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Jürgen Klopp vom FC Liverpool im Interview vor Start der Premier League

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Jürgen Klopp vom FC Liverpool im Interview vor Start der Premier League

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Jürgen Klopp im großen Interview

Vor dem Saisonstart in der Premier League blickt Jürgen Klopp im großen SPORT1-Interview zurück aufs Champions-League-Finale, zieht sein Transferfazit und spricht über Liverpools Ziele.
Liverpool-Coach Jürgen Klopp spricht bei SPORT1 über den Transferwahnsinn in England, die Titelträume der LFC-Fans - und über die Patzer von Loris Karius.
Martin Quast
Martin Quast

SPORT1: Herr Klopp, mit welcher Erwartungshaltung gehen Sie in die neue Saison?

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Jürgen Klopp: Ich habe sehr viel Bock auf die neue Saison und gehe mit einer hohen Erwartungshaltung hinein. Ich kann aber leider nicht sagen, wohin das führt. Wir haben eine sehr ordentliche Vorbereitung gespielt.

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SPORT1: Sie haben unter anderem Neapel mit 5:0 und ManUnited mit 4:1 geschlagen. Was macht das mit den Menschen in Liverpool, die sich ja schon seit langer Zeit mal wieder einen Titel wünschen?

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Klopp: Die Leute schauen einfach gerne unseren Fußball, das kann man richtig spüren. Natürlich wollen alle einen Titel gewinnen, aber die Leute nehmen uns auch ab, dass wir alles dafür tun, dass es passiert. Noch mehr können wir nicht tun. Wir können nicht sagen: "So Leute, setzt euch alle ruhig hin, schnallt euch an und am Ende überreichen wir euch die Schale." So läuft es einfach nicht. Der Fußball muss in diese Richtung führen und das hat er schon. Das Problem ist nur: Wir haben uns zwar in der Spitze und in der Breite personell verstärkt, aber wir müssen die neu gewonnenen PS auf die Straße bringen.

Und nebenher haben auch alle anderen ihre Karren aufgemotzt. Es gibt mindestens fünf Vereine, die sich um die ersten Plätze streiten. Deswegen ist die Premier League so spannend anzuschauen und deswegen schauen auch so viele zu. Entweder es ist super-attraktiver Fußball oder es ist super-intensiver Fußball. Manchmal ist es beides, nichts davon ist es nie. Selbst wenn das Spielniveau nicht so hoch ist, was natürlich vorkommt, dann ist trotzdem eine wahnsinnige Intensität in den Spielen. Das ist außergewöhnlich und macht diese Liga extrem attraktiv.

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SPORT1: Besteht die Gefahr eines Alleingangs von Manchester City?

Klopp: Die Gefahr besteht natürlich immer. Kürzlich wurde die "Lucky-Tabelle" in England veröffentlicht. ManCity hätte demnach drei Punkte weniger, ManUnited sechs weniger, und wir hätten zwölf mehr, wenn das zur Anwendung gekommen wäre. Das heißt, wir waren das Team mit dem meisten Pech in der letzten Saison. Doch selbst wenn City drei Punkte weniger und wir zwölf Punkte mehr gehabt hätten, wäre Manchester immer noch mit zehn Punkten vorne. Wir haben die 25 Punkte Rückstand nicht im direkten Vergleich verloren, sondern gegen alle anderen.

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Und das ist unser Auftrag für die neue Saison. Ich kann nicht garantieren, dass wir gegen City gewinnen, weil es wahnsinnig schwer ist, aber im Maximalfall können wir sechs Punkte gegen sie abgeben. Nur leider können wir das auch gegen United, Tottenham, Chelsea und alle anderen. Wir müssen einfach noch konstanter werden, als wir letztes Jahr waren. Die Qualität an der Spitze der Premier League ist extrem.

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SPORT1: In den vergangenen Jahren haben Sie viel in die Mannschaft investiert, unter dem Strich stand aber trotzdem ein Plus.

Klopp: Das haben wir in diesem Jahr nicht geschafft. Wir sind nicht mit einem Plus rausgegangen.

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SPORT1: Spricht das für noch mehr Qualität, wenn Sie noch mehr investiert haben?

