"Es gibt ein Rassismus-Problem in der Premier League."
Das Rassismus-Problem in England
Der 85-malige englische Nationalspieler Gary Neville sprach am Sonntag bei Sky Sports das aus, was der Spieltag in der höchsten englischen Spielklasse gezeigt hatte.
"Das ist kein kleines Problem, das ist ein Problem auf der höchsten Ebene", machte Neville klar.
Passend dazu scheint ganz England am Montag aufgewühlt zu sein. Wohl auch, weil Neville der Politik eine Mitschuld an dem Eklat gab.
"Wir hatten gerade Wahlen in diesem Land. Dabei wurde beiden großen Parteien und den Chefs dieser beiden Parteien immer wieder vorgeworfen, dass sie Rassismus schüren und Rassismus in ihren Parteien akzeptieren", sagte Neville in seiner Funktion als TV-Experte bei Sky Sports: "Wenn es also in den höchsten Ämtern dieses Landes akzeptiert ist, sprechen wir nicht von einem Problem auf einer unteren Ebene."
Für seine Worte wurde der Ex-Star von Manchester United von englischen Sport-Größen wie Gary Lineker ausdrücklich gelobt.
Rüdiger wird Opfer von Rassismus
Dass der neuerliche Vorfall, in dem mit Antonio Rüdiger ein deutscher Nationalspieler im Mittelpunkt stand, im ganzen Land hohe Wellen schlägt, zeigen auch die Reaktionen der Medien.
Der Daily Star machte am Montag im Sportteil mit nur einem Wort auf. "Schande", titelte die britische Boulevardzeitung und schrieb weiter: "Der Rassismus hat wieder einmal sein hässliches Gesicht gezeigt."
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Wieder. Das ist das größte Problem. Den jüngsten Grund für die heftigen Reaktionen hatte das London-Derby zwischen Tottenham Hotspur und dem FC Chelsea (0:2) geliefert. Blues-Star Antonio Rüdiger wurde von den heimischen Fans wiederholt rassistisch beleidigt.
Dies geschah, nachdem Spurs-Star Heung-Min Son in der 62. Minute dem deutschen Nationalspieler mit dem linken Fuß leicht gegen die Rippen getreten hatte, woraufhin Rüdiger, etwas übertrieben, zusammensackte.
Son sah in der Folge die Rote Karte und Rüdiger wurde zum Hassobjekt der Spurs-Anhänger, die ihn unter anderem mit Affenlauten bedachten.
Rüdiger hatte sich bei Chelsea-Kapitän Cesar Azpilicueta beschwert, der Schiedsrichter Anthony Taylor über die Beleidigungen in Kenntnis setzte. Dieser unterbrach die Partie daraufhin kurzzeitig. Der Stadionsprecher sprach zudem drei Warnungen an die Zuschauer aus, dass sie das rassistische Verhalten unterlassen sollen.
Laut dem dreistufigen Protokoll der UEFA darf ein Schiedsrichter das Spiel abbrechen, wenn die Warnungen im Stadion nicht zum Ende der rassistischen Beleidigungen führen. "Vielleicht müssen wir den Spielern die Macht geben, bei solchen Vorfällen den Platz zu verlassen", brachte Neville eine deutlich weitreichendere Maßnahme ins Spiel.
PFA ist "angewidert und bestürzt"
Die englische Gewerkschaft für Profi-Fußballer PFA will nun Konsequenzen sehen. Sie forderte eine Rassismus-Untersuchung im Fußball durch die Regierung. "Wir sind angewidert und bestürzt darüber, dass Akteure in einem Spiel in der Premier League erneut durch Missbrauch von der Tribüne in Mitleidenschaft gezogen wurden", erklärte die PFA die Forderung.
Richard Masters, CEO der Premier League, hatte schon vor Beginn der Saison offen über die Problematik in der – von den Zuschauerzahlen gesehen – beliebtesten Liga der Welt gesprochen.
"Wir hatten tatsächlich einige Vorfälle. Und schon ein Vorfall ist einer zu viel", hatte Masters sich im August bei der BBC selbstkritisch gegeben. "Die Premier League ist entschlossen, Diskriminierung zu bekämpfen. Wir versuchen mit der FA Möglichkeiten zu finden, wie wir besser dagegen vorgehen können. Wir müssen einen Schritt zurück machen und sehen, ob wir genug machen."
Zuvor hatten vor allem die Starspieler Raheem Sterling (Manchester City) und Danny Rose (Tottenham Hotspur) auf rassistische Beleidigungen aufmerksam gemacht. Wie der jüngste Vorfall zeigt, ist es der Liga nicht gelungen, diese Anfeindungen in den Stadien zu unterbinden.
Azpilicueta glaubt ohnehin nicht, dass eine Regelung allein das Problem lösen wird. "Wir müssen zusammenarbeiten", sagte der Spanier.
Rüdiger sagt Rassismus den Kampf an
Das sieht auch Rüdiger so. Wie zuvor Sterling und Rose sagte er den Menschen, die hinter den Beleidigungen stecken, den Kampf an. "Ich hasse Rassismus in der Gesellschaft und im Fußball. Ich bin enttäuscht, dass solche Dinge passieren können. Wann hört dieser Schwachsinn endlich auf?", schrieb der 26-Jährige in einem emotionalen Twitter-Post.
Bei der Verfolgung der Verantwortlichen können Video-Kameras im Stadion genutzt werden. Wenn das nichts hilft, "dann muss es Zeugen gegeben haben, die den Vorfall gesehen und gehört haben", meint Rüdiger. Auch Masters hatte sich im August dafür ausgesprochen, die Fans zu ermutigen, Bericht zu erstatten.
Nach dem neuerlichen Vorfall scheint die Premier League in jedem Fall zu einem Umdenken gezwungen zu werden. Die Reaktionen von Spielern, Verantwortlichen, Fans und Beobachtern ist klar: So geht es nicht weiter.
Auch der Mirror griff diese Stimmung in England auf und titelte: "Lasst uns den Rassismus zusammen stoppen."