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Coronavirus: Virologin Prof. Melanie Brinkmann macht leichte Hoffnung

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Coronavirus: Virologin Prof. Melanie Brinkmann macht leichte Hoffnung

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Corona: Virologin macht Hoffnung

Melanie Brinkmann ist Virologin. Im SPORT1-Interview spricht sie über eine mögliche EM-Absage, den Sinn von Geisterspielen und den Kampf gegen Corona.
Das Coronavirus hat auch die Sportwelt - wie hier beim Cheltenham Festival der Reiter - fest im Griff
Das Coronavirus hat auch die Sportwelt - wie hier beim Cheltenham Festival der Reiter - fest im Griff
© Getty Images
Reinhard Franke
Reinhard Franke

Das Coronavirus hat den Fußball in Deutschland und Europa zum Stillstand gebracht. Als letzte große Liga hatte am Freitag auch die Bundesliga kapituliert und den 26. Spieltag abgesagt. Frühestens am 2. April soll wieder gespielt werden, auch in England, Spanien, Italien und Frankreich ruht der Ball. 

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Prof. Melanie Brinkmann promovierte am Institut für Virologie an der Medizinischen Hochschule Hannover, forschte dann in den USA am Immunsystem. 2010 kam sie als Nachwuchsgruppenleiterin an das Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Seit 2018 ist die 46 Jahre alte Professorin an der Technischen Universität Braunschweig und forscht ebenfalls am HZI.

Prof. Melanie Brinkmann hält eine EM-Absage für folgerichtig
Prof. Melanie Brinkmann hält eine EM-Absage für folgerichtig

Im SPORT1-Interview spricht Brinkmann über die bedrückende Lage in Deutschland, eine mögliche EM-Absage und Maßgaben für die Profiklubs.

SPORT1: Frau Brinkmann, wie gefährlich ist die Corona-Infektion momentan für uns alle und insbesondere für die Sportwelt? 

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Prof. Melanie Brinkmann: Es ist momentan ganz wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, die die Ausbreitung dieses Virus verlangsamen. Die Infektionszahlen sind in den vergangenen Tagen stark angestiegen und die Neuinfektionen sollen durch die Maßnahmen jetzt gesenkt werden. Die Ausbreitung muss verlangsamt werden, damit die Kapazitäten in den Krankenhäusern nicht erschöpft werden. Man kann nun darüber diskutieren, wie streng diese Maßnahmen sein müssen. Man sieht bereits jetzt in China, dass es gelungen ist, die Zahl der Neuinfizierten mit sehr strengen Maßnahmen zu reduzieren. 

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SPORT1: Muss die Situation täglich neu betrachtet werden? 

Brinkmann: Ja. Wir haben in Deutschland momentan deutlich ansteigende Zahlen und sehen gerade, wie es in Italien abläuft. Aber wir haben schon sehr viel früher getestet, haben einen kleinen Vorsprung. Das heißt jetzt aber nicht, dass wir besser sind als die Italiener, wir sind nur der Zeit etwas voraus und können jetzt ganz gezielte Maßnahmen ergreifen.

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SPORT1: Freitag, der 13. geht in die Geschichte des deutschen Fußballs ein, weil der Spielbetrieb in der 1. und 2. Liga abgesagt wurde. Auch in der 3. Liga wurden die nächsten beiden Spieltage ausgesetzt. 

Brinkmann: Ich fand es zuletzt gut, dass Spiele ohne Zuschauer stattfanden. Im Stadion auf den Tribünen ist es so eng und man kommt mit vielen Menschen in Kontakt, sodass es dort unweigerlich zu Übertragungen kommen würde. Auch wenn Menschen argumentieren, dass man dort an der frischen Luft sei, wird es in den Stadien zu Übertragungen kommen. Ich begrüße diese Entscheidungen. 

SPORT1: Auch, dass nun der komplette Spielbetrieb bis zum 2. April aussetzt? 

Brinkmann: Grundsätzlich, aus Gründen der Infektionsausbreitung, halte ich es nicht für erforderlich, dass der Fußballbetrieb komplett eingestellt wird - aber die Fans müssen zu Hause bleiben, und dürfen nicht eng gedrängt vor dem Stadion stehen oder eng gedrängt in öffentlichen Verkehrsmitteln. Wenn die Fans nicht zu Hause bleiben, so muss man tatsächlich Spiele komplett absagen. 

SPORT1: Jetzt gab es vergangene Woche die ersten Geisterspiele, aber die Fans haben sich in Paris während des Spiels von Paris Saint-Germain gegen Borussia Dortmund vor dem Stadion versammelt und gefeiert ...

Brinkmann: Das ist natürlich nicht sinnvoll und wirklich nicht gut. Die Experten von den Vereinen haben ja schon darum gebeten, nicht zu den Spielen zu kommen, sondern dass die Fans zu Hause bleiben und sich vielleicht in kleineren Kreisen treffen, das wäre noch in Ordnung. In dicht gedrängten Massen zu stehen, ist kontraproduktiv.

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"Das Virus wird immer wieder auftauchen"

SPORT1: Glauben Sie, dass die Aussetzung der Spiele bis zum 2. April ausreicht?

Brinkmann: Ich halte die komplette Aussetzung grundsätzlich für nicht notwendig. Das Coronavirus wird durch diese Aussetzung nicht weg sein. Das Virus ist da und wird immer wieder auftauchen - auch über den 2. April hinaus.

SPORT1: War es richtig, alle Wettbewerbe abzusagen - und sollte man auch die EM im Juni absagen?

