Was der französische Premierminister Édouard Philippe am Dienstagnachmittag in der Nationalversammlung bekannt gab, hat weitreichende Folgen für den französischen Sport - und darüber hinaus.
Die Folgen des Frankreich-Bebens
Philippe präsentierte zwar erste Lockerungen der strengen Ausgangsbeschränkungen, doch für den Profisport wurden die Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr zur Normalität in der Grande Nation arg gedämpft.
"Die Fußballspielzeit 2019/20 kann nicht wieder aufgenommen werden", sagte Philippe explizit über die beiden französischen Profiligen Ligue 1 und Ligue 2. Auch Geisterspiele werde es nicht geben.
Insgesamt gilt ein Verbot großer Sportevents von über 5000 Zuschauern bis Ende August, womit unter anderem auch die Tour de France betroffen ist.
SPORT1 erklärt die Folgen des Frankreich-Bebens.
LIGUE 1:
In der höchsten französischen Spielklasse sind die Auswirkungen am heftigsten. Der Beschluss der Regierung bedeutet de facto ein Ende der Saison 2019/20. Der Ligaverband LFP teilte am Abend mit, dass er "in dieser Gesundheitskrise auch weiterhin dem Rat der Regierung folgen" wolle. Noel Le Graet, Präsident des französischen Fußballverbands FFF, sagte der Zeitung Le Telegramme am Dienstagabend: "Wir haben den Vorstand über das informiert, was er bereits wusste: Dass die Ligue 1 und die Ligue 2 nicht mehr starten werden."
In der Ligue 1 ruht seit Mitte März der Spielbetrieb, zehn Spieltage wären noch auszutragen gewesen. Paris-Saint Germain führt die Tabelle mit zwölf Punkten Vorsprung auf Verfolger Olympique Marseille an.
Was die Entscheidung über den Saisonabbruch für die einzelnen Vereine bedeutet, steht noch nicht fest. Eine Sitzung, auf der über "die sportlichen und wirtschaftlichen Folgen" der Ankündigung des Premierministers beraten werden soll, wurde für Donnerstag anberaumt. Erst dann kann der Saison-Abbruch formell beschlossen werden.
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Das wahrscheinlichste Szenario: Es gilt die Platzierung vor dem Abbruch, demnach wäre es für PSG-Trainer Tuchel der zweite Meistertitel im zweiten Jahr beim Hauptstadt-Club. Marseille und Stades Rennes wären zudem für die Champions League qualifiziert.
Spannender dürfte es werden, wie die Auf- und Abstiegsfrage geregelt wird. In den kommenden Tagen dürfte hitzig darüber debattiert werden, ob das niederländische Modell auch in Frankreich zum Tragen kommt.
In Holland wurde schon in der vergangenen Woche die Saison der Ehrendivision beendet - mit dem Entschluss, Auf- und Abstieg auszusetzen. Damit dürfen ADO Den Haag und RKC Waalwijk auch in der nächsten Saison im Oberhaus spielen, während die Aufstiegskandidaten Cambuur und De Graafschap in den sauren Apfel beißen müssen.
Sollte Frankreich das Oranje-Modell übernehmen, wären der FC Toulouse und SC Amiens gerettet, obwohl die beiden Klubs das Tabellenende der Ligue 1 zieren. FC Lorient und RC Lens hätten als die beiden Erstplatzierten der Ligue 2 Pech gehabt.
CHAMPIONS LEAGUE:
Mit PSG und Olympique Lyon hat Frankreich noch zwei Klubs, die in der Königsklasse vertreten sind. Während der Tuchel-Klub nach einem 3:0 im Achtelfinal-Rückspiel gegen Borussia Dortmund sogar schon fürs Viertelfinale qualifiziert ist, muss Lyon nach einem 1:0-Sieg gegen Juventus Turin noch das Achtelfinal-Rückspiel bestreiten.
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Wie es insgesamt in den Champions League weitergeht, steht aktuell noch in den Sternen. Anfang April hatte die UEFA bekannt gegeben, dass die europäischen Klub-Wettbewerbe zu einem noch nicht definierten Zeitpunkt fortgesetzt werden sollen. Hierzu werden die für Juni geplanten Länderspiele sowie die Playoffs zur EURO 2020 "bis auf Weiteres" verschoben.
Die Europäische Fußball-Union hofft, im August den Wettbewerb noch zu beenden - sollten die einzelnen Ligen ihren Spielbetrieb abgeschlossen haben.
Durch den Regierungsbeschluss sind für PSG und Lyon Champions-League-Spiele innerhalb Frankreichs tabu. Weil auch eine Rückkehr in den Trainingsbetrieb auf lange Sicht nicht möglich ist, droht den beiden französischen Klubs das vorzeitige Aus in der Königsklasse.
Tragisch wäre das erzwungene Scheitern vor allem für PSG - schließlich wartet der Scheich-Klub seit Jahren auf einen Erfolg in der Königsklasse. In der vergangenen Saison war Tuchel mit seiner Elf im Achtelfinale an Manchester United gescheitert.
Allerdings gibt PSG-Boss Nasser Al-Khelaifi die Hoffnung nicht auf und regt sogar an, die Heimspiele außerhalb Frankreich zu bestreiten. "Wir respektieren die Entscheidung der französischen Regierung", sagt Al-Khelaifi. "Wir planen für die Champions League, wann immer und wo immer sie auch gespielt wird. Wenn es nicht möglich ist, in Frankreich zu spielen, dann werden wir im Ausland spielen."
In der Europa League sind keine französischen Mannschaften im Achtelfinale mehr vertreten.
TOUR DE FRANCE:
Der bereits verlegte Start der Tour de France am 29. August ist erneut in Gefahr. Auch die Frankreich-Rundfahrt ist vom Beschluss von Premierminister Philippe betroffen, Veranstaltungen zu streichen, bei denen sich mehr als 5000 Menschen versammeln.
Dies würde zumindest Auswirkungen auf den Auftakt des wichtigsten Radrennens der Welt haben. Die 107. Auflage soll in Nizza starten. Auch eine Tour ohne Zuschauer dürfte angesichts der beteiligten Personen bei der mit einem wahnwitzigen Organisationsaufwand verbundenen Riesenveranstaltung von dem Verbot betroffen sein. Zudem ist der mächtige Tour-Boss Christian Prudhomme klarer Gegner einer Geistertour.
Die Tour hätte ursprünglich am 27. Juni beginnen und am 19. Juli in Paris enden sollen. Mitte April war sie um zwei Monate nach hinten verlegt worden, nachdem Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron eine Verlängerung der öffentlichen Maßnahmen im Kampf gegen das Coronavirus verkündet hatte. Nach derzeitigem Stand soll das prestigeträchtige Rennen bis zum 20. September durch Frankreich führen.
Explizit auf den Radsport ging Philippe bei seinen Ausführungen allerdings nicht ein.