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Schwimmen, WM 2009: Als Biedermann eine Schwimm-Legende überflügelte

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Schwimmen, WM 2009: Als Biedermann eine Schwimm-Legende überflügelte

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Als Biedermann Phelps stürzte

Vor 14 Jahren beschert Paul Biedermann dem deutschen Schwimmsport eine Sternstunde. SPORT1-Redakteur Holger Luhmann war dabei und erinnert sich.
Paul Biedermann gelang in Rom ein legendärer Sieg über Michael Phelps
Paul Biedermann gelang in Rom ein legendärer Sieg über Michael Phelps
© Picture Alliance
hluhmann
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Es war noch immer heiß an jenem 28. Juli vor 14 Jahren in Rom, als Paul Biedermann um kurz nach 18 Uhr auf den Startblock mit der Nummer 4 für den Schnellsten der Halbfinals stieg. Rechts neben ihm stand kein geringerer als Michael Phelps, das achtfache Weltwunder von Peking, der Superstar des Schwimmsports schlechthin.

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Unten, rund um das Becken staute sich die Hitze, oben auf der Tribüne schützten sich die Zuschauer mit Schirmmützen und vereinzelt auch mit italienischen Gazetten auf den Köpfen vor der sengenden Sonne. Ein Knistern lag in der Luft, das nicht nur dem Wetter geschuldet war.

Dieses Duell, das war deutlich zu spüren, elektrisierte. Sollte dieser Deutsche tatsächlich den übergroßen Phelps schlagen, der über seine Paradestrecke 200 Meter Freistil seit fünf Jahren kein Rennen verloren hatte?

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Biedermann bittet Phelps zum heißen Tanz

Einen Tag zuvor hatte ich Biedermann zu einem Gespräch in einem kühlen Gartenfleckchen des Foro Italico, jenem monumentalen Sportstättenkomplex im Norden Roms, getroffen. Biedermann saß entspannt in einem Stuhl.

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Kein Wunder, er hatte sich gerade zum Weltmeister über 400 Meter Freistil aufgeschwungen und dabei den Fabelweltrekord des Australiers Ian Thorpe torpediert.

Ob mit Phelps nun die nächste Legende dran glauben müsse? "Es ist meine große Chance, es wird ein heißer Tanz", sagte Biedermann. Für den stets angenehm zurückhaltenden Deutschen, im Erfolg wie im Misserfolg gleichsam bodenständig, kamen diese Worte schon fast einer vollmundigen Aufforderung zum Kampf gleich.

Veränderte Taktik

Jetzt, in diesem mit Hochspannung erwarteten WM-Finale, galt es, Taten folgen zu lassen. Nach gewohnt mäßigem Start übernahm Biedermann gleich die Initiative. Das war alles andere als üblich.

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Eigentlich ging der Deutsche gerne seine Rennen aus der Reserve an und vertraute seinem Speed auf der letzten Bahn. Doch diesmal setzte er sich gleich vor das Feld, diesmal sollte alles anders sein. "Mir war klar, dass Michael bei den Wenden besser ist, also musste ich versuchen, ihn beim Schwimmen zu schlagen", sollte Biedermann nach dem Rennen sagen.

Zug um Zug pflügte er durch das Wasser, baute seinen Vorsprung auf Phelps auf eine Körperlänge aus. Auf der Tribüne staunten die Zuschauer, in Deutschland vor den Fernsehgeräten riss es nicht wenige aus ihren Sesseln. Würde Biedermann dieses Höllentempo durchstehen können? Konnte Phelps noch einmal zu einer Attacke ansetzen? Spätestens auf den letzten Metern war klar: Biedermann konnte, Phelps konnte nicht.

Paul Biedermann (hinten) ließ Michael Phelps (vorne) 2009 über 200 Meter alt aussehen
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"Es war ein Traum für mich"

Biedermann ließ nicht nur Phelps weit hinter sich, sondern auch die rote Linie, die an den TV-Geräten die Weltrekordzeit anzeigt. Als Biedermann anschlug, standen exakt 1:42,00 Minuten auf der Anzeigetafel. An diesem Tag nahm er Phelps, dem achtfachen Olympiasieger von Peking, nicht nur unglaubliche 1,22 Sekunden ab, sondern auch dessen Weltrekord von 1:42,96 Minuten.

Zugleich kürte er sich zum ersten deutschen Weltmeister über die 200 Meter seit Michael Groß 1982 und 1986.

Im Augenblick des Triumphes reckte Biedermann seine rechte Hand in die Höhe. Wenig später versuchte er seine Gefühle in Worte zu fassen. "Es war ein Traum für mich, einmal schneller zu sein als er", sagte Biedermann nach seinem Sieg gegen Phelps.

Wasserpfeifen-Affäre und Hightech-Ära

Zwei Umstände hatten ihm in die Karten gespielt. Zum einen war Phelps weit von seiner Bestform entfernt. Nach seinem Husarenstück von Peking hatte der US-Amerikaner das süße Leben genossen. Nach einer Wasserpfeifen-Affäre war er vom Verband wegen Marihuana-Konsums gesperrt worden, hatte ein halbes Jahr keinen Wettkampf bestritten.

Zum anderen wurde Biedermann im wahrsten Sinn des Wortes förmlich getragen von seinem X-Glide-Anzug. Die WM in Rom fiel in die kurze, prägnante Ära der Hightech-Anzüge aus Kunststoff – und Biedermann trug gegenüber Phelps das bessere Material an seinem Körper. Er fühle sich ein bisschen wie auf einer Luftmatratze, sagte der Deutsche einmal.

Britta Steffen und Paul Biedermann avancierten zum deutschen Schwimm-Traumpaar
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Dank an Britta Steffen

Beflügelt wurde er auch von Britta Steffen. "Britta Steffen hat mir gesagt: Ich glaube an dich, du kannst Michael Phelps schlagen", erzählte Biedermann: "Das hat mir sehr geholfen. Eigentlich muss ich ihr dafür danken, dass ich gewonnen habe."

In Rom wurde Biedermann in jener Epoche zum zweiten deutschen Schwimm-Star nach Steffen, die ein Jahr zuvor in Peking Doppel-Olympiasiegerin geworden war und auch in Rom ihren Konkurrentinnen davon schwamm.

Kurz darauf wurden Biedermann und Steffen ein Paar, die Beziehung hatte aber keinen Bestand. Bei der WM 2011 in Shanghai mussten sich Phelps und Biedermann hinter Ryan Lochte mit Silber und Bronze begnügen. Bei Olympia ein Jahr später in London blieb Biedermann als Fünfter eine Medaille verwehrt.

Sein Weltrekord in der ewigen Stadt beim triumphalen Sieg über Phelps ist weiter unerreicht.