Brinkmann: Es ist ganz schwer, den richtigen Weg zu finden. Ich gehe aber fest davon aus, dass die EM abgesagt wird. Es muss jetzt ganz genau hingeschaut werden, welche Maßnahmen einen großen Effekt bringen. Das muss man analysieren und kann das nicht von heute auf morgen schnell entscheiden. Ich finde es sehr wichtig, dass sich die Entscheidungsträger auch richtig beraten lassen von Experten, z. B. Epidemiologen.

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SPORT1: Zuletzt wurden beim FC Bayern nur wenige Journalisten zur Pressekonferenz zugelassen, andernorts Pressekonferenzen ganz abgesagt. Kann dies Teil eines Maßnahme-Plans sein?

Brinkmann: Das ist gerade richtig. In der Talkshow von Maybrit Illner am Donnerstag saßen auch keine Zuschauer mehr, und das war konsequent und richtig. Man muss sich jetzt wirklich überlegen, was wirklich notwendig ist und was nicht. Wir haben hier eine Ausnahmesituation. Fußball kann man eben im Fernsehen verfolgen, auch wenn das für Fans natürlich nicht das Gleiche ist. Ich halte diese Einschränkungen aber für absolut vertretbar.

SPORT1: Der Paderborner Spieler Luca Kilian hat sich als erster Bundesliga-Profi infiziert. Wie schwierig ist das nun für die betroffenen Vereine?

Brinkmann: Für die Klubs ist es ganz wichtig, klare Botschaften zu senden. Wer krank ist, kann nicht zum Training kommen. Sei es nur das Kratzen im Hals. Es ist wichtig, dass man hier klare Ansagen macht. Man muss sich auch überlegen, wie nah sich die Spieler beim Training kommen. Es findet draußen statt und sie stehen nicht dicht gedrängt beieinander. Wenn sie natürlich spielen, kommt es auch da zu Kontakten und möglichen Übertragungen. Es müssen deshalb intelligente Lösungen her, um das Training auf die neue Situation anzupassen.

SPORT1: Sind die Maßnahmen zu spät ergriffen worden? Thiago vom FC Bayern twitterte am Freitag noch: "Hört auf rumzualbern und kommt in der Realität an!"

Brinkmann: Es ist nicht zielführend, jetzt zu sagen: Hätte man nicht dies oder das früher machen sollen? Im Moment ist es einfach nur wichtig, dass jeder seine Kräfte bündelt und nach vorne schaut. Ja, man hätte vielleicht schon früher sagen können, man lässt Spiele vor leeren Stadien stattfinden. Aber man kann auch argumentieren, dass zu früh auch nicht richtig gewesen wäre. Man muss den richtigen Zeitpunkt finden. Wir haben jetzt einen Anstieg der Fallzahlen, und würden Gefahr laufen, in wenigen Wochen unser Gesundheitssystem zu überfordern, wenn nicht jetzt die Ausbreitung gebremst wird. Jetzt haben wir noch die Zeit, mit Ruhe zu überlegen, was die effektivsten Maßnahmen sind, zu welchem Zeitpunkt und wo wir sie anwenden wollen.

"Angst ist kein guter Ratgeber"

SPORT1: Muss man Angst haben?

Brinkmann: Nein, muss man nicht. Angst ist kein guter Ratgeber. Man muss einfach einen klaren Verstand behalten. Und sich bewusst sein: Gehöre ich zur Risikogruppe oder nicht? Und wenn ich nicht zur Risikogruppe gehöre, kann ich mich selbst fragen, ob ich in meinem Umfeld jemandem helfen kann, wenn sich die Fallzahlen erhöhen, diese Menschen sich dem Risiko einer Infektion aussetzen würden, und sich nicht mehr selbst helfen können. Mit diesen Themen kann ich mich auseinandersetzen. Das ist jetzt ein wichtiger Zeitpunkt, in dem man an die Solidarität appelliert.

SPORT1: Vor allem auch als Hilfe für ältere Menschen, oder?

Brinkmann: Absolut. Wenn man jetzt an die älteren Menschen oder an diejenigen denkt, die Grunderkrankungen haben, dann machen sich diese Menschen jetzt natürlich große Sorgen. Und das kann ich gut verstehen. Es ist für ältere Personen jetzt wichtig, dass sie verstehen, dass sie ihr eigenes Verhalten ändern müssen, um ihre eigene Infektionsgefahr zu reduzieren. Es ist nur zu ihrem eigenen Schutz. 

SPORT1: Was sollte den Menschen Hoffnung machen?

Brinkmann: Ich gehe jetzt mal von mir aus. Mir macht Hoffnung, dass die Forschung mit Hochdruck daran arbeitet, Lösungen zu finden, Gegenmaßnahmen zu entwickeln, und das Virus und seine Ausbreitung zunehmend besser versteht. Das dauert, das ist leider so, das geht nicht von heute auf morgen. Diese Gegenmaßnahmen werden irgendwann zur Verfügung stehen. Aber ein Medikament oder Impfstoff werden nicht kurzfristig zur Verfügung stehen - deshalb muss man die Menschen zu diesem Zeitpunkt bitten, an den Maßnahmen aktiv mitzuwirken, auch wenn dies mit Einschränkungen für jeden Einzelnen verbunden ist.

SPORT1: Wie lange wird es dauern, bis das Virus in Deutschland bekämpft ist?

Brinkmann: Das ist eine schwierige Frage. Das Virus ist bekämpft, wenn viele Menschen eine Immunität aufgebaut haben. Also wenn sie die Infektion durchgemacht haben oder eine Impfung hatten und damit gegen das Virus immun sind. Aber ich fürchte, dass dieses Virus uns, also Deutschland und die ganze Welt, noch sehr lange beschäftigen wird.