Ein Punkt veränderte sein Leben - und eine ganze Sportart: Als Jörg Roßkopf 1989 bei der Tischtennis-WM in Dortmund den Matchball im Doppel-Finale zum historischen Titelgewinn mit Steffen Fetzner verwandelte, stieg der 19-Jährige buchstäblich mit einem Schlag zu einer Größe der deutschen Sportgeschichte auf und leitete zugleich einen nachhaltigen Aufschwung seiner Sportart ein. Am 21. Mai feierte "Mr. Tischtennis" seinen 50. Geburtstag.
"Mr. Tischtennis" wird 50
© Getty Images
"Nach Dortmund wurde schnell deutlich, dass dieser Titel etwas Besonderes bleiben wird", sagt der Jubilar dem SID rückblickend: "Ohne 1989 würde es vielleicht keinen Timo Boll geben, und ich bin stolz und froh, dass ich ein Teil des Ganzen bin."
Das Ganze verkörperte Roßkopf in seiner erst nach Dortmund angebrochenen Glanzzeit nahezu alleine. "Rossi", sagt Ehrenpräsident Hans Wilhelm Gäb vom Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) als jahrelanger Wegbegleiter und Mentor dem SID, "ist ein zentrales Stück deutscher Tischtennis-Geschichte."
Roßkopf räumt in 90ern ab
Tischtennis in Deutschland wurde sogar lange schlichtweg über Roßkopfs Namen definiert. Als erster Deutscher gewann er im Einzel 1992 den EM-Titel, 1996 eine Olympia-Medaille (Bronze) und 1998 den Weltcup.
In seinem Sog stieg auch das Nationalteam zunächst in die europäische Spitze und später, schon mit dem jungen Boll, auch in die Weltelite auf; im Zuge seiner Erfolge gewann Tischtennis zunehmend an Popularität und Prestige.
Allüren indes sind Roßkopf, der seit 2010 als Herren-Bundestrainer maßgeblich die Laufbahnen von Topstar Boll oder auch des früheren Weltranglistenersten Dimitrij Ovtcharov prägt, immer fremd gewesen.
Gäb zieht Vergleich zu Boll
Vielmehr verdiente sich der Hesse durch Bodenständigkeit, Haltung, Sportsgeist und Einsatzwillen - als Aktiver galt der Linkshänder als "Trainingsweltmeister" - Respekt, Anerkennung und Bewunderung weit über die Tischtennis-Szene hinaus.
"Ein Leben lässt sich natürlich nicht nur auf den Sport reduzieren. Ich bin zufrieden und glücklich, wie es sportlich und privat läuft", bilanziert Roßkopf - trotz eines unerfüllbaren Wunsches: "Ich würde gerne noch einmal das verlorene Olympia-Finale von 1992 neu spielen. Es ist schade, dass Speedy und ich damals nicht Olympiasieger geworden sind."
Doch auch ohne das knapp verpasste Barcelona-Gold mit Fetzner - die Wertschätzung für Roßkopf ist immens. "Seine Erfolge lassen sich mit denen von Timo Boll vergleichen. Er ist ein Vorbild für Generationen", meint Gäb.
Weltttrainer des Jahres 2017
Der frühere WM-Zweite Eberhard Schöler würdigt Roßkopf "als absolut fairen Sportler", und Boll ist dankbar: "Als ich Kind war, ist Rossi mein Idol gewesen, heute bin ich froh, dass ich immer noch von seiner Erfahrung profitiere. Ich vertraue ihm sehr."
Für Roßkopf, der "frühestens 2024" über eine berufliche Veränderung nachdenken würde, ist der Sport jedoch mehr als nur das nächste Match. "Sport ist gesellschaftlich wichtig, damit die Kinder nicht auf der Straße rumhängen", meint der Familienvater: "Der Anreiz müsste durch TV-Übertragungen von vielen Sportarten kommen und nicht nur vom Fußball. Regierung und Politik sollten darüber einmal nachdenken."
Als Coach stört den "Welttrainer des Jahres 2017" die Geringschätzung für seinen Berufsstand: "Wir lassen Kinder und Aktive in die Hallen und vermitteln Wissen und Spaß. Aber Medaillen bekommen wir keine. Das ist ein Katastrophe, und es wäre ein Ausrufezeichen, wenn man sehen würde, dass wir Trainer zu den Erfolgen der Sportler gehören."