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Formel 1: Hasta la vista, Red Bull! - Kolumne von Peter Kohl über Verstappen, Ferrari und Co.

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Formel 1: Hasta la vista, Red Bull! - Kolumne von Peter Kohl über Verstappen, Ferrari und Co.

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Das ist eine Farce

Der Große Preis von Singapur sieht das Ende der historischen Red-Bull-Serie. Ferrari erlöst alle F1-Fans, die es nicht mit den Österreichern halten. Zudem sorgt ein cooler Aussie für frischen Wind. Die Formel-1-Kolumne von Peter Kohl.
Beim Großen Preis von Singapur endet die Red-Bull-Siegesserie
Beim Großen Preis von Singapur endet die Red-Bull-Siegesserie
© SPORT1/Imago/Motorsport Images
Peter Kohl
Peter Kohl

Hasta la vista, baby! Ferrari knackt die RED BULL – Bämm! Und damit hallo liebe F1-Fans!

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Der Tag musste einmal kommen, beim bisherigen Saison-Dominator hat man das gewusst. Und doch hätten Christian Horner, Dr. Helmut Marko und Max Verstappen sich gerne den Rekord von einer makellosen Saison mit Siegen in allen Rennen gerne ans Revers geheftet. Dieser einmalige Coup bleibt ihnen verwehrt aufgrund einer Mixtur aus diversen Komponenten.

Wer hätte gedacht, dass der RB19 mal Schwächen zeigt? Der Häuserschluchten-Kanal von Singapur liegt ihm diesmal gar nicht. Sowohl Pérez als auch Verstappen, der Sliden in Mutkurven eigentlich mag, rümpfen vom 1. Freien Training an die Nase über ein permanent rutschendes Heck. Diese Drift-Challenge lässt sich während des gesamten Wochenendes nicht kurieren.

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Safety-Car zerstört Red-Bull-Plan

Erstmals seit 2018 ist kein Red Bull im Qualifying unter den besten zehn. Ausrutscher im Qualifying hat es im Verlauf dieser Saison gerade von Pérez schon einige gegeben, auch Verstappen musste aufgrund von Grid-Strafen schon von weiter hinten starten, pflügte dann aber jeweils nach Belieben durchs Feld. Diesmal fehlt ihm das hundertprozentige Vertrauen in seinen Boliden. Dass beide auf HARD ins Rennen gehen, ist nachvollziehbar, nur gegen den Strom schwimmen kann noch entscheidende Veränderungen mit einem Podiumsplatz im Rennen bringen.

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Die Safety-Car-Phase nach dem Sargeant-Fiasko-Einschlag kommt aber für die erfolgsverwöhnte Red-Bull-Armada zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, weil sie der Konkurrenz quasi einen kostenlosen Boxenstopp bringt. Während nahezu alle Konkurrenten unter Safety-Car-Verlangsamung auf neue Walzen wechseln können, müssen Verstappen und Pérez draußen bleiben, weil der Stint auf MEDIUM sonst zu lang werden würde. Verstappen und Pérez werden zwar kurzzeitig auf die Positionen zwei und vier nach vorne gespült, aber nach erneuter Rennfreigabe von der frisch besohlten Konkurrenz förmlich aufgefressen.

Verstappen und Pérez holen als Fünfter und Achter Punkte – die weiße Red Bull–Weste hat aber seit Singapur Flecken. Für mich übrigens unverständlich, dass Pérez für seinen Rammstoß gegen Tsunoda straffrei ausgeht und für das Rauskicken von Albon, der deshalb aus den Punkterängen fliegt, schlappe fünf Strafsekunden kassiert, die keinen Platzverlust bedeuten. Das ist eine Farce!

Beide WM-Titel sind den Brause-Raketen nicht mehr zu nehmen. Den Rekord von allen Siegen innerhalb einer Saison muss man an den Nagel hängen. Damit ist der Weg frei, ab sofort nur noch für das Auto des Jahrgangs 2024 zu entwickeln! Keine gute Nachricht für die Verfolger!

