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DFB: Nagelsmann? "Dann muss man es jetzt machen!" - Matthäus im SPORT1-Interview

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DFB: Nagelsmann? "Dann muss man es jetzt machen!" - Matthäus im SPORT1-Interview

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Verlierer Sané? „Sehe ich nicht so“

Die Siege gegen Frankreich und die Niederlande sorgen bei der Nationalmannschaft für neue Euphorie. Lothar Matthäus spricht im SPORT1-Interview über die EM-Chancen des DFB-Teams und die Zukunft von Bundestrainer Julian Nagelsmann.
Julian Nagelsmann hat mit seinem neuen DFB-Kader Mut bewiesen - das sieht auch Lothar Matthäus so.
Stefan Kumberger
Stefan Kumberger
Manfred Sedlbauer
Manfred Sedlbauer

Die deutsche Nationalmannschaft hat mit den jüngsten Testspielsiegen neue Hoffnung für die anstehende Heim-Europameisterschaft geschürt. In den Duellen mit Frankreich und den Niederlanden zeigte das DFB-Team sich nicht nur defensiv wieder stabiler, sondern sorgte auch offensiv für Furore.

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Besonders die Startelf machte mächtig Werbung in eigener Sache - zum Leidwesen einiger Stars, die nicht dabei sein konnten, darunter Leroy Sané, Leon Goretzka oder Mats Hummels.

„Überrascht mich nicht!“ Matthäus lobt neues Traum-Duo

Im SPORT1-Interview spricht Rekordnationalspieler Lothar Matthäus über seine Eindrücke der vergangenen Tage. Dabei macht er zwei abwesenden Bayern-Profis Hoffnung und zweifelt daran, ob Nagelsmann Bundestrainer bleiben will.

SPORT1: Sie haben im Zusammenhang mit der deutschen Nationalmannschaft vor dem Spiel gegen die Niederlande viel Euphorie verbreitet. Es war fast so, als wären Sie selbst noch auf dem Platz. Woher kommt diese Euphorie bei Ihnen?

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Lothar Matthäus: Bei mir ist die Euphorie eigentlich schon seit Wochen und Monaten da, weil ich die Qualität der Spieler sehe. Wichtig ist, dass Julian Nagelsmann es im Spiel gegen Frankreich geschafft hat, aus diesen guten Spielern eine gute Mannschaft zu machen. Und wenn du eine gute Mannschaft hast, dann gewinnst du gegen Mannschaften, die vielleicht auch höher einzuschätzen waren bis zu diesem Moment. Ich glaube, Deutschland hat gezeigt, was sie können. Deutschland hat gegen eine Mannschaft in einem Auswärtsspiel verdient mit 2:0 gewonnen und deswegen habe ich keine Angst vor dieser Heim-Europameisterschaft. Wichtig ist, dass der Charakter der Mannschaft stimmt, dass jeder für den anderen kämpft und es im Endeffekt dann auch von außen weniger Unruhe gibt als bei den letzten Spielen.

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SPORT1: Es gibt ein neues Traum-Duo vorne mit Florian Wirtz und Jamal Musiala. Was macht die beiden so besonders, auch im Zusammenspiel?

Matthäus: Es überrascht mich nicht. Gute Spieler können miteinander und es sind zwei Spieler, die unwahrscheinlich viel Spaß haben, die eine hohe Qualität mitbringen, die ins Eins-gegen-Eins gehen können, die ihre Mitspieler sehen, die Dribbling können, die nach hinten mitarbeiten. Gerade das ist ja wichtig, dass die Offensivspieler die Defensive unterstützen, damit die Defensive dann am Ende doch besser wegkommt als sie in Wirklichkeit ist. Vor allem in den Spielen gegen Österreich und die Türkei ist die Defensive ein bisschen im Stich gelassen worden von den Spielern der Offensive, die nicht rechtzeitig zurückgelaufen sind.

Matthäus macht zwei Bayern-Profis Hoffnung

SPORT1: Bei der Qualität von Wirtz und Musiala ist ja eigentlich gar kein Platz mehr für Leroy Sané, weil Ilkay Gündogan als Kapitän spielen wird. Vorne in der Sturmspitze ist Sané auch nicht denkbar. Ist er der Verlierer dieser neuen jungen Kaderausrichtung?

