Der Ausdruck "Formel Deutsch" ist mehr als nur eine Floskel.
Historischer Einschnitt in der F1?
Seit fast 30 Jahren gilt in der Formel 1 die Regel: Ein Deutscher ist immer dabei. Mindestens einer hat an jedem Grand Prix teilgenommen, seit Michael Schumacher am 25. August 1991 sein Debüt in der Königsklasse gefeiert hatte.
Nicht nur der Rekord-Weltmeister prägte die F1 seitdem: Auch sein jüngerer Bruder Ralf Schumacher, Heinz-Harald Frentzen, Nico Rosberg, Nick Heidfeld, Nico Hülkenberg und andere wurden feste Größen der Szene. Natürlich auch Sebastian Vettel, Schumachers erfolgreichster Erbe.
Sorgt aber nun ausgerechnet ebenjener Vettel für das Ende einer Ära?
Beendet Sebastian Vettel seine Karriere?
Vettel, der nunmehr einzige deutsche Pilot in der Königsklasse des Motorsports, fährt seine letzte Saison im Ferrari. Die Scuderia setzt ab 2021 nicht mehr auf den viermaligen Weltmeister, seine Nachfolge wird der Spanier Carlos Sainz antreten.
Die Zukunft Vettels ist nach dem Ferrari-Aus unklar. Auch ein Karriereende ist nicht ausgeschlossen, wenn er kein Team findet, mit dem er in naher Zukunft an der Spitze mitfahren kann.
Der Heppenheimer hat seit seinem kometenhaften Aufstieg in der Formel 1 vor zwölf Jahren für sich immer in Anspruch genommen, die Nummer 1 sein zu wollen - im Team und auch im gesamten Wettbewerb. Es wird aber kaum möglich sein, diesen hohen Ansprüchen noch gerecht zu werden.
Zwölfmal wurde ein Deutscher Weltmeister
Noch vor zehn Jahren waren mit Vettel (Red Bull), Michael Schumacher (Mercedes), Rosberg (Mercedes), Heidfeld (Sauber), Hülkenberg (Williams), Timo Glock (Virgin) und Adrian Sutil (Force India) gleich sieben deutsche Formel-1-Fahrer an den Start gegangen.
Drei von ihnen wurden Weltmeister: Schumacher heimste insgesamt sieben WM-Titel ein, Vettel vier und Rosberg einen. Die Konstrukteursweltmeisterschaft ging sechsmal nach Deutschland. Von 2014 bis 2019 sicherte sich jedes Jahr Mercedes die Krone.
Überhaupt wäre eine F1-Saison ohne deutsche Beteiligung eine historische Ausnahmeerscheinung: Nur die Jahre 1956 und 1981 liefen komplett ohne Beteiligung eines deutschen Fahrers ab, nur 218 der 1018 bisherigen WM-Rennen. Die bislang letzte, 25 Rennen währende Durststrecke gab es zwischen Bernd Schneiders letztem Einsatz für Footwork beim Großen Preis der USA 1990 und Michael Schumachers historischem Debüt im Jahr darauf.
Bei den vergangenen 520 Rennen ging immer mindestens ein Pilot aus der Bundesrepublik an den Start. 176-mal sicherte sich am Ende ein deutscher Pilot den Sieg, 393 deutsche Podiumsplätze stehen zu Buche.
Formel 1 bald ohne deutschen Fahrer?
Der Formel-1-Boom, den es in Deutschland vor allem zu Schumachers Zeiten gab, ist schon länger nicht mehr so ausgeprägt wie damals, diverse Abgesänge gab es auf die "Formel Deutsch" mit Blick auf dieses Jahr, in dem es durch das Hockenheimring-Aus kein Heimrennen für Vettel mehr gab.
Kommt es 2021 noch dicker? Nicht unbedingt.
Drei deutsche Kandidaten für Formel 1
Auch wenn Vettel tatsächlich zurücktritt, wären damit nicht alle Hoffnungen auf einen deutschen F1-Fahrer begraben. Nico Hülkenberg hatte für die Saison 2020 keinen neuen Rennstall gefunden, möchte aber 2021 zurück in die Königsklasse.
Auch ein Comeback von Pascal Wehrlein - aktuell in der Formel E aktiv - ist im Gespräch: Im November vergangenen Jahres kamen Gerüchte über eine Rennstall-Neugründung durch den italienischen Geschäftsmann Salvatore Gandolfo mit Wehrlein als Fahrer auf. Wie realistisch die Planspiele sind? Unklar.
Die größten deutschen Hoffnungen ruhen auf Mick Schumacher. Michaels Sohn hat beste Chancen, 2021 in die Formel 1 aufzusteigen. Sollte die gesamte Formel-2-Saison stattfinden und der 21-Jährige seine Leistungen noch steigern können, ist er als Ferrari-Junior ein heißer Kandidat für ein Cockpit bei Alfa Romeo oder Haas.
Und allein Schumachers familiäre Hintergrund würde Erinnerungen an die besten Zeiten der "Formel Deutsch" wachrufen.