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Und dennoch wird ein Aufatmen durchs Feld gehen. Nothing is perfect. Auch die Red-Bull–Welt nicht. Ein Signal, das enorm wichtig ist für alle, die seit Monaten mit hängender Zunge Red Bull hinterherhetzen.

Neue Rangordnung bei Ferrari?

Für Ferrari hat das Heimspiel in Monza mit der Pole und dem Podiumsplatz von Carlos Sainz schon für eine deutlich bessere Stimmung gesorgt. Pole und Sieg von Sainz in Singapur sind ein echter Befreiungsschlag in einer Saison, die von vielen Scuderia-Fans schon abgehakt wurde. Die Roten standen monatelang eher für Pleiten, Pech und Pannen.

Dass Leclerc beim Boxenstopp Positionen verliert, weil er stehen bleiben muss, um vorbeifahrende Konkurrenten in der Fast-Lane nicht zu gefährden, ist Pech. Bei seiner verzweifelten Aufholjagd ruiniert er seine HARD frühzeitig. Am Ende überhitzt das Auto in fast allen Komponenten. Der Monegasse muss Tempo rausnehmen, um sich ins Ziel zu retten. Aber er kann zuvor immerhin die mit frischen MEDIUM besohlten Mercedes einbremsen und damit Sainz an der Spitze helfen.

Sainz ist aktuell in der Form seines Lebens. Er rüttelt gewaltig an der Nummer-1-Stellung von Leclerc im Team. Der wird momentan vom Spanier kräftig entzaubert. Sainz zeigt aktuell, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Ein verbissener Fighter bis zum letzten Blutstropfen, der sich von nichts beeindrucken lässt. Diese Nuss ist für Leclerc hart zu knacken. Sainz‘ taktischer Kniff, Norris DRS in der Schlussphase zu ermöglichen, damit der sich besser gegen die beiden jagenden Mercedes behaupten kann, ist brillant!

Ferrari meldet sich eindrucksvoll zurück

Singapur hat eine komplett andere Streckencharakteristik als Monza. Auf beiden Strecken hat die Rote Diva Potential gezeigt. Einen besseren Beleg dafür, dass der Kult-Rennstall auf dem richtigen Weg ist, kann es kaum geben. Kräftiges Durchatmen nicht nur in Maranello, sondern bei den Tifosi weltweit! Der letzte Sieg vor Singapur liegt lange zurück – am 10. Juli 2022 konnte Leclerc in Österreich gewinnen.

In der Konstrukteurs-WM hat Ferrari Aston Martin abgehängt, auf den Zweiten Mercedes fehlen nur noch 24 Punkte. Was in erster Linie mit einem haarsträubenden Fehler von George Russell zu tun hat. Dass Mercedes ALL IN geht im Kampf um einen möglichen Laufsieg und beide Kutscher zu einem zweiten Stopp reinholt, anstatt die Strategie zu splitten, ist nachvollziehbar.

Hamilton drückt hinter ihm gewaltig, könnte eindeutig schneller fahren. Russell will aber unbedingt selber siegen! Ein klitzekleiner Konzentrationsfehler lässt ihn aber in der Schlussrunde an die Streckenbegrenzung knallen und ausscheiden. Der Spruch „To Finish First, First You Have To Finish“ ist wieder einmal in seiner ganzen Härte bestätigt worden.

In den zurückliegenden Rennen ist Russell wieder hinter Teamkollege Hamilton, den er zu Saisonbeginn kräftig unter Zugzwang setzen konnte, zurückgefallen. Singapur bietet ihm die Chance, den Spieß wieder umzudrehen. Er ist das gesamte Wochenende über schneller als der Rekordweltmeister. Aber die mögliche Ernte verhagelt er sich selbst.

