Das Grinsen breit, die Laune überragend, die Gelassenheit spürbar: Andreas Wellinger schwebt auf Wolke sieben dem Angriff auf den zweiten Olympiasieg in Pyeongchang entgegen. "Ich bin total entspannt", sagte der Skisprung-Goldjunge nach einer spielerisch erledigten Qualifikation auf der Großschanze: "Ich habe hier schon mehr erreicht, als ich mir vorgenommen habe. Alles, was jetzt noch kommt, ist Zugabe. Aber natürlich will ich wieder um eine Medaille mitspringen."
Wellinger Vierter in Qualifikation
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Als Vierter zog Wellinger in die Entscheidung am Samstag (ab 13.30 Uhr im LIVETICKER) ein - doch das war fast schon nebensächlich. "Meine Sprünge hier sind cool, auf hohem Niveau", sagte der 22-Jährige. Was also bitte soll da noch schiefgehen? Und deshalb ist selbst Bundestrainer Werner Schuster, sonst ein Berufsskeptiker, vor dem zweiten Schanzen-Showdown in Südkorea völlig gelöst.
"Wenn man schon einen Olympiasieg hier hat, dann muss man sich nicht mehr fürchten. Andi hat den Erfolg im Hintergrund und so viel Selbstvertrauen", sagte der Österreicher, der seinen Topmann nach dem Coup am vergangenen Samstag bewusst an der langen Leine ließ: "Ich habe ihm am Anfang den Freiraum gegeben, dass er feiern kann. In den ersten Tagen gratuliert dir natürlich jeder, das hat er so genossen - wer weiß, wann das wieder vorkommt. Aber dann sind wir zügig zurück in den Alltag und jetzt wieder voll im Trott." (SERVICE: Der Medaillenspiegel)
Hoffnung auf zweiten Olympiasieg lebt
Da auch die Hauptkonkurrenten Kamil Stoch (Polen) sowie Qualifikationssieger Robert Johansson und der zweitplatzierte Johann Andre Forfang (beide Norwegen) zwar stark, aber nicht in Überform sprangen, lebt die Hoffnung, dass Wellingers Wintermärchen historische Ausmaße annimmt: Nur der legendäre Finne Matti Nykänen gewann 1988 in Calgary dreimal Skisprung-Gold. Die beiden anderen Springer, die in beiden olympischen Einzelspringen eines Jahres siegten - Stoch (2014) und der Schweizer Simon Ammann (2002, 2010) - holten mit der Mannschaft nicht einmal eine Medaille.
Wellingers Goldcoup schien den Druck von den DSV-Springern genommen zu haben, allerdings wackelten seine Teamkollegen in der Qualifikation ein wenig. Richard Freitag, nach den Trainingssprüngen ein klarer Medaillenkandidat, kam nicht über Platz 13 hinaus. "Die ersten paar Meter bekomme ich nicht in den Griff. Irgendwie läuft nach dem Absprung das System nicht. Hoffentlich finde ich bis morgen den Schalter", sagte der Sachse. Dass Freitags Suche erfolgreich ist, davon geht der Bundestrainer aus. "Ritschi muss es nur einfach ganz entschlossen angehen, dann sollte es klappen", sagte Schuster. (SERVICE: Der Zeitplan der olympischen Spiele)
Freitag wird kaum beachtet
Freitag war nach seinem grandiosen Saisonstart mindestens bis zum Sturz bei der Vierschanzentournee der in der öffentlichen Wahrnehmung alles beherrschende deutsche Skispringer. Seit Wellinger in Pyeongchang durch die Decke ging, redet kaum noch jemand über den "Ritsch" - der "Schnäuzer" fliegt unter dem Radar.
Aus dem Windschatten will Freitag sein Trauma von Sotschi 2014 endgültig besiegen, als er zur tragischen Figur wurde. Damals flog der eigentlich gesetzte Freitag mit lausigen Sprüngen von der Großschanze aus dem Olympia-Team und musste zuschauen, als dieses Sensations-Gold holte. Auch deswegen gilt für Freitag: "Eine Medaille hier wäre extrem schön."