Immer und immer wieder hatte sich Bianca Andreescu diesen einen Moment ausgemalt.
Das ist die neue Tennis-Queen
15 Jahre war die Kanadierin alt, als sie einen Scheck bastelte, wie ihn die Siegerin der US Open erhält. Jahr für Jahr notierte sie darauf das aktuelle Preisgeld, um ihr großes Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Nun, mit 19 Jahren, muss Bianca Andreescu nicht mehr basteln - sie hält den Siegerscheck über 3,85 Millionen Dollar wahrhaftig in den Händen.
Andreescu: "Von diesem Moment schon lange geträumt"
"Ich habe mir oft vorgestellt, wie ich im Finale gegen Serena Williams spiele. Das ist verrückt", erzählte die neue Königin von New York, ehe ihr die Stimme wegbrach und Tränen in die Augen schossen.
Überraschend, aber vollkommen verdient hatte die mutig aufspielende Andreescu ihr Idol Williams in ihrem ersten Grand-Slam-Finale 6:3, 7:5 bezwungen - und konnte es kaum begreifen: "Ich habe von diesem Moment schon so lange geträumt. Dass das nun Realität ist, ist einfach verrückt."
Trotz ihrer feuchten Augen rang sich die unterlegene Williams bei der Siegerehrung ein Lächeln ab, ehe sie Andreescu herzlich umarmte. "Sie hat ein unglaubliches Match gespielt, ich bin so stolz auf sie", lobte Williams: "Sie hat den Titel verdient."
Vor allem wie Andreescu nach ihrem ersten vergebenen Matchball beim Stand von 5:1 und Williams' anschließendem Comeback im Hexenkessel Arthur-Ashe-Stadium das Match nervenstark beendete, war beeindruckend. Bei Williams' erstem Grand-Slam-Triumph war sie schließlich noch nicht einmal auf der Welt.
Verhalten auf dem Court nicht unumstritten
Ihre Stärke zieht sie auch aus ihrem großen Repertoire. Andreescu bringt mehr als nur kraftvolle Grundlinienschläge. Sie mixt ihr Spiel mit Slice- und Stoppbällen oder greift sogar zu den im Profitennis oft verpönten Mondbällen zurück. Bereits vor dem Match hatte sie beeindruckt, als sie im Spielertunnel mit Kopfhörern im Ohr vor sich hin sang.
Dennoch gehört es zweifelsohne zum Spiel der emotionalen Andreescu, stets mit Bewegungen und Gesten zu zeigen, wenn sie Schmerzen hat.
Ihre regelmäßigen Medical Timeouts wie zuletzt beim Rogers Cup sorgen ebenfalls für Missstimmung bei einigen Tennis-Fans und Kolleginnen. Auch auf der Pressekonferenz nach ihrem historischen Erfolg waren Muster dieser Verhaltensweise zu erkennen. Drama gehört bei Andreescu dazu.
Kanada feiert erste Grand-Slam-Siegerin
Als erste Kanadierin überhaupt gewann sie ein Grand-Slam-Turnier, entsprechend groß war auch der Jubel in der Heimat. "Du hast Geschichte geschrieben und ein ganzes Land sehr stolz gemacht", gratulierte Premierminister Justin Trudeau auf Twitter.
Die Toronto Raptors aus Andreescus Heimatstadt, die im Juni als erster kanadischer Meister in der NBA ebenfalls Historisches vollbracht hatten, machten indes aus ihrem Klubmotto "We the North" flugs "She the Champ".
Die Tochter rumänischer Eltern war als Nummer 152 der Welt in die Saison gestartet, nun steht Andreescu auf Position fünf des Rankings. Seit März hat sie kein Spiel mehr verloren, hinzu kommt in diesem Jahr eine Bilanz von 8:0 gegen Top-10-Spielerinnen.
Sie sieht dies auch als Belohnung nach vielen verletzungsbedingten Rückschlägen - selbst in diesem so erfolgreichen Jahr fiel sie wegen Schulterproblemen zwischenzeitlich wochenlang aus. "Du musst immer nur für deine Träume weiterkämpfen und beharrlich bleiben", sagte sie nun.
Mehr Grand Slams als Serena?
Der Triumph in Flushing Meadows soll aber erst der Anfang gewesen sein.
"Meine Ziele sind, so viele Grand Slams wie möglich zu gewinnen und die Nummer eins der Welt zu werden", betonte Andreescu und ließ mit einem Nachsatz aufhorchen. Möglicherweise könne sie sogar mehr Grand-Slam-Titel als Serena gewinnen.
Wie schnell aus Träumen Realität werden kann, weiß sie ja nun schon.