Das "Mysterium Toni Kroos" ist zugleich das "Mysterium Zinédine Zidane".
Das Mysterium Toni Kroos
Dios mío, warum nur ließ der Trainer von Real Madrid den deutschen Mittelfeldstrategen im so wichtigen Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale gegen Manchester City auf der Bank?
In Spanien rätseln die Fußballfans und -experten, was den französischen Startrainer nur geritten haben könnte, nicht auf Kroos zu setzen.
Die Aufregung ist groß. Verständlicherweise: Den Königlichen droht durch das 1:2 gegen das Team von Ex-Barca-Coach Pep Guardiola das Aus in der Königsklasse. (Service: Champions-League-Spielplan)
Schlimmer noch: Aus dem spanischen Pokal ist Real bereits ausgeschieden, in La Liga verlor Madrid nach nur einem Punkt aus den letzten zwei Partien die Tabellenführung - und ausgerechnet jetzt steht der Clásico gegen den FC Barcelona an. (La Liga: Real Madrid - FC Barcelona, So. ab 21 Uhr im Liveticker)
"Ich habe den Eindruck, als wäre da was im Busch"
"Mit Kroos muss etwas los sein, sonst müsste er doch jetzt, wo Madrid die Kontrolle verliert, aufs Feld kommen", echauffierte sich bereits während des Champions-League-Spiels am Mittwochabend Ex-Real-Profi und -Trainer Jorge Valdano im spanischen TV.
Und auch mit etwas zeitlichem Abstand herrscht bei Beobachtern eine Mischung aus Ungläubigkeit und Unverständnis vor. "Kroos hat sich nicht einmal aufgewärmt. Man hätte ihn zum Aufwärmen schicken können mit der Idee, dass er noch kommt", sagte Madrids früherer Spieler Álvaro Benito dem spanischen Radiosender Cadena SER.
Benito habe Zidanes TV-Interviews nach der Niederlage gegen die Citizens verfolgt und sagt: "Ich habe den Eindruck, als wäre da was im Busch."
Gündogan war "ein bisschen überrascht"
Selbst in den Reihen des siegreichen Gegners wunderte man sich über den Bankplatz des Weltmeisters von 2014. "Ich war ein bisschen überrascht. Wir hatten ihn von Anfang an erwartet. Toni ist für Real ein Anker", sagte City-Profi Ilkay Gündogan.
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Nach der Partie habe sich Gündogan mit seinem Nationalmannschafts-Kollegen unterhalten. "Er sagte, dass er natürlich gerne gespielt hätte, sie am Sonntag aber auch einen Clásico haben."
Ein Hinweis auf mögliche Gründe von Kroos' Bankplatz, nur passen sie nicht so recht ins Bild: Kroos war über Monate der Dauerbrenner bei Real Madrid und fehlte so gut wie nie, erst recht nicht in den wichtigen Partien.
Champions-League-Dauerbrenner Kroos kaltgestellt
In der laufenden La-Liga-Saison stand Kroos in 21 von 25 Spielen in der Startelf. Geschont wurde er lediglich in den vergleichsweise weniger herausfordernden Auswärtspartien bei SD Eibar und CA Osasuna sowie gegen Real Sociedad. Bei RCD Mallorca fehlte er verletzt.
Noch frappierender die Statistik in der Champions League. Kroos, einer der Schlüsselspieler bei Reals Titel-Hattrick 2016 bis 2018, setzte in dieser Saison nur im bedeutungslosen letzte Gruppenspiel beim FC Brügge aus. Die fünf vorherigen Vorrunden-Partien spielte er sogar immer über 90 Minuten durch, erzielte dabei ein Tor und bereitete zwei weitere vor.
