champions-League-Achtelfinalisten Leipzig und Gladbach.
Und bei der Hertha? "Fehlende Führungsspieler, zu wenig Teamgeist und viele Sprachen in der Kabine - das war die Situation", kritisierte Dárdai jüngst den schockierenden Zustand der Mannschaft bei seinem Amtsantritt.
Dárdai sieht die Lage dennoch entspannt. Seitdem sei bereits "viel passiert, wir sind in die richtige Richtung unterwegs. Wir sind zusammengerückt." Zwar stehe man hinten, "aber von Abstiegskampf würde ich reden, wenn wir an den letzten drei Spieltagen da stehen würden und uns nicht befreit hätten", meinte der Ungar. (Tabelle der Bundesliga)
Nach Khediras Auswechslung bricht Hertha ein
Stattdessen hob er nach der Niederlage gegen Leipzig die guten Ansätze seiner Mannschaft hervor, die sich mit den Startelf-Debütanten Sami Khedira und Márton Dárdai, dem Sohn des Cheftrainers, und einer neuen defensiven Dreier-/Fünferkette durchaus stabiler präsentierte.
Bezeichnend allerdings, dass dieses fragile Gebilde mit der Auswechslung Khediras, der mit 75 Prozent gewonnener Zweikämpfe der stärkste Herthaner war, wieder in sich zusammenbrach. Der für Khedira eingewechselte Mattéo Guendouzi ließ sich im eigenen Strafraum allzu leicht den Ball abluchsen und ermöglichte so Nordi Mukieles Treffer zum spielentscheidenden 0:2.
"Das ist kein Freistoß, das ist ein verlorener Zweikampf. Das habe ich im Training immer mit ihm, ich pfeife das auch nicht", kommentierte Dárdai bei Sky die Szene. "Er muss lernen."
Dárdai kämpft mit gleichen Problemen wie Labbadia
Dennoch war er insgesamt zufrieden mit dem Auftritt seiner Mannschaft. Vor allem die schlechte Chancenverwertung war in seinen Augen das entscheidende Manko. "Einfach weiterarbeiten, und irgendwann werden wir das erste Tor schießen und dann wird es funktionieren", ist sich Dárdai sicher.
In der Offensive hat der 44-Jährige mit den gleichen Problemen wie sein Vorgänger Bruno Labbadia zu kämpfen. An guten Tagen kann etwa Matheus Cunha Spiele im Alleingang entscheiden, gegen Leipzig ließ der Brasilianer aber einmal mehr beste Chancen ungenutzt. Flügelflitzer Dodi Lukebakio befindet sich seit Wochen auf Formsuche und fiel gegen RB vermehrt durch vermeidbare Abseitsstellungen auf.
"Kader nicht für den Abstiegskampf zusammengestellt"
Die Frage, die rund um den ambitionierten "Big City Club" daher immer häufiger gestellt wird: Fehlen der Hertha die richtigen Typen im Kampf um den Klassenerhalt?
"Der Kader ist nicht für den Abstiegskampf zusammengestellt worden", stellte Sportdirektor Arne Friedrich bei Sky fest. "Man sieht bei den anderen Mannschaften, die jetzt auch nach und nach punkten, dass sie zusammenrücken und elf Kämpfer auf dem Platz sind. Diese Mischung müssen wir jetzt auch finden. Das ist ganz wichtig, denn unten wird dir nichts geschenkt. Zwischendurch fehlt dir dann auch das Stück Spielglück."
Abwehrspieler Lukas Klünter wollte das hinterher so nicht stehenlassen: "Das sehe ich anders. Wir haben die Qualität, vorne mitzuspielen und natürlich auch, wenn es ekelhaft wird, unten mitzuspielen. Ich sehe es nicht, dass wir nicht die Leute haben oder die sich jetzt zurückziehen."
Dárdai hofft auf die Wende
Dárdai gab sich indes betont gelassen. "Wenn man den Spielplan sieht und sieht, dass die Spieler für andere Träume gekauft wurden, hat man schon sofort gewusst, dass es schwierig wird. Aber ich habe das als Trainer und auch als Spieler durchgemacht. Ich habe keine Panik, weil ich das überhaupt nicht so negativ sehe."
Mit Blick auf das kommende Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg gelte es, in dieser Woche wieder konsequent zu arbeiten und einen guten Plan zu entwickeln, meinte er noch: "Und vielleicht wird es anders."
Gelingt der Hertha nicht bald eine Trendwende in Form von Siegen, droht am Saisonende allerdings ein böses Erwachen.