Klopp: Wir sind dabei, eine Basis zu gründen. Mit ablösefreien Transfers eine Mannschaft zu verstärken, die im letzten Jahr im Champions-League-Finale war, das ist nicht einfach. Du kannst ja nicht einfach blind zugreifen. Die Spieler, die zu uns kommen, haben eine außergewöhnliche Qualität - und diese Qualität hat ihren Preis. Denn diese Spieler sind meist bei Vereinen, die sie nicht unbedingt abgeben wollen. Man kann es machen oder lassen.

Ich weiß, was ich damals über Paul Pogba gesagt habe, das ist aber schon eine Weile her. Seitdem sind hunderte von Millionen über den Transfer-Ladentisch gegangen, die Welt hat sich einmal komplett gedreht. Es wurden für einen Spieler über 200 Millionen Euro bezahlt, für mehrere andere um die 160. Das sind außergewöhnliche Beträge, die damals nicht vorstellbar waren. Heute sind sie vorstellbar. Wenn man auf die ganze Zeit schaut, in der ich hier bin, dann muss man sagen, dass wir nicht wahnsinnig viel ausgegeben haben im Vergleich zu dem, was wir eingenommen haben. Unsere Netto-Transfers sind zwar nicht mehr im positiven Bereich, aber auch nicht so negativ, dass man sich dafür entschuldigen müsste.

SPORT1: Zu Beginn der neuen Saison gibt es in England Gelbe und Rote Karten für Trainer. Verändert so eine Regelung den Coaching-Stil?

Klopp: Nein, die Gründe für eine Bestrafung sind dieselben wie vorher. Witzigerweise sind die Zahlen von Trainern, die in England übergriffig oder überemotional geworden sind, zurückgegangen. Wir werden alle älter und ruhiger. Ich weiß überhaupt nicht, wann ich das letzte Mal mit dem Vierten Offiziellen irgendetwas zu tun hatte. Das ist ewig her. In meinem ersten Jahr in Liverpool waren wir Dritter in der Fair-Play-Tabelle und in den letzten beiden Jahren jeweils Erster.

Dafür gibt es auf diesem Planeten zwar wenig Lob, aber wir sind keine aggressive Mannschaft und ich bin auch kein aggressiver Coach. Ich sehe manchmal so aus, das weiß ich, aber ich habe mich mit meinen 51 Jahren mittlerweile tatsächlich meistens sehr gut im Griff - und das in überaus schwierigen Momenten. Ich bin im letzten Jahr nicht einmal ermahnt worden, insofern muss ich mir um die Gelben Karten keine allzu großen Gedanken machen.

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SPORT1: Am Sonntag (ab 14.30 Uhr im LIVETICKER) geht es zum Start gegen West Ham. Sie sind in der Favoritenrolle. Spielt das zu Saisonbeginn überhaupt eine Rolle?

Klopp: Für mich nicht, das ist mir völlig egal. Auch West Ham hat enorm investiert, hat einen neuen Trainer. Das heißt, ich habe keine Ahnung wie die spielen. Wir haben natürlich ein paar Vorbereitungsspiele gesehen, aber daraus kannst du wenig ableiten. Bei einem Vorbereitungsspiel musst du 20 bis 30 Prozent der Leistung abziehen. Wenn man in den Wettkampfmodus schaltet, dann kann jeder noch einmal drauflegen.

SPORT1: Es steht das erste Pflichtspiel nach dem verlorenen Champions-League-Finale an. Beim-Testspiel gegen Turin wurde Loris Karius von den Fans herzlich empfangen. Kann man daraus ableiten, dass seine Patzer vergessen sind und die Mannschaft zu 100 Prozent das Vertrauen der Fans hat?

Klopp: Es war kein Fan auf die Mannschaft sauer. Ich weiß nicht, ob jemand auf Loris sauer war. Intern haben wir die Erklärung, dass Loris definitiv beeinträchtigt war - und daraus sind zwei Fehler entstanden. Das hätte jedem anderen auch passieren können, bei einem Torwart hat es nur größere Auswirkungen. Natürlich ziehen wir auch aus dieser Niederlage Kraft, das tut man immer.

Vor allem ist es aber so: Man kommt nicht in das Champions-League-Finale, wenn man nicht vorher fast alles richtig gemacht hat. Und in der Champions League haben die Jungs alles richtig gemacht, das war Wahnsinn. Wir haben gegen City und Rom zwei der besten Halbzeiten der Champions-League-Geschichte gezeigt. Das Wort Vollgas-Fußball trifft es nicht mehr. Da hatten wir das Bodenblech schon durchgedrückt. Das war außergewöhnlich. Dabei gewesen zu sein, ist schon ein außergewöhnliches Privileg und so empfinden das auch alle.

