Beinahe hätte Timo Boll der Jugend den Vortritt gelassen - nun muss der Routinier der deutschen Tischtennis-Asse bei der Team-EM plötzlich wieder vorneweg marschieren.
Zurück in der Leitwolf-Rolle
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"Leitwolf hin oder her", sagte der 33 Jahre alte Rekord-Europameister aber angesichts der jüngsten personellen Rückschläge: "So habe ich mich die zwölf, 13 Jahre nie selbst gesehen. Das ist ein Team-Wettbewerb, da zählt jeder Punkt."
Nach einem langen Sommer inklusive Gastspiel in China hatte Boll in Absprache mit Bundestrainer Jörg Roßkopf überlegt, ob er für die am Mittwoch beginnende Rekordjagd nach dem siebten Mannschafts-Titel in Serie körperlich und mental fit genug ist.
Ovtcharov kriegt Weisheitszähne gezogen
Er kam zu dem Schluss: "Im Trainingsalltag ist es nicht immer einfach, aber ich beiße mich da jetzt durch."
Zum Glück. Denn "Durchbeißen" ist derzeit auch das Motto von Deutschlands Nummer eins, Dimitrij Ovtcharov.
Der Europameister kann frühestens ab Donnerstag eingreifen, da dem 26-Jährigen die Weisheitszähne entfernt werden mussten.
Am Dienstag wurden die Fäden gezogen, am Mittwoch reiste er in die portugiesische Hauptstadt nach.
Baum reist vom Team ab
In der MEO Arena muss das Roßkopf-Team beim Auftakt gegen Österreich sogar als Trio zurechtkommen, da Patrick Baum als nominelle Nummer drei seine Teilnahme nach der schockierenden Nachricht vom Unfalltod seines Vaters kurzfristig abgesagt hat.
Weil Nachnominierungen verboten sind, stehen zunächst nur Boll, Patrick Franziska und Steffen Mengel zur Verfügung.
Der Ex-Doppelweltmeister betonte dennoch: "Unsere Situation hat sich komplett geändert, aber natürlich sind wir immer noch eine gute Mannschaft und können den Titel holen."
Deutsche: Die Chinesen Europas
Hinter der Form von Ovtcharov steht nun ein Fragezeichen. "Es kann gut sein, dass sich der Rückstand bemerkbar macht, aber genauso gut kann es sein, dass ich durch die Pause frischer bin und richtig gut spiele", sagte er.
Boll nahm die erschwerten Bedingungen süffisant auf: "Wir müssen jetzt das Beste daraus machen. Selbst zu zweit kann man Europameister werden."
Seit 2007 wurde am Ende des Team-Wettbewerb jedes Mal die deutsche Hymne gespielt, die Auswahl erspielte sich den Beinamen "Die Chinesen Europas".
Die anderen Teams - allen voran der Gastgeber und deutsche Gruppengegner Portugal - brennen darauf, diese Serie zu durchbrechen.
Roßkopf fühlt sich als Gejagter
"Alle Nationen wollen China angreifen, in Europa alle uns", sagte Roßkopf, dessen Team in der Gruppenphase außerdem noch noch auf Ungarn trifft.
Die Frauen treten nach dem Triumph im vergangenen Jahr in Schwechat mit "viel Selbstbewusstein" an, sagte Bundestrainerin Jie Schöpp.
Das Quintett Han Ying, Shan Xiaona, Petrissa Solja, Irene Ivancan und Sabine Winter trifft am Mittwoch auf Österreich und Frankreich, am Donnerstag wartet die Türkei.
Wie bei den Männern qualifizieren sich die ersten beiden jeder Gruppe für das Viertelfinale, ab dem im K.o.-Modus gespielt wird.