Es war ein besonderer Moment für Sebastian Vettel, als er das Podium an der Strecke in Singapur betrat.
Leclerc-Ärger trübt Vettels Triumph
Schließlich hatte er das Gefühl schon lange nicht mehr genießen können, nach einem Formel-1-Rennen ganz oben zu stehen - 392 Tage, um genau zu sein.
Betrachtete man ihn bei der Siegerehrung genau, war auch der eine oder andere Moment der Rührung in seinem Gesicht zu erkennen. Als die deutsche Nationalhymne für den Sieger erklang, sang er sogar mit. Leise zwar, aber durchaus mit einer gewissen Genugtuung und Zufriedenheit.
Vettel will Nummer eins nicht aufgeben
Die war ihm später auch bei den Interviewrunden anzumerken. "Ich war ja schon ein paar Mal oben, als die deutsche Hymne gespielt wurde, aber die italienische kam danach nicht", spielte er mit einem breiten Grinsen auf seine jüngere Durststrecke bei den Roten an.
Sein insgesamt 14. Sieg als Ferrari-Pilot dürfte ihm trotzdem mehr bedeuten als manch anderer davor.
Jetzt aktuelle Fanartikel zur Formel 1 kaufen - hier geht's zum Shop | ANZEIGE
Denn damit bewies er nicht nur seinen Kritikern, dass er doch noch gewinnen kann. Noch mehr war es ein Zeichen an seinen jungen Teamkollegen Charles Leclerc, dass er ihm den Status als Nummer 1 bei Ferrari nicht kampflos überlassen will. Der Machtkampf in Maranello ist damit neu entbrannt.
Vettel fuhr überragende Runde
"Ich habe nicht an mir gezweifelt. Das ist ja nicht das erste Mal, dass ich da durch muss und es wird wahrscheinlich auch nicht das letzte Mal sein. Den Anspruch habe ich auch immer, ganz vorne zu sein und die beste Leistung abzuliefern", sagte der Heppenheimer.
Dass sein Team ihn schon in der 20. Runde und damit eine Runde vor seinem Teamkollegen an die Box zum Reifenwechsel geholt hat, war sicherlich mit entscheidend für den Sieg. (Fahrerwertung der Formel 1)
Aber zur Wahrheit gehört auch, dass Vettel mit den neuen Pneus eine Fabelrunde absolviert hat, die er sich wohl selbst nicht zugetraut hatte.
"Ich habe in der Runde nach dem Stopp einfach alles gegeben und bekam dann mit, dass die zwei Autos vor mir abbogen. Ich war aber sehr überrascht, eine Runde später vor ihnen zu sein", analysierte Vettel die entscheidende Szene, die auch seinen Teamchef überraschte.
Ferrari von Undercut überrascht
"Der Undercut war deutlich effektiver als erwartet. Wir reden von 3,9 Sekunden (, die Vettel in dieser Runde herausgeholt hat, Anm. d. Red.). Mit so viel hatten wir nicht gerechnet", sagte Mattia Binotto.
Am wenigsten damit gerechnet hat Leclerc. Das machte der junge Monegasse nicht nur auf der Strecke deutlich, wo er nach seinem Boxenstopp hinter Vettel wieder herauskam und über Funk schimpfte: "Was zur Hölle?!" Ich verstehe diese Strategie überhaupt nicht."
Offenbar hätte er mit dieser Schimpftirade fast noch Erfolg gehabt. Denn wie Binotto bei einer Medienrunde einräumte, habe man kurzzeitig in Erwägung gezogen, einen Platztausch anzuordnen und Leclerc wieder an Vettel vorbeifahren zu lassen.
Leclerc fühlte sich betrogen
Leclerc war jedenfalls auch nach dem Grand Prix noch anzumerken, dass er sich um den Sieg betrogen fühlte. Bei der Siegerehrung stand er sichtlich angefressen neben Vettel. (Teamwertung der Formel 1)
Als der Champagner gereicht wurde, verzichtete er auf die feuchtfröhliche Party und stand schmollend in seiner Ecke. Nach den Erfolgen in Belgien und beim Ferrari-Heimspiel in Monza bedeutet Platz zwei in Singapur den ersten Rückschlag für den 21-Jährigen.
Für Vettel hingegen fühlte sich der Sieg sicherlich auch deshalb "süß an", weil er damit teamintern Revanche nehmen konnte für seine Benachteiligung im Qualifying von Monza.
Machtkampf neu entflammt
"Ja natürlich war ich nicht zufrieden in Monza. Und vielleicht war er nicht ganz zufrieden heute", erinnerte der viermalige Weltmeister an die Quali-Farce von Italien, als Leclerc entgegen der Absprache nicht bereit war, Vettel auf der letzten Runde Windschatten zu spenden - und am Ende die Pole-Position holte.
So sehr sich die Scuderia über den unverhofften Doppelsieg in Singapur freuen dürfte, so schwer wird es nach Vettels Sieg sein, den wieder aufgeflammten Machtkampf zu moderieren.