Wie sich die Zeiten ändern.
Thiago hebt Reds auf neues Niveau
Vor sieben Jahren noch machte Pep Guardiola den damaligen Bayern-Bossen mächtig Druck und forderte eine Verpflichtung von Thiago, den er selbst beim FC Barcelona ausgebildet hatte und auf den er große Stücke hielt.
"Thiago oder nix": Diese Worte des damals gerade erst verpflichteten Trainers verfehlten ihre Wirkung nicht. Die Bayern holten den Spanier - und hatten fortan viel Freude an ihm.
Nun war Thiago wieder auf dem Markt. Doch Guardiola - mittlerweile Trainer von Manchester City - winkte überraschend schnell ab. "Auf seiner Position haben wir genug gute Spieler", sagte der Katalane, gratulierte der Premier League aber dennoch zu dieser Verpflichtung. (Ergebnisse und Spielplan der Premier League).
"England wird so einen guten Spieler genießen", behauptete der 49-Jährige - und wurde prompt bestätigt.
Thiago löst Jubelstürme aus
Nach seinem Wechsel von den Bayern zum FC Liverpool brauchte Thiago gerade einmal zwei Trainingseinheiten und eine Halbzeit beim 2:0-Sieg gegen den FC Chelsea, um in seiner neuen Heimat wahre Jubelstürme auszulösen.
"Mittelfeld-Maestro Thiago macht Klopps gnadenloses Liverpool noch stärker", titelte die Daily Mail. The Telegraph nannte Thiagos Debüt trotz seines an Timo Werner verschuldeten Elfmeters "einen Segen".
Klopp: "Perfektes Timing"
Klopp selbst sprach von einem "perfekten Timing". Er habe nie daran gedacht, den 29-Jährigen von Beginn an zu bringen. "Aber mit 11 gegen 10 hat es perfekt gepasst", sagte der Meistertrainer mit Blick auf den Platzverweis gegen Chelseas Andreas Christensen kurz vor der Pause.
Thiago kam also zur zweiten Halbzeit beim Stand von 0:0 und übernahm sofort das Kommando im Mittelfeld der Reds. Sein Trainer wollte die Gelegenheit nutzen und die numerisch dezimierten Gastgeber an der Stamford Bridge so müde laufen lassen, dass die gar nicht mehr zu ihren gefürchteten Schnellangriffen kommen konnten.
Der Spanier war dafür genau der richtige Spieler. Mit seiner Ruhe am Ball, seiner Übersicht und seinen Passfähigkeiten setzte er die Überzahl seines Teams auch in ein optisches Übergewicht um.
Und nicht nur das: Mit 75 angekommenen Pässen stellte er gleich bei seinem ersten Einsatz einen Premier-League-Rekord auf. Noch nie zuvor hatte ein Spieler in dieser Liga in nur 45 Minuten so viele Pässe an die Mitspieler gebracht.
Thiago beeinflusst Liverpool-Spiel
Doch auch andere Statistiken spiegeln Thiagos unmittelbaren Einfluss auf sein neues Team wider. Mit 681 angekommenen Pässen verzeichnete Liverpool nicht nur über 250 mehr als Gegner Chelsea, sondern brachte fast doppelt so viele Bälle an den Teamkollegen wie noch beim 4:3-Sieg zum Saisonauftakt gegen Leeds United (347).
Auch die Passquote stieg innerhalb von einer Woche von 76 auf 89 Prozent an. "Wir wollten natürlich Ballbesitz, und da hat das schon ganz gut ausgesehen", sagte Klopp und untertrieb dabei ein wenig.
Denn auch er selbst dürfte schon nach dem ersten Auftritt des Neuzugangs aus München die zusätzlichen taktischen Möglichkeiten erkennen, die dieser seiner Mannschaft verleiht.
Basierte der Erfolg bislang größtenteils auf einem atemberaubenden Pressing, einem schnellen Umschaltspiel und langen Bällen auf das Sturmtrio Mo Salah, Sadio Mané und Roberto Firmino, bringt Thiago mit seiner Ball- und Passsicherheit ein völlig neues Element ins Liverpool Spiel: den Ballbesitz-Fußball.
Der mag zwar noch nicht überall in der DNA des Powerfußballs à la Klopp angedockt haben, könnte aber gerade in dieser endlos erscheinenden Mammut-Saison der Schlüssel zum Erfolg sein.
Durch die lange Corona-Pause ist der nationale und internationale Spielkalender mit Meisterschaft, zwei Pokal-Wettbewerben, Champions League und Länderspielen bis Juni dermaßen vollgestopft, dass selbst den roten Dauerpower-Läufern irgendwann die Puste ausgehen wird.
Da passt es hervorragend, wenn jemand wie Thiago auch einfach mal den Ball halten und damit für Verschnaufpausen sorgen kann - innerhalb eines Spiels und auch für andere Teamkollegen.
Rückt Thiago für Henderson in Startelf?
Wie das aussehen könnte? Auch das hat die Partie bei Chelsea angedeutet. Thiago bekam ja auch seine Chance, weil mit Mittelfeldakteur Jordan Henderson ein Spieler auf seiner Position über Schmerzen im Oberschenkel geklagt hatte und ausgewechselt werden musste.
In London war Thiago noch der Einwechselspieler. Doch in England wird bereits damit gerechnet, dass der Spanier sehr bald in der Anfangsformation steht und damit noch mehr Abwechslung ins Offensivspiel des Meisters bringt.
Auch Guardiola wird sich seinen ehemaligen Spieler genau angeschaut haben. Ob es die richtige Entscheidung war, nicht um Thiago zu kämpfen, dürfte er spätestens am 7. November wissen.
Dann empfängt er mit Manchester City den FC Liverpool.