Die Anfield Road erhebt sich bei Einwechslung von Loris Karius
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Standing Ovations! Liverpool feiert Karius

SPORT1: Wie war Ihr Umgang mit Loris Karius nach den Patzern im Finale und wie geht es ihm heute?

Klopp: Loris ist absolut in Ordnung. Aber man muss sich diesen Abend auch mal als Mensch vorstellen. Ich bin ein großer Anhänger der These: "Wenn du nicht das Richtige zu sagen hast, dann halt einfach die Fresse." Ich hatte an diesem Abend außer ein paar tröstenden Worten nichts Richtiges zu sagen und ich hatte keine Ahnung, was man sagen könnte. Ich war weder sauer auf ihn, noch enttäuscht, ich habe einfach nur seine Situation gesehen. Jeder Mensch hätte in so einer Situation gerne die richtigen Worte parat, aber ich hatte sie nicht. Bis auf ein paar wenige Worte haben wir es am Abend dabei belassen. Mittlerweile haben wir natürlich gesprochen, aber nicht nur darüber.

SPORT1: Karius wurde nach dem Champions-League-Finale bedroht und angefeindet. Was haben Sie davon mitbekommen?

Klopp: Ich habe das nicht mitbekommen, aber derartige Drohungen sind meiner Meinung nach nicht ernst zu nehmen. Wir leben in Zentraleuropa. Drohungen, die wegen eines verlorenen Fußballspiels ausgesprochen werden, kann man durchaus mit der Emotion einer Enttäuschung einigermaßen erklären. Was ich viel schlimmer finde, ist, wie sich Leute in der Anonymität des Internets in ihrer Häme für andere Leute wälzen und suhlen, denen etwas nicht gelungen ist. Das sind zu 99,9 Prozent Menschen, die nie in so eine Situation kommen würden, weil sie dazu nicht in der Lage sind. Weil sie in ihrem Räumchen sitzen, anstatt rauszugehen an einen Ort, an dem Leistung erbracht werden muss.

Ich sehne mich nach der Zeit, in der Menschen Leserbriefe schreiben mussten. Wo man einen Brief schreiben und eine Briefmarke draufkleben, den Brief zumachen und in den Briefkasten werfen musste. Bis das alles passiert ist, hat man seine Wut schon lange vergessen. Heute darf einfach jeder unter einem Pseudonym seinen geistigen Müll veröffentlichen. Das finde ich verabscheuungswürdig.

Die größten Aufreger von Real Madrids Kapitän Sergio Ramos
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SPORT1: Sergio Ramos hat mit einigen Aktionen im Champions-League-Finale für Diskussionen gesorgt. Er selbst sagt, dass er immer so gespielt hat und dass ihm Titel Recht geben. Sind für den Erfolg alle Mittel recht?

Klopp: Das ist wahrscheinlich eine Philosophie-Frage. Mir sind nicht alle Mittel recht. Natürlich wäre ich gerne Champions-League-Sieger geworden - und wenn man mir anschließend diverse Vorkommnisse gezeigt hätte, dann hätte ich den Titel auch nicht zurückgegeben. Das erwarte ich auch nicht von ihm. Ich erwarte nur, dass in der Bewertung der Situationen ein bisschen mehr der Verstand eingeschaltet wird. Natürlich kann es ein Zufall sein, aber Mo Salah wurde in einer herausragenden Phase seines fußballerischen Lebens, weit weg vom Tor im Mittelfeld, auf eine relativ clevere Art und Weise aus dem Spiel genommen. Da werden viele Menschen draußen sagen: Genau so muss es sein. Aber wenn das die Message an unsere Kinder sein soll, dass jedes Mittel recht ist, und dass es am Ende nur um das Gewinnen geht, dann bin ich froh, wenn ich in 40 Jahren den Planeten verlasse.

Bin ich ein guter Verlierer? Nein. Aber in der Vorbereitung auf das Spiel mussten wir schon über Ramos sprechen, weil er im Jahr zuvor das Finale mit einer Schwalbe und einer Roten Karte gegen Juventus auch schon beeinflusst hat. Real Madrid hat zu 100 Prozent verdient die Champions League gewonnen, keiner von uns hat je etwas anderes behauptet. Aber muss man die Situationen von Ramos mögen? Nein, und das tue ich auch nicht.