Andre Greipel fühlte sich regelrecht alleingelassen. "Ohne starke Mannschaft ist es schwer", sagte der vollkommen ernüchterte Rostocker nach der Sprintpleite auf der vierten Etappe der 106. Tour de France.
Greipel nach Sprintpleite frustriert
Auf schmerzliche Weise wurde dem elfmaligen Etappensieger vor Augen geführt, dass er im Konzert der Großen momentan keine Rolle mehr spielt.
"Es war chaotisch, jeder hat die Ellenbogen ausgefahren. Ich freue mich über alles Positive bei dieser Tour, aber heute habe ich leider keine Lücke gefunden", sagte der 36 Jahre alte Routinier. Beim ersten echten Sprint royal hatte er den Triumph des Italieners Elia Viviani nach 213,5 km in Nancy als Zwölfter nur als Randfigur erlebt.
Greipel geknickt über eigene Leistung
Auch zum Auftakt in Brüssel war Greipel als 18. bereits klar an einem Spitzenresultat vorbeigefahren.
Nicht nur die Unterlegenheit seines französischen Teams Arkea-Samsic war dafür ein Grund. Greipel machte sich auch aufgrund seiner holprigen Vorbereitung und häufiger Klippen in der Streckenführung kaum Hoffnung auf Verbesserung. "Sagan kann berghoch fahren, Viviani kann berghoch fahren, viele gute Sprinter können berghoch fahren - außer ich", sagte er geknickt.
Zwar streckte sich diesmal auch Peter Sagan vergeblich, doch der Slowake aus der deutschen Mannschaft Bora-hansgrohe behielt mit Rang vier zumindest das Grüne Trikot.
Viviani mit bärenstarkem Auftritt
Die Ovationen gehörten in Nancy aber Viviani, der in einer Jubeltraube seiner Kollegen des Teams Deceuninck-Quick Step verschwand. Mit einem unwiderstehlichen Antritt ließ der 30-Jährige seine Konkurrenten stehen und feierte am Ufer der Meurthe den ersten Tour-Etappensieg seiner Laufbahn.
Viviani setzte sich in dem aufregenden Hochgeschwindigkeitsfinale knapp vor dem Norweger Alexander Kristoff (UAE Team Emirates) sowie dem Australier Caleb Ewan (Lotto-Soudal) durch und bescherte seiner Mannschaft nach dem Tageserfolg von Julian Alaphilippe in Epernay den zweiten Sieg in Folge.
Der von seinen Landsleuten umjubelte Franzose Alaphilippe behauptete das Gelbe Trikot und trägt es am Mittwoch in Richtung Vogesen. Einziger deutscher Etappensieger in Nancy bleibt Rolf Gölz (1988).
Greipel mit schwierigem Jahr
Das Teilstück am Dienstag war der nächste Beleg dafür, dass die deutsche Sprinterherrlichkeit erst einmal vorüber ist. Marcel Kittel und John Degenkolb fehlen dieses Jahr, der aufstrebende Pascal Ackermann wird frühestens 2020 sein Tour-Debüt feiern - und Greipel ist nicht mehr der Alte.
Auch gesundheitlich hat er "ein durchwachsenes Jahr" hinter sich und kann die Leistung der Vergangenheit nicht abrufen.
Vor dem spannenden Finale hatte sich das für Flachetappen oft typisch eintönige Szenario entwickelt. Drei Profis, darunter der Schweizer Michael Schär, suchten ihr Heil in der Flucht - trotz der von vornherein ungünstigen Aussicht auf Erfolg. Im Peloton diktierte ähnlich wie am Montag der deutsche Zeitfahrspezialist Tony Martin vom Team Jumbo-Visma über Stunden das Tempo und hielt den Abstand unter Kontrolle.
Sprinter am Mittwoch im Hintergrund
Ein Sturz etwa zur Etappenmitte sorgte bei Bora für einen kurzen Schreck, denn der österreichische Meister Patrick Konrad war betroffen, neben Emanuel Buchmann die Hoffnung auf einen Spitzenplatz in der Gesamtwertung. Konrad verletzte sich aber nicht ernsthaft.
Ab Mittwoch treten die Sprinter vorerst in den Hintergrund. Die 175,5 km lange fünfte Etappe von Saint-Die-des-Vosges nach Colmar führt das Feld in das Herz der Vogesen - und prüft damit erstmals die Kletterfähigkeiten der Radprofis. Vier Bergwertungen stehen auf dem Plan.
Das Terrain nah an der deutschen Grenze bietet einer Fluchtgruppe Chancen auf einen Tageserfolg. Allerdings könnten auch die Favoriten auf den Gesamtsieg die Konkurrenten ein wenig antesten. 2009 gewann Heinrich Haussler in Colmar eine völlig verregnete Tour-Etappe.