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Julian Nagelsmann: Das frühe Ende der Aufbruchstimmung

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Julian Nagelsmann: Das frühe Ende der Aufbruchstimmung

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Das Ende der Aufbruchstimmung

Bundestrainer Julian Nagelsmann ist nach den bitteren Niederlagen gegen die Türkei und Österreich sichtbar bemüht, einen neuen Ton zu finden - und vollzieht dabei einen waghalsigen Drahtseilakt.
Julian Nagelsmann analysiert die bittere Niederlage der deutschen Nationalmannschaft in Österreich mit klaren Worten - und hat insbesondere eine klare Forderung.
mhoffmann
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Der Transfer, der Transfer, der Transfer.

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Es war das Schlüsselwort, das Julian Nagelsmann ständig wiederholte, als er am Dienstagabend vor das TV-Mikrofon trat, um erneut eine bittere Niederlage seines Teams zu erklären.

„Der Transfer auf den Platz funktioniert einfach noch nicht“ - „Superviele gute Zeichen, nur der Transfer aufs Feld …“ - „Wie ich schon eingangs gesagt habe: Der Transfer des guten Mannschaftsbildes, das wir außerhalb haben …“

Der Bundestrainer kam immer wieder auf seine Kernthese zurück, als er nach dem 0:2 gegen Österreich im ZDF mit Moderator Jochen Breyer und Experte Per Mertesacker diskutierte.

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„Wenn man die Mannschaft außerhalb, auf dem Trainingsplatz wahrnimmt, ist es eine unglaublich gute, geschlossene Gruppe“, sagte der frühere Bayern-Coach. Es gehe nun darum, das auch dort zu zeigen, wo es drauf ankommt.

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Kann das gelingen, rechtzeitig bis zur Heim-EM im kommenden Jahr? Es ist die Aufgabe, an der auch Nagelsmann sich nun messen lassen muss - der früher als erhofft einen neuen Ton finden muss, jenseits der schnell verflogenen Aufbruchstimmung nach seinem Amtsantritt vor zwei Monaten.

Nagelsmanns Optimismus erweist sich als verfrüht

Zwar musste jedem klar sein, dass kein Trainer der Welt die deutsche Mannschaft, wie sie sich am bitteren Ende der Ära Hansi Flick präsentiert hatte, wundersam verwandeln können würde. Signale der Hoffnung gingen allerdings dann doch einige aus von dem immer noch erst 36 Jahre alten Trainer-Jungstar.

Dass der DFB ihn, die erhoffte 1A-Lösung gewinnen konnte. Der gekonnte und vielgelobte erste Auftritt bei seiner Antrittspressekonferenz. Der überzeugende 3:1-Sieg gegen die USA beim Debüt im Oktober. Das alles machte Mut. Und Nagelsmann erweckte damals durchaus aktiv den Eindruck, dass weitere Erfolgserlebnisse greifbar waren.

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„Noch nie“ habe er ein Team trainiert, „das so schnell schon Dinge umsetzt, ich bin absolut begeistert“, freute er sich im Anschluss an die USA-Reise. Und kündigte nach dem ersten Rückschlag, dem 2:2 gegen Mexiko an, dass die Fans gegen die Türkei und Österreich „eine weiter verbesserte Mannschaft sehen“ würden.

Passiert ist das Gegenteil - weswegen auch Nagelsmann nun früh im Rechtfertigungsmodus ist. Seine neue Rhetorik ist eine waghalsige Gratwanderung zwischen dem Versuch, die neuen Realitäten anzuerkennen und trotzdem noch einen Rest Aufbruchstimmung zu bewahren, zumindest innerhalb des Teams.

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DFB-Team vor „unfassbar viel Arbeit“

„Wir müssen akzeptieren, dass wir unfassbar viel Arbeit haben auf allen Positionen“, erklärte Nagelsmann.

Es werde „bis zum Sommer nichts leicht von der Hand gehen“, warnte der Coach. Es brauche „mehr Dynamik“, mehr Aufopferungsbereitschaft, mehr „deutsche Tugenden“ - ein Wort, bei dem Nagelsmann selbst nicht ganz wohl zu sein schien. Sein genauer O-Ton lautete „in Anführungszeichen: deutsche Tugenden“.

Niemand dürfte sich nun in einer „Opferrolle“ sehen, sagte Nagelsmann außerdem - auch das ein Wort, dass er im TV-Interview und der PK nach dem Spiel mehrfach anbrachte.

Der im März beim FC Bayern entlassene Nagelsmann war erkennbar bemüht, trotz allem nicht den Stab über seinen Spielern zu brechen.

Charakterfrage? Nagelsmann stellt sie nicht

Die „Charakterfrage“, die Weltmeister Per Mertesacker im ZDF schon in der Halbzeitpause stellte, warf Nagelsmann nicht auf. Seine klare Botschaft lautete: Die Spieler seien charakterlich einwandfrei und außerhalb des Platzes ein gut funktionierendes Kollektiv - nur eben der Transfer auf den Platz gelinge „nicht perfekt“, worauf Nagelsmann schnell korrigierte: „Was heißt nicht perfekt? Nicht gut“.

Hat Nagelsmann Recht mit seiner Einschätzung? Oder ist es mehr eine psychologische Hilfestellung für seine Spieler, auf die von außen gerade viele härtere Diagnosen einprasseln?

So oder so: Nagelsmanns These, dass eigentlich viel mehr mannschaftliches Potenzial vorhanden wäre, ist eine Messlatte, auch für ihn persönlich. Denn die Fragen, ob er die richtigen Dinge tut, um das Potenzial zu entfalten, werden schon jetzt lauter.

Ein altes Thema holt Nagelsmann schon ein

Vollführt Nagelsmann zu viele Experimente mit Spielern auf ungewohnten Positionen? Tut er sich einen Gefallen damit, nach dem Österreich-Spiel öffentlich die Arbeit an einer besseren Defensive als eher zwecklos hinzustellen und den Fokus so stark auf die Offensive zu lenken („Werden keine Verteidigungsmonster“)? (SPORT1-KOMMENTAR: „Solche Aussagen werden Nagelsmann nicht helfen“)

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Die Philosophie Nagelsmanns wird von Fans und Medienvertretern bereits kritischer hinterfragt, auch ein altbekanntes Thema aus Bayern-Zeiten holte Nagelsmann schnell wieder ein.

„Überfordern Sie die Mannschaft, mit dem, was Sie wollen, Herr Nagelsmann, verkomplizieren Sie die Dinge?“, fragte ZDF-Moderator Breyer den oft zu weitschweifenden Ausführungen und Analysen neigenden Übungsleiter.

Dieselbe Frage wurde auch Abwehrroutinier Mats Hummels gestellt und dabei auf Nagelsmanns in diesem Moment versteinertes Gesicht gezoomt.

Überforderung? „Ich sage ganz klar nein!“

„Ich finde das auf keinen Fall“, verteidigte Hummels allerdings seinen Coach: „Es dauert einfach, die Sachen umzusetzen.“

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Auch Nagelsmann wies den impliziten Vorwurf entschieden zurück: „Ich sage ganz klar nein! Die Idee ist sehr simpel und nicht kompliziert, ehrlich gesagt.“

Die Idee ist simpel genug, der Charakter der Mannschaft stimmt, das Potenzial für eine besser laufende EM 2024 ist da, wenn die nötige Arbeit investiert wird: Nagelsmann hat dies trotz der bitteren Rückschläge nachdrücklich vermittelt.

Es liegt nun an der Mannschaft - und an Nagelsmann - den Beweis anzutreten.