Eine brennende Wunde, die einen schmerzhaften Lerneffekt nach sich ziehen wird! Kritik aus dem Team gibt es keine. Er hat die Rückendeckung von allen, denn er ist die Zukunft von Mercedes! Was er am besten schon in Suzuka wieder zeigen sollte. Viel Zeit zum Wundenlecken bleibt nicht.

Glücksgefühle bei McLaren

Vollgepumpt mit Glückshormonen wird Lando Norris nach Suzuka reisen. In Singapur liefert er die Bestätigung, dass die nächste Update-Stufe von McLaren zündet wie schon die erste beim Grand Prix von Österreich. Das steigert das Vertrauen des gesamten Ingenieursteams in die neuen Tools zu Hause - wie den neuen Windkanal. Die Werte, die dort erfasst werden, korrelieren zu den Daten von der Rennstrecke. So lassen sich Weiterentwicklungen eins zu eins auf der Strecke umsetzen.

In Suzuka wird auch Piastri in den Genuss der neuen Teile kommen. Die Papaya-Orangen sind aktuell eindeutig schneller als die After-Eight-Grünen von Aston Martin. Für Fernando Alonso war sein Bolide in Singapur „unfahrbar“. Wenn der Altmeister das sagt, wird es auch stimmen. Aston Martin ist in der Weiterentwicklung klar hinter McLaren zurückgefallen. Mit Platz 15 bleibt Alonso erstmals (!) in dieser Saison in einem Sonntagsrennen ohne Punkte. Nur im Sprint von Spa ist er durch einen Ausfall leer ausgegangen.

Mitgefühl sollte Esteban Ocon erhalten. Zum vierten Mal in den vergangenen sechs Rennen ist er aufgrund technischer Probleme ausgefallen. Sein 27. Geburtstag bietet keinen Grund zum Feiern. Dabei hat er ein wirklich starkes Rennen gezeigt, sich gut nach vorne gearbeitet. Was drin gewesen wäre, zeigt Platz sechs von Teamkollege Pierre Gasly, der in der Startaufstellung vier Plätze hinter Ocon auf P12 stand.

Um sein Leben gefightet hat Kevin Magnussen. Der Däne ist lange in der Verlosung um WM-Punkte dabei. In der Qualifikation glänzt das Haas-Duo mit den Plätzen sechs und neun. Im Rennen fallen Hülkenberg und Magnussen dem Haas-Reifenfraß aber mal wieder zum Opfer. Das tut richtig weh und ist zutiefst frustrierend!

Frischer Wind dank Lawson

Genauso wie die Fehlerquote von Logan Sargeant, der kräftig unter Druck stehend mental total überfordert wirkt. Wären da nicht noch die beiden Grand Prix in Austin und Las Vegas, würde der Amerikaner wohl das Saisonende nicht mehr im Williams erleben.

Eine Fortsetzung seiner F1-Laufbahn hat sich dagegen Liam Lawson verdient. Als Ersatz für den verletzten Ricciardo während des Wochenendes in Zandvoort eingesprungen und dort bei widrigen Bedingungen im Rennen fahrend, bleibt er nach Monza auch in Singapur zum dritten Mal in Folge fehlerfrei.

Die ersten WM-Punkte als Neunter sind der verdiente Lohn. Ein cooler Neuseeländer, der frischen Wind in die Szene bringen kann. Hoffentlich geht für ihn 2024 eine Tür auf für ein Engagement in der Königsklasse. Ich würde es ihm wünschen.

Mit Suzuka kommt jetzt eine meiner Lieblingsrennstrecken im Jahreskalender. Japan ist immer etwas Besonderes. Die Fans sind fanatisch, halten aber respektvoll Abstand zu den Fahrern und Teams. Die Strecke ist eine pure Herausforderung.

Und um diese Jahreszeit regnet es auch mal gerne. Was wiederum alles durcheinanderwirbeln kann. Ich hoffe auf einen weiteren Überraschungs-Grand-Prix wie in Singapur.

Bis dahin, PEDAL TO THE METAL, bleiben Sie gesund!

Ihr Peter Kohl