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SPORT1-Kolumne von Raphael Honigstein zur englischen Premier League

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SPORT1-Kolumne von Raphael Honigstein zur englischen Premier League

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Der seltsame Fall des Frank Lampard

Die Chelsea-Legende schießt jetzt Tore für Manchester City. Es geht um Geld, Milliardäre in Abu Dhabi - und die New York Yankees.
Frank Lampard
Frank Lampard
© Getty Images

Der "Independent" hat diese Woche ein sehr schönes Weihnachtsgeschenk für Freunde exotischer Fußball-Memorabilia entdeckt: Im Internetshop des New York City FC gibt es für 28 US-Dollar ein T-Shirt mit Frank Lampards Namen und Trikotnummer (8).

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"Das ist die ultimative Kuriosität", schrieb das Blatt mit einer starken Dosis Sarkasmus. "Ein Spieler, der noch nicht da ist, bei einem Verein, der noch nie ein Spiel gespielt hat."

NYC FC gehört zusammen mit Manchester City, Melbournce City und Yokohama F. Marinos zur Fußballfamilie von Scheich Mansour aus Abu Dhabi, und wird im März als neustes Mitglied der Major League Soccer das erste Ligaspiel bestreiten.

Frank Lampard wurde neben dem Spanier David Villa diesen Sommer als Starspieler der Truppe verpflichtet. Ob der 36-Jährige zum Trainingsauftakt am 1. Januar in New York erscheint, ist jedoch nicht ganz klar.

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"Lamps", wie sie den Mittelfeldspieler auf der Insel nennen, ist derzeit noch anderweitig beschäftigt: Er schießt für Manchester City in der Premier League Tore, vier sind es bisher schon in der laufenden Saison. Am Samstag (1:0-Siegtreffer gegen Leicester) zog er mit Arsenal-Legende Thierry Henry (175 Liga-Tore) gleich.

"Ich hoffe, dass er hier bis zum Saisonende weitermacht", sagte City-Coach Manuel Pellegrini. Lampards offiziell als "Ausleihe" deklarierter Vertrag beim englischen Meister läuft am 31. Dezember aus.

City kann ihn ohne Frage gut gebrauchen. Lampard wird zwar nur sporadisch eingesetzt, ist aber mit sechs Toren und vier Assists (in allen Wettbewerben) der effektivste Spieler im Kader der Hellblauen in der laufenden Spielzeit. Durchschnittlich ist er alle 51 Minuten direkt an einem Treffer beteiligt. Außerdem könnte er im Januar bestens Yaya Toure vertreten. Der Ivorer fährt zum Afrika-Cup.

Lampard würde gerne noch etwas länger in der Heimat bleiben, aber die Gemengelage ist delikat. Citys Geschäftsführer Ferran Soriano hat in den vergangenen Monaten gebetsmühlenartig betont, dass der NYC-Ableger "kein Marketing-Trick", "keine Branding-Geschichte" und vor allem keine verkappte Reservemannschaft von Manchester City sei.

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Verpasst Lampard die ersten Monate der MLS-Saison, würden sich diese Beteuerungen als hinfällig erweisen. Und die Finanzaufseher der UEFA würden sich den Deal wohl auch noch einmal genauer ansehen. Stichwort: Financial Fairplay. Von Seiten der amerikanische Liga und den New York Yankees, die Teilhaber von NYC sind und den Fußballern auch ihr Stadion zur Verfügung stellen, wird jedenfalls hinter den Kulissen entschieden auf Lampards zeitige Anreise gepocht.

Nun ja, Fußball-Probleme sind bekanntlich dazu da, um sie mit viel Geld zu lösen. City wird sich mit City schon irgendwie einigen. Rein sportlich bringt Lampards unerwarteter Erfolg im Etihad-Stadion momentan sowieso eher seinen ehemaligen Trainer und Verein in die Bredouille. Chelsea hatte ihm im Sommer nach dreizehn Jahren kein neues Angebot unterbreitet und mehr oder minder abserviert.

Jose Mourinho erklärte, dass sein Vertrauen jüngeren Spieler wie Cesc Fabregas, Oscar und Nemanja Matic gehörte. Darüber hinaus war Lampard seit dem Rausschmiss von Trainer Andre Villas-Boas im März 2012 bei Klubbesitzer Roman Abramowitsch nicht mehr ganz wohlgelitten. Lampard war einer der Rädelsführer bei der Kabinen-Rebellion gegen den portugiesischen Trainer gewesen.

Trotz des eher gefühlsarmen Abschieds war man in West-London äußerst überrascht, dass Lampard zehn Tage nach der Bekanntgabe seines Wechsels nach Amerika ("das ist perfekt für mich") plötzlich als Teilzeit-Hilfskraft bei Man City aufschlug. Im September erzielter "Super Frank" beim 1:1 gegen die Blues im September sogar den Ausgleich für Man City und war danach peinlich berührt.

Die Chelsea-Fans hatten während des Matches und auch nach dem Schlusspfiff seinen Namen gesungen. "Es ist sehr komisch für mich. Ich hatte dreizehn schöne Jahre bei Chelsea, wurde aber von City auch toll aufgenommen" sagte er. Jose Mourinho rühmte ihn als "super Profi", betonte jedoch, dass Lampard nun für einen direkten Rivalen in der Meisterschaft spiele und die "Lovestory" deswegen für ihn beendet sei.

Die beiden hatten während Mourinhos erstem Engagement am Hofe Abramowitsch ein sehr enges Freundschaftsverhältnis unterhalten, im vergangen Jahr hatte sich die Beziehung dem Vernehmen nach abgekühlt. Relationship status: It?s complicated.

Wenn Chelsea Pech hat, schießt Lampard mit seinen typischen Rückraum-Treffern City sogar zur Meisterschaft. Bis auf drei Punkte ist Pellegrinis Elf an die Tabellenführer herangerückt. Am 31. Januar kommt es an der Stamford Bridge zum Showdown. Mit Lampard? Wahrscheinlich. Sein New-York-Shirt wird bis dahin eher nicht zum Verkaufsschlager werden.

Raphael Honigstein, geboren 1973 in München, zog 1993 nach London. Dort lebt und arbeitet er als Journalist und Autor. Für SPORT1 berichtet er ab sofort in der wöchentlichen Rubrik "London Calling" über alle Themen rund um den englischen Fußball. Honigstein arbeitet unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung", das Fußballmagazin "11 Freunde", die englische Tageszeitung "The Guardian", den Sportsender "ESPN" und ist in England und Deutschland als TV-Experte tätig.