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Matthäus: Das sehe ich nicht so. In dem einen oder anderen Spiel, wenn man offensiver spielen muss, kann Musiala auch auf der Doppel 8 oder etwas defensiver spielen. Julian Nagelsmann kann froh sein, dass er diese Qualität an Spielern hat, die wir ja schon seit Monaten oder einem Jahr sehen. Toni Kroos ist zurückgekommen, dadurch ist natürlich der Konkurrenzkampf im Zentrum sehr groß, aber trotz alledem: Ein Leroy Sané mit seiner Geschwindigkeit und mit seiner Stärke, die er vor allem in der Hinrunde bei Bayern München gezeigt hat mit seiner Torgefährlichkeit, mit seinen Vorlagen, mit seinen Dribblings … Er ist immer ein Unterschiedsspieler und mit so einem Spieler musst du sprechen. Man muss ihn auch darauf hinweisen, dass er keine Einsatzgarantie hat, aber die haben auch Musiala und Wirtz nicht. Es geht nach Leistung und nicht nach einzelnen Namen oder nach dem, was vor einem halben Jahr passiert ist, sondern es geht um die Gegenwart.

Ich glaube, dass Julian Nagelsmann nicht mit 11 Spielern plant für die Europameisterschaft, sondern dass er am Ende 16, 17 Spieler braucht, denen er volles Vertrauen schenkt, aber die anderen Spieler auch hat, damit sie im Notfall einspringen können und dass sie ihre Einsatzzeiten bekommen. Da denke ich vor allem an alle vier „Stuttgarter Wilden“, die es verdient haben, dabei zu sein und wenn dann ein Mittelstädt mal einem anderen Spieler weichen muss oder ein Führich oder Undav nicht von Anfang an spielt, dann wird es da von ihrer Seite keine Probleme geben. Im Endeffekt hängen sie sich dann vielleicht noch mehr rein als ohnehin schon, um den Druck auf die Mitspieler, die spielen, zu erhöhen. Ich glaube, das ist auch ein bisschen die Philosophie von Julian Nagelsmann, dass er von den Spielern, die er dabeihat, nicht erwartet, dass sie negativ sind, sondern dass sie einfach dieses Positive, mit der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft dabei zu sein, auf die Trainingseinheiten übertragen und die Spielern, die mehr gesetzt sind, ihren Atem spüren und merken, dass sie hungrig sind.

Laut Bundestrainer Julian Nagelsmann steht der Kader für die Heim-EM weitgehend fest. Es gibt nur noch wenige Tickets, um die sich gleich zehn prominente Namen bewerben.
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Härtefälle drohen: EM ohne Goretzka, Süle, Gnabry oder Schlotterbeck?

SPORT1: Leon Goretzka ist ein Spieler, der von dieser neuen jungen Linie von Julian Nagelsmann nicht profitiert, der ist nämlich zu Hause geblieben. Kann er sich überhaupt noch so wirklich präsentieren in den letzten Wochen vor dem EM? Die Mannschaft, die jetzt im DFB-Kader steht, wirkt ja schon sehr gefestigt …

Matthäus: Diese Spieler haben natürlich einen Vorteil, aber trotzdem ist für Leon die Tür offen genauso wie für Gnabry und die Dortmunder Spieler und wer auch immer sich sonst noch Hoffnungen macht. Ich glaube nicht, dass jetzt schon alle Tickets fest vergeben sind, da kann noch das eine oder andere passieren. Trotzdem kann man schon erkennen, wer die Nase vorne hat und da gehört Leon Goretzka nicht dazu.

Bleibt Nagelsmann Bundestrainer? Matthäus hat „Zweifel“

SPORT1: Sie haben den Cheftrainer schon angesprochen. Wäre der DFB gut beraten, sich frühzeitig um die Zukunft von Julian Nagelsmann zu kümmern?

Matthäus: Die Frage ist, welches Szenario wir uns ausmalen. Verlängert der DFB mit Julian Nagelsmann und wir scheiden widererwartend sehr früh aus, dann hat man die Entscheidung vielleicht zu früh getroffen. Wichtig ist, dass beide Parteien, sowohl der DFB als auch Julian Nagelsmann, eine Lösung finden, und zwar nicht vor den Medien, sondern intern. Da braucht nichts unterschrieben werden, man arbeitet ja eigentlich in erster Linie im Vertrauen zusammen. Ein Vertrag ist immer kündbar. Julian Nagelsmann hat natürlich Möglichkeiten im kommenden Jahr international, aber auch national einen Trainerjob zu finden. Die Frage ist auch: Was will Julian Nagelsmann überhaupt? Will er wirklich Nationaltrainer bleiben? Ich habe daran noch etwas meine Zweifel.

