Ja, Tom Brady ist immer noch da, Ryan Fitzpatrick setzt seine Tour durch die NFL munter fort und der Geist von Eli Manning startet nach wie vor in New York.
Kommt die Quarterback-Revolution?
© SPORT1-Montage Philipp Heinemann/Getty Images
Dennoch hat sich 2018 bereits eine Quarterback-Revolution angekündigt, die über die Jahrzehnte immer wieder beschworen oder von Traditionalisten befürchtet wurde, aber letztlich nie so ganz eintrat: die Ära des mobilen Quarterbacks.
"Wird das zur Norm? Ich weiß es nicht. Letztlich sind wir davon abhängig, was vom College kommt. Wir nehmen, was wir kriegen können", sagt der frühere NFL-Coach und heutige TV-Experte Steve Mariucci.
Am College liegt auch die Wurzel des neuen Trends, der für die NFL aber durchaus auch gefährlich werden kann.
Zeitenwende blieb aus
Doch der Reihe nach. Natürlich gab es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder herausragende Quarterbacks, die auch von ihrer Laufstärke oder Beweglichkeit lebten.
Mariucci coachte in Steve Young einst selbst einen der besten. Aber auch Roger Staubach, Randall Cunningham, Fran Tarkenton, Doug Flutie, natürlich Michael Vick, Donovan McNabb - immer wieder wurden sie als Vorboten einer Zeitenwende gesehen, die dann doch ausblieb.
Auch Colin Kaepernick, Cam Newton oder das Jahr 2012, als Andrew Luck und Robert Griffin III die Liga im Sturm eroberten, brachten kein grundlegendes Umdenken in der NFL.
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Denn zum einen muss man ein Ausnahmeathlet sein, um als mobiler Spielmacher in der NFL zu glänzen, zum anderen steckt man aber auch verdammt viele Hits ein. Die Verletzungsanfälligkeit ist/war das große Problem einiger der Genannten.
Klassische Quarterbacks können länger spielen
In der NFL sind die Verteidiger eben noch einmal deutlich schneller und härter drauf als am College. Zudem sind die Defensiv-Systeme wesentlich komplexer. Ein Quarterback muss blitzschnell lesen, reagieren, Spielzüge ändern, Snapcounts bedenken und vor allem under Center spielen - und eben nicht wie am College mittlerweile Standard ein paar Yards hinter der O-Line in der Shotgun-Formation.
In der NFL verspricht deshalb ein klassischer Quarterback generell mehr Erfolg, auch weil sie wesentlich länger spielen können: Siehe Brady, Manning, Rivers und Co. - laufstarke Quarterbacks bleiben selten jenseits der 30 Jahre produktive Starter.
Dennoch könnte die Zeitenwende nun zwangsweise anstehen. In der vergangenen Saison stellten die NFL-Quarterbacks einen neuen Rekord für Läufe und Laufyards auf.
Quarterbacks laufen immer mehr
Lamar Jackson lief trotz nur sieben Starts 147 Mal - auch das war Rekord. Im dritten Jahr in Folge gab es mindestens zehn Spielmacher mit mindestens 50 Läufen.
Noch krasser: 14,1 Prozent der gesamten Läufe der NFL kamen durch Quarterbacks zustande - seit dem Zusammenschluss von NFL und AFL 1970 waren es nie mehr als zwölf Prozent.
Natürlich gibt es auch Hybride wie Russell Wilson, Carson Wentz, Baker Mayfield oder Dak Prescott, die in erster Linie Passer sind, aber durchaus einige Yards mitnehmen können. Das könnte die neue Norm werden.
Quarterback als Point Guard
"Immer mehr jüngere Coaches sehen die Position wie einen Point Guard. Lies die Defense, wenn deine erste und zweite Option nicht da sind, dann los. Nimm lieber die vier bis sechs Yards mit", sagt Draftexperte Todd McShay von ESPN.
Genau dort liegt die Wurzel. Das Recruiting am College ballt sich wie nie zuvor bei den Topteams wie Alabama. Die klassischen Quarterbacks mit NFL-Potenzial tummeln sich dort, dadurch müssen sich andere Colleges etwas einfallen lassen, um Erfolg zu haben.
So entstand die Spread Offense, mit vielen Receivern und laufstarken Quarterbacks, um die Defense auseinanderzuziehen und mit dynamischen Athleten in die Lücken zu stoßen.
Murray und Kingsbury - erfolgreiches Duo in der NFL?
Weil sich diese Offense über den gesamten College Football ausgebreitet hat, kommen aber viel mehr Quarterbacks und junge Coaches aus diesen Systemen in die NFL.
2019 bei den Arizona Cardinals sogar als Gespann: Der neue Coach Kliff Kingsbury stammt aus der "Air Raid"- Schule von Texas Tech, coachte bei Texas A&M Johnny Manziel und Kyler Murray, der jetzt als Nummer-1-Pick wieder für Kingsbury spielen wird.
Wenn dieses Highspeed-System oder das auf Lamar Jackson zugeschnittene Laufspiel der Baltimore Ravens in der NFL funktioniert, könnte es sich weiter ausbreiten. Schließlich wird in der Liga immer von erfolgreichen Teams geklaut.
Bricht Jackson den ewigen Laufrekord?
Jackson könnte sogar den ewigen Laufrekord von Michael Vick aus dem Jahr 2006 (1039 Yards) attackieren. Von seinen sieben Starts ausgehend, hätte er 2018 auf 16 Spiele hochgerechnet 1500 Yards hingelegt.
Wegen der neuen College-Landschaft kommen aber auch immer weniger klassische Quarterbacks in die NFL. Auch deshalb halten sich neben Brady viele Mit- bis Enddreißiger nach wie vor. 2018 lag der Schnitt am ersten Spieltag bei 30,3 Jahren! Auch in diesem Jahr gibt es gleich acht Starter, die fast oder teils deutlich älter als 35 sind.
"Die mobilen Quarterbacks sind jünger immer besser. Das fällt mit 22 bis 25 auf, aber ab 30 ist der Spaß vorbei", sagt Mariucci.
Die Frage wird sein, ob Murray, Jackson, Josh Allen, Mayfield und Co. ihren Spielstil durchhalten oder sich als Passer weiter verbessern und dauerhaft Erfolg haben können.
Dann könnte die Revolution tatsächlich doch noch angebrochen sein.