Von Lars Becker
DVV "fehlt Effenberg-Mentalität"
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Als sie den sensationellen Einzug ins WM-Finale verpasst hatten, standen Deutschlands Volleyballer enttäuscht inmitten des Jubelsturms der feiernden polnischen Fans.
Beim 1:3 (24:26, 26:28, 25:23, 21:25) gegen WM-Gastgeber Polen hatte das Team um Superstar Georg Grozer die große Chance vergeben, tatsächlich die erste WM-Medaille seit 44 Jahren perfekt zu machen.
Nun bleibt im Bronzeduell gegen Frankreich (ab 16.30 Uhr im LIVE-TICKER) noch ein letzter Matchball.
"Wir hätten das mit 3:0 gewinnen können. Aber da fehlte in den entscheidenden Momenten die Abgeklärtheit, der Killerinstinkt. Und auch so ein bisschen die Effenberg-Stinkefinger-Mentalität", sagte Verbandschef Thomas Krohne.
DVV-Team den Polen ebenbürtig
Tatsächlich war das deutsche Team den Gastgebern in diesem wichtigsten Spiel für den deutschen Männervolleyball seit über vier Jahrzehnten mindestens ebenbürtig gewesen.
Ausnahmespieler Georg Grozer hatte aber nicht seinen besten Tag erwischt - mit 14 Punkten war er nur zweitbester Punktesammler nach Denis Kaliberda (18) - und wurde wegen Oberschenkelproblemen im dritten Satz ausgewechselt.
Und im entscheidenden Moment war die Mannschaft in der Gänsehaut-Atmosphäre in Kattowitz einfach nicht abgezockt genug.
"Ihr wart überrascht, wie klein der Unterschied war, stimmt’s?", fragte Bundestrainer Vital Heynen die zahlreichen polnischen Journalisten in der Pressekonferenz nach dem Spiel: "Wir haben großartig gespielt, aber haben unsere Möglichkeiten nicht genutzt."
Fragwürdige Entscheidung kostet zweiten Satz
Im ersten Durchgang hatte Deutschland über die Stationen 8:4 und 18:15 klar geführt, doch dann wackelte im gellenden Pfeifkonzert der polnischen Fans für ein paar Minuten die Annahme und der Satz ging hauchdünn verloren.
Im zweiten Satz holten Grozer und Co. mit großem Kampfgeist einen 10:17-Rückstand wieder auf, erkämpften den ersten Satzball, den Blockspezialist Max Günthör nutzte.
Das deutsche Team drehte bereits jubelnd ab, doch der slowakische Referee Juraj Mokry hatte einen technischen Fehler von Günthör über dem Netz gesehen - eine mehr als umstrittene Entscheidung.
Verband kritisiert Vermarkter
Danach wehrten die Polen zwei weitere Satzbälle ab. Der Unterschied an diesem emotionalen Abend: Die Gastgeber nutzten gleich ihre erste Chance zum 2:0, die ganz in rot-weiß getauchte Halle tobte.
Zwar gewann das deutsche Team dann Satz Nummer drei, aber nach einer weiteren verschenkten Führung in Satz drei war der Sprit bei den Deutschen einfach alle.
Der Ärger über die Niederlage war bei Verbandschef Krohne groß, fast noch größer war jedoch der Frust, dass die Fans in Deutschland im TV in die Röhre schauen mussten. SPORT1 hatte die Rechte erworben, durfte jedoch nicht übertragen.
"Das war ein krasser Fehler der Vermarktungsagentur, ganz bitter für unseren Partner SPORT1 und für die Fans in Deutschland eine Katatstophe. Da stellen sich viele Fragen, die ich der FIVB (Weltverband, Anm. der Red.) in den nächsten Tagen stellen werde", so Krohne.
Rechnung mit Frankreich offen
Zuerst einmal will sich sein Team am Nachmittag im kleinen Finale gegen Frankreich doch noch die verdiente Medaille abholen.
"Das wird nicht einfach, 16 Stunden nach dieser Niederlage - mental wie körperlich. Aber wir werden alles in die Waagschale werfen", versprach Heynen. Gegen Frankreich hat die deutsche Mannschaft am vergangenen Dienstag zwar klar verloren. Aber es bleibt Hoffnung.
"Wir haben hier bei der WM noch nie zwei Spiele in Serie verloren. Wir wollen uns Bronze holen", erklärte Kapitän Jochen Schöps.
DDR-Held ist siegessicher
Unterstützung kommt von einem deutschen Volleyball-Helden der Vergangenheit.
Arno Schulz hatte die DDR als Hauptangreifer 1970 zu WM-Gold geführt, der bislang einzigen deutschen Medaille der Geschichte. "Wir sind reif für eine Medaille. Es wäre für unsere Sportart Volleyball ein Quantensprung."
Und ein echtes Happy End nach einer grandiosen WM.