Liebe Formel-1-Fans,
Hülkenberg fordert Machtwort
© SPORT1-Grafik: Imago
meine Saisonbilanz fällt recht positiv aus. Es war ein Jahr mit Höhen und Tiefen. Unsere Performance war zu Beginn noch etwas schwach. Zur Mitte der Saison haben wir jedoch stark zugelegt, ein paar Updates haben richtig gut gefruchtet.
Von da an waren wir immer in der Lage, aus eigener Kraft in die Punkte zu fahren. Auch das letzte Wochenende war mit Platz sechs insgesamt sehr schön für uns. Wir gehen mit einem guten Gefühl in die Winterpause.
Der letzte Grand Prix in dieser Saison hat nach meinem Empfinden aber auch verdeutlicht, dass die Formel 1 ein bisschen mehr Spektakel gebrauchen könnte. Dafür müssten mit Sicherheit die Autos angepasst werden. Die Aerodynamik ist momentan zu wichtig. Wenn man vor dem Flügel keine saubere Luft hat, hat man beim Überholen zu viele Probleme. Das muss auf längere Sicht zuerst geändert werden. Es müssten Autos für besseres Racing produziert werden.
Außerdem sollten die Teams enger zusammenrücken. Die Schere ist zurzeit extrem groß. Die großen Teams wollen natürlich ihren Vorteil behalten. Aber selbst wir als viertschnellstes Team sind meilenweit von der Spitze entfernt. Sicherlich ein schwieriges und vieldiskutiertes Thema, an dem gearbeitet werden muss – z.B. durch mehr Chancengleichheit und Budgetanpassungen.
Ich hoffe, dass die Eigentümer von Liberty Media ein Machtwort sprechen. Denn ich denke, einvernehmlich werden nicht alle unter einen Hut zu kriegen sein.
Den Vorschlag, die Layouts der Stecken zu ändern, halte ich für unrealistisch. Ich glaube nicht, dass alle Betreiber das Budget haben, ihre Strecken umzubauen, nur damit wir ein bisschen besser überholen können.
Was die Hierarchie an der Spitze der Formel 1 angeht, war Ferrari in diesem Jahr so nah an Mercedes dran wie schon lange nicht mehr. Ich gehe davon aus, dass das im nächsten Jahr auch wieder eine enge Kiste werden wird. Dahinter sehe ich Red Bull, McLaren und uns.
Wir haben eine sehr gute Fahrerpaarung. Ich arbeite gut mit Carlos Sainz zusammen, wir harmonieren. Unser Ziel muss es sein, den Rückstand auf die Spitze um die Hälfte zu reduzieren und uns als Vierter in der Teamwertung zu etablieren. Das wird nicht einfach - vor allem weil McLaren im nächsten Jahr mit unseren Motoren fährt. Somit holen wir uns sozusagen noch einen Konkurrenten ins Haus.
Sollte Robert Kubica nach sieben Jahren ein Comeback feiern, wäre das natürlich eine gigantische Story. Er ist ein charismatischer Typ, er war ein top Rennfahrer - und Talent ist Talent! Beim Testen kann man natürlich nur sehen, ob die Pace da ist. Aber die Rennaction in der ersten Runde, in Monaco oder Singapur, die kann man nicht simulieren.
Ich wünsche ihm natürlich, dass er die Performance auf dem Level auch im Rennen abrufen kann. Aber das wird man erst sehen, wenn er nächstes Jahr im Auto sitzt. Ich schätze die Chancen für sein Comeback auf 50:50 ein.
Ich werde mir ab Mitte Dezember ein paar ruhige Tage gönnen, speziell um Weihnachten herum. Allerdings werde ich weiterhin kontinuierlich trainieren. Im Januar steht das erste Trainingslager an. Für mich ist es sehr wichtig im Winter genauso fit zu sein wie innerhalb der Saison.
Euer Nico Hülkenberg
Nico Hülkenberg fährt seit der Saison 2017 für das französische Werksteam Renault. In seiner SPORT1-Kolumne berichtet er nach jedem Rennen von der Königsklasse.