Natürlich nimmt man so eine Atmosphäre wie die aktuelle auch mit und sagt: „Das ist doch schön, deutscher Nationaltrainer zu sein!“ Den Job machst du ja mit Stolz, denn es gibt ja nur einen. Aber er ist 36 Jahre alt, vielleicht will er auch wieder ins Tagesgeschäft zurück, eine Mannschaft selbst um sich herum aufbauen und einen Klub übernehmen. Ist er wirklich bereit, über die Europameisterschaft hinaus deutscher Nationaltrainer zu bleiben? Wenn man davon überzeugt ist, sollte man es machen. Aber dann darf man nicht sagen: „Ach, wir machen es vom Ergebnis abhängig“, sondern dann muss man es jetzt machen.

SPORT1: Man sieht derzeit am Kader, dass die Bayern und die Dortmunder nicht mehr die Präsenz früherer Tage haben, als sie den Kader teilweise dominiert und ganze Blöcke gebildet haben. Das geht zurück bis in die 90er-Jahre… Was sagt das vor dem Duell am Samstag über die aktuelle Verfassung dieser beiden Klubs aus?

Matthäus: Ich schaue mal auf 1990 zurück. Da hatten wir sehr viele Spieler aus Italien dabei. Jetzt haben wir ter Stegen und Gündogan vom FC Barcelona und Rüdiger und Kroos von Real Madrid dabei. Damit haben wir schon mal vier Spieler aus Spanien in der Anfangsformation gehabt und so viele Plätze waren dann eigentlich gar nicht mehr da. Dann haben die Leverkusener noch drei Plätze übernommen mit Wirtz, Tah und Andrich. Mittelstädt von Stuttgart hat auch von Anfang an eine gute Partie gespielt. Der Rest waren dann drei Spieler von Bayern München mit Musiala, Kimmich und Müller, der dann noch reingekommen ist. Es hat sich einfach ein bisschen verschoben. Die Hauptaufgabe von Julian Nagelsmann ist es, eine gute Atmosphäre zu schaffen und den Spielern Sicherheit zu vermitteln, wie sie gebraucht werden.

Bayern besser ohne Nagelsmann? Matthäus wiegelt ab

SPORT1: Den Vereinen muss das ja aber schon zu denken gehen. Man war ja schon immer stolz darauf, viele Nationalspieler zu haben und gerade bei Dortmund hat man schon das Gefühl, dass da jetzt die Luft raus ist…

Matthäus: Ja, aber das spiegelt ja auch die Performance in der Meisterschaft wider. Wenn man sieht, wie schön Stuttgart und Leverkusen in der Liga spielen, dann spielen ja auch zurecht so viele Spieler dieser Mannschaften bei Julian Nagelsmann in der Nationalmannschaft. Das kann man ja auch an der Bundesligatabelle ablesen. Leverkusen steht auf Platz eins, Stuttgart auf Platz drei, also performen sie besser als ein RB Leipzig oder Borussia Dortmund. Und wenn ich sehe, wie viele Stuttgarter Spieler einen deutschen Ausweis haben – beim letzten Spiel in Hoffenheim waren meines Wissens nach acht deutsche Spieler in der Startformation – dann heißt das natürlich, dass aufgrund der Anzahl der deutschen Nationalspieler die Möglichkeiten in Stuttgart größer sind als beispielsweise bei RB Leipzig.

SPORT1: Eine letzte Frage: Sie haben es angesprochen, dass Julian Nagelsmann zu den Bayern zurückkehren könnte. Können Sie sich das vorstellen, weil sich so vieles in dem Verein im letzten Jahr geändert hat und beispielsweise Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic weg sind? Sind das die Hauptgründe?

Matthäus: Es ist vieles nicht mehr so, wie es vor anderthalb oder zwei Jahren noch war. Die beiden haben Julian Nagelsmann ja auch geholt. Meiner Meinung nach hat man Julian Nagelsmann nach der Niederlage in Leverkusen, an der er ganz sicher nicht allein schuld war, zu früh gekündigt. Ich habe die Notwendigkeit zu diesem Zeitpunkt nicht gesehen, auch wenn Bayern damals schlecht gespielt hat. Sie waren in der Meisterschaft noch dabei, sie waren im Pokal noch dabei und sie waren in der Champions League noch dabei. Im Endeffekt stand man vor einem Jahr wesentlich besser da als heute.