Für Paul Jubb geht dieser Tage ein Lebenstraum in Erfüllung.
Das Märchen eines Super-Amateurs
Der 19-jährige Brite hat eine Wildcard für Wimbledon erhalten und wird im All England Club sein erstes Grand-Slam-Turnier bestreiten. (Wimbledon ab 1. Juli täglich im LIVETICKER)
Zunächst einmal ist es nicht ungewöhnlich, dass die Organisatoren talentierten einheimischen Spielern diese Möglichkeit geben. Jubb ist jedoch in vielerlei Hinsicht ein Sonderfall. Das beginnt schon damit, dass er die ihm jetzt bereits sicheren 45.000 Pfund an Preisgeld abschreiben muss, denn Jubb ist ein Amateur.
Er ist Student der University of South Carolina und wurde 2019 als erster Brite überhaupt College-Meister. Damit trat er in die Fußstapfen von Tennis-Legenden wie John McEnroe oder Jimmy Connors.
Angesichts der Fragezeichen hinter Andy Murray blickt die stolze Tennis-Nation Großbritannien in die Zukunft: Jubb ist der größte Hoffnungsträger. Seine Geschichte ist bemerkenswert.
Tennis-Jungstar Jubb: Wäre ohne College nicht hier
Mit einem Tennis-Stipendium studiert Jubb in den USA Einzelhandelsmanagement, natürlich ist es sein Ziel, Profi zu werden, aber seinen Abschluss will er trotzdem machen – und seinen College-Titel verteidigen.
Aufgrund der strengen Regeln des US-Collegeverbandes (NCAA) darf er mit seinem Sport bis dahin aber kein Geld verdienen. Der Vorteil liegt neben einer kostenlosen Uni-Ausbildung in den herausragenden Trainingsmöglichkeiten an den Spitzensport-Unis, die sich vor allem über TV-Gelder in Football und Basketball finanzieren.
Außerdem misst man sich das gesamte Jahr hindurch bei den zahlreichen Wettkämpfen auf Topniveau der gleichen Altersklasse.
"Ich wäre heute nicht hier, wenn ich diesen Weg nicht eingeschlagen hätte", sagte der Teenager zuletzt in Eastbourne, wo er in der Qualifikation unter anderem den talentierten Russen Andrey Rublev geschlagen und sein erstes ATP-Hauptfeld erreicht hatte.
Früh beide Eltern verloren
Sein Weg war nicht frei von Schicksalsschlägen. Als er gerade einmal drei Jahre war starben seine Eltern und er kam in die Obhut seiner Großmutter nach Hull im Nordwesten Englands.
Dort begann der kleine Paul bereits als Fünfjähriger mit Tennis. Schnell wurde der britische Verband (LTA) auf das Talent aufmerksam und förderte ihn.
Über seinen damaligen Trainer James Trotman kam dann der Kontakt zu South Carolinas Cheftrainer Josh Goffi zustande. Nach dem britischen U16-Titel wurde Jubb ein Stipendium angeboten.
"Josh war in London und fragte mich, ob es ein paar gute Spieler gäbe, ich sprach von Paul und zwei Tage später saß er in einem Zug nach Hull", erinnerte sich Trotman bei Yahoo Sports UK.
Großer Bewunderer von Djokovic
Während er als Kind vor allem Rafa Nadal bewunderte, ist jetzt Novak Djokovic sein Idol. "Ich habe Novaks Spiel schon lange intensiv verfolgt und versucht, einiges zu übernehmen. Ich liebe es, wie elegant er sich auf dem Court bewegt", sagt Jubb.
Tatsächlich erinnert seine große Beweglichkeit ein wenig an den großen Serben, Das sieht auch Trotman so: "Er hat einige großartige Qualitäten. Was ihn besonders auszeichnet ist sein Kampfgeist, seine Mentalität. Er bewegt sich so gut und schnell. Seine Vorhand kann jedem Gegner wehtun."
Auf Rasen hat er neben Eastbourne auch schon bei einem Challenger in Nottingham aufhorchen lassen und verbesserte sich bereits um 100 Positionen auf aktuell Rang 472 der Weltrangliste.
Sehr reifer junger Mann
Auch durch seinen Werdegang ist Jubb ein erstaunlich reifer junger Mann. Schon früh musste er Selbstständigkeit und Eigenverantwortung lernen. Das kam ihm am College zu gute.
Dieses Stahlbad mit hartem Training, vielen Wettkämpfen und akademischen Anforderungen bricht auch viele junge Sportler, denen die mentale Stärke oder Disziplin fehlt.
"Ich habe schon immer gerne Sachen alleine gemacht. Ich verlasse mich nicht gern auf andere. Das ist etwas, was ich am Tennis so mag. Es bildet den Charakter. Nur du bist für eine Niederlage verantwortlich. Es hat mir immer Spaß gemacht, aber es zeigt auch, wer du bist", sagte Jubb zuletzt der Times.
Traumlos in Wimbledon?
Egal wie es in Wimbledon läuft, der Youngster will bis Jahresende auf jeden Fall auf der Tour weiterspielen. Als College-Meister hätte ihm auch eine Wildcard für die US Open zugestanden.
Weil er kein US-Amerikaner ist, wird ihm diese Ehre allerdings verweigert, aber die Wimbledon-Einladung war mehr als eine Entschädigung.
Auf sein Idol Djokovic trifft der Brite in der ersten Runde glücklicherweise nicht. "Wäre das mein Traum? Ich habe wahrscheinlich keine Chance gegen ihn, also wohl eher nicht", sagt Jubb mit einem Lächeln. Stattdessen geht es gegen den Portugiesen Joao Sousa.
Man darf gespannt sein, wie es mit diesem ungewöhnlichen Amateur weitergeht, seinen Weg im Leben wird er mit Sicherheit machen.