Champagner, Emotionen, Jubel-Gesänge.
Der Beginn einer neuen Ära?
Als Lewis Hamilton und Nico Rosberg in Sotschi über die Ziellinie fuhren, brachen im Mercedes-Lager alle Dämme (Rennbericht). Erstmals in der Geschichte der Formel 1 sicherte sich ein deutsches Werksteam den Konstrukteurs-Titel.
Doch auf eine lange Partynacht hofften Fans und Fotografen vergeblich. Noch mit Champagner-Glas in der Hand, richtete Toto Wolff den Blick schon wieder in die Zukunft.
"Wir springen ins Flugzeug, fliegen zurück nach England, gehen dort wieder an die Arbeit und blicken vielleicht auch mit mehr als einem Auge aufs nächste Jahr. So schnell bewegt sich dieses Umfeld", sagte der Motorsportchef.
Wolff warnt
Dem 42-Jährigen, der das Amt 2013 von Norbert Haug übernahm, ist bewusst, dass sich sein Team auf den derzeitigen Erfolgen nicht ausruhen darf. (Einwurf: Der schmale Grat des Erfolgs).
"Jemand sagte, dass die Homeruns von gestern nicht das Spiel von morgen entscheiden", sagte der Motorsportchef und fügte hinzu:
"Wir haben gerade einen Titel gewonnen und sehen einige Tsunamis, die uns jetzt von allen Seiten entgegenschlagen, um die Ordnung wiederherzustellen".
McLaren-Honda als neue Supermacht?
Einer dieser angesprochenen Tsunamis ist Honda. 2015 wird der japanische Automobilkonzern als exklusiver Motorenpartner von McLaren in die Formel 1 zurückkehren.
Auch wenn es vom neuen Motor beinahe täglich wechselnde Meldungen über den derzeitigen Leistungsstand gibt, wäre es nicht überraschend, wenn er gleich zu Beginn absolut konkurrenzfähig wäre.
Honda profitiert von Mercedes
Vor allem, da McLaren in diesem Jahr noch Kunde von Mercedes ist und gewisse Daten für die Entwicklung nach Japan übermitteln könnte.
"Ich bin überzeugt, dass McLaren lernt und sich im Rahmen dessen, was möglich ist, mit Honda austauscht", sagte Wolff.
Alonso auf der Liste
Dazu hat man im Vorfeld namhaftes Personal der Konkurrenz abgeworben. Unter anderem arbeitet der ehemalige Red-Bull-Aerodynamikchef Peter Prodromou bereits seit September am neuen McLaren.
Dazu befindet sich der britische Rennstall nach Angaben von Teamchef Ron Dennis in Gesprächen mit Fernando Alonso, der Woche für Woche beweist, dass er wohl nur das entsprechende Auto braucht, um wieder um den Titel mitfahren zu können. Selbst über eine Fahrerpaarung Alonso/Sebastian Vettel wird spekuliert.
Ferrari nimmt viel Geld in die Hand
Doch nach wie vor gilt es als offenes Geheimnis, dass sich der viermalige Weltmeister in der kommenden Saison Ferrari anschließen wird - und damit auf kurz oder lang zur nächsten Bedrohung für die Silberpfeile wird.
"Wenn er kommt, hoffe ich auf gute Ergebnisse für uns. Ich habe noch nie mit ihm gearbeitet. Aber er ist viermaliger Weltmeister, er hat viele Stärken", lobte sein möglicher zukünftiger Teamkollege Kimi Räikkönen.
Die Scuderia würde ihm auf jeden Fall alle finanziell erdenklichen Mittel zur Verfügung stellen. Mit einer angekündigten "gewaltigen Investition" blasen die Italiener zur Mercedes-Jagd.
Neue Motorenregelung
Vor allen in Sachen Antriebsstrang haben die Italiener Nachholbedarf. Deshalb liegt in Maranello das Hauptaugenmerk bereits auf der Motorentwicklung für die nächste Saison. Bis zum 28. Februar 2015 dürfen die Antriebseinheiten modifiziert werden.
Eine komplette Neukonstruktion untersagt allerdings das Reglement. 39 der 42 festgelegten Komponenten des Motors dürfen 2015 verändert werden. In den kommenden Jahren wird diese Zahl Schritt für Schritt weiter herabgesetzt.
Änderungen reglementiert
Dazu bekommt jedes Bauteil nach Bedeutung eine Punktzahl zwischen 1 und 3. Alle 42 Bausteine zusammen ergeben mit ihrer zugeordneten Wertigkeit 66 Punkte.
32 dieser Punkte dürfen bis 2015 eingesetzt werden. Das bedeutet im Klartext, dass nur 48 Prozent des gesamten Antriebsstrangs verändert werden dürfen.
Ein Fakt, der eindeutig für Wolff und Co. spricht, deren Vorsprung in Sachen Motorenentwicklung nach wie vor groß ist.
Weniger Tests
Dazu werden im Zuge der Kostenreduzierung die Zahl der Testfahrten sowie die Stunden im Windkanal weiter gekürzt. Vor der Saison 2015 wird es lediglich drei viertägige Testfahrten in Europa geben, Tests außerhalb Europas sind nicht mehr erlaubt.
Zudem werden die Windkanal-Läufe von 80 auf 65 Stunden pro Woche herabgesetzt, jedes Team darf pro Saison nur einen Windkanal benennen.
Vorsprung schmilzt
Dennoch wird Mercedes im nächsten Jahr nicht in demselben Maße vorneweg fahren wie zuletzt, ein Vorsprung von teilweise mehr als einer Sekunde pro Runde kann sich auch die Mercedes-Crew nicht vorstellen.
Die Konkurrenz hat Erfahrungswerte gesammelt und wird mit Geld, neuem Personal und neuen Motorenpartnern alles daran setzen, die Lücke zu schließen.
Wolff: "Alle Zutaten"
Doch da auch Mercedes nicht untätig bleiben wird, und Wolff dafür sorgt, dass die Weiterentwicklung konsequent vorangetrieben wird, bleiben die Silberpfeile auch im kommenden Jahr erste Anwärter auf den Titel.
Auch Wolff träumt trotz aller Bedenken insgeheim schon von einer neuen Ära.
"Dieses Geschäft hat rasantes Tempo aufgenommen. Aber wir haben alle Zutaten: ein tolles Team, zwei großartige Fahrer und die Ressourcen. Manche Dinge enden, aber davon sind wir hoffentlich weit entfernt."