Auch in der K.o.-Phase war der gebürtige Greifswalder bis Mittwochabend eigentlich so gut wie immer gesetzt. In 28 der letzten 29 K.o.-Spiele lief er von Beginn an auf, und spielte fast genauso oft durch. Einzige Ausnahme: Das Achtelfinal-Rückspiel bei Paris Saint-Germain im März 2018, das Real nach einem 3:1 im Hinspiel souverän mit 2:1 gewann.
Kroos stand praktisch jede entscheidende Minute für Real auf dem Rasen - bis Mittwochabend. Eine Zäsur?
Zidanes dünne Erklärung
Wenn es zu einer wird, deutete sie sich bereits im Derby gegen Atlético Madrid am 1. Februar an, als Kroos zur Halbzeitpause ausgewechselt wurde. Zidane nahm eine Systemumstellung vor, brachte Vinícius Júnior für den Deutschen.
Ebenjener Vinícius, der auch gegen Manchester spielte. Neben Luka Modric, Casemiro, Isco und Federico Valverde. Ohne Kroos.
"Er ist ein wichtiger Spieler für uns, aber heute habe ich mich für diese Option entschieden", beschwichtigte Zidane anschließend und schob nach: "Das geht nicht gegen Toni, der es gut macht."
Der fasste die zwischenzeitliche Degradierung offensichtlich weniger gelassen auf. Wie die spanische Zeitung Marca beobachtete, blieb nach Abpfiff der Handschlag zwischen Spieler und Trainer aus.
Illgner: Sehe keinen Handlungsbedarf
Später stapfte Kroos ohne Interview und sichtlich bedient an den Medienvertretern vorbei und fast schon raus aus dem Estadio Santiago Bernabéu, als ihn jemand aufhielt: City-Coach Guardiola. Beide unterhielten sich, augenscheinlich angeregt.
"So ein Gespräch lässt dann natürlich auch die Gerüchteküche hochkochen", sagt der frühere Real-Keeper Bodo Illgner (1996 bis 2001) im Gespräch mit SPORT1. Der 52-Jährige, der mit den Königlichen 1998 und 2000 die Champions League gewann, unterstreicht aber: "Ich gehe fest davon aus, dass Zidane Toni fest in seiner Planung hat."
"Sein Stellenwert in Spanien ist hoch, er hat ja auch seinen Vertrag verlängert. Ich kann seinen Unmut schon nachvollziehen, dass er nicht gespielt hat, aber sehe da im Moment keinen akuten Handlungsbedarf", erklärt Illgner.
Erst kurz vor dem Wiedersehen hatte Kroos seinen früheren Bayern-Trainer Pep Guardiola in den höchsten Tönen gelobt. "Er war die Schlüsselfigur für den deutschen Fußball und für mich persönlich. Er hat jedem die Augen geöffnet, was die Wichtigkeit von Kontrolle angeht", hatte der deutsche Nationalspieler über den Katalanen gesagt.
Nun musste mit Kroos ausgerechnet ein Meister der Spiel-Kontrolle von der Bank aus zusehen, wie sein Team die Kontrolle verlor. Nur eine Ausnahme? Im Clásico gegen Barca am Sonntag soll Kroos (Real-Vertrag bis 2023) den spanischen Medien zufolge wieder mit von der Partie sein.
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Klares Fan-Votum pro Kroos
"Luka Modric wird nicht jünger und Kroos kann man am ehesten mit Modric vergleichen", meint Illgner. "Die beiden haben sich jetzt in dem Fall um den einen Posten gestritten und da hat der Trainer halt auf Modric gesetzt. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass am Sonntag Kroos wieder in der Anfangs-Elf steht", glaubt auch Illgner.
Die Fans dürfte es freuen. In einer Umfrage der Marca, in der über 70.000 User befinden sollten, wer im Real-Mittelfeld gesetzt sein sollte, erhielt Kroos 27 Prozent der Stimmen. Nur für Casemiro fiel das Votum mit 37 Prozent noch stärker aus. Die Kroos gegen City vorgezogenen Luka Modric und Isco? Drei beziehungsweise zwei Prozent.