Der Trainerstuhl bei Real Madrid kann schnell zum Schleudersitz werden. Liefert ein Coach keine Ergebnisse, fliegt er raus. So haben es die Königlichen in der Vergangenheit des Öfteren gehandhabt.
Die Gründe für Reals Krise
Jose Mourinho, Carlo Ancelotti, Rafael Benitez - sie alle hat Boss Florentino Perez vorzeitig entlassen. Trotz ihrer klangvollen Namen.
Seit dieser Saison heißt der Trainer Julen Lopetegui. Der ist mit seinem Team seit vier Spielen ohne Sieg. Und noch viel schlimmer: ohne Tor. Eine solche miese Bilanz hatte Real das letzte Mal vor 33 Jahren.
Es gibt Beobachter in Spanien, die betrachten Lopeteguis Job als akut gefährdet. Der Radiosender Onda Cero hatte am Sonntagabend schon berichtet, der Klub diskutiere intern ernsthaft über eine Ablösung des 52-Jährigen.
Lopeteguis Rettungsanker ist dieser Tage ausgerechnet Erzrivale FC Barcelona. Weil der Meister auch nicht richtig zu seiner Form findet, beträgt der Rückstand derzeit lediglich einen Punkt.
Ein überschaubarer Abstand, der Lopetegui noch eine Schonfrist verschafft. Die anstehenden Partien gegen Levante (20. Oktober), Viktoria Pilsen (23. Oktober) und eben jenen FC Barcelona (28. Oktober) werden aber zu Schicksalsspielen für den Coach.
Lopetegui muss liefern - und folgende Schwächen bekämpfen.
73 Abschlüsse - kein Tor
Seit 409 Minuten ist Real ohne eigenen Treffer. Die Offensive lahmt. Und zwar gewaltig.
In Sevilla (0:3), gegen Atletico (0:0), in der Champions League bei ZSKA Moskau (0:1) und gegen Alaves (0:1) gaben die Real-Spieler 73 Schüsse ab. Nicht einer fand den Weg ins Tor.
Eine unteriridische Ausbeute - nicht nur gemessen an den Ansprüchen eines mehrfachen Champions-League-Siegers.
Den letzten Treffer hat Marco Asensio beim Duselsieg gegen Espanyol Barcelona erzielt. Das war am 22. September. Vor knapp drei Wochen.
Karim Benzema wartet bereits seit dem 1. September auf ein Erfolgserlebnis. Für seine glücklosen Auftritte erntet er inzwischen wieder vermehrt Pfiffe von den Rängen.
Anfällige Defensive
Die Misere bei Real zieht sich durch sämtliche Mannschaftsteile.
Raphael Varane ist nach dem WM-Triumph mit Frankreich gefühlt noch im Erholungsurlaub. So schwach wie in diesen Tagen hat man den Verteidiger bei Real selten gesehen.
Linksverteidiger Marcelo, vergangene Saison noch Garant für den Triumph in der Königsklasse, unterlief bereits gegen Atletico ein haarsträubender Fehler. In Sevilla ließ er sich dann zweimal brachial überlaufen und verschuldete zudem das dritte Gegentor nach einem verlorenen Kopfballduell.
Kapitän Sergio Ramos, vor kurzem noch ob seiner kompromisslosen Zweikämpfe gefürchtet, kommt dieser Tage eher wie Bruder Leichtfuß daher. Reals Abwehr ist momentan nicht mehr das, was sie mal war.
Dazu fehlt die Absicherung im Mittelfeld. Luka Modric ist meilenweit von seiner WM-Form entfernt, wird häufig nur ein- oder ausgewechselt.
Toni Kroos steht seit Wochen neben sich. Der vorläufige Tiefpunkt: der katastrophale Rückpass in Moskau, mit dem er dem Gegner den Sieg ermöglichte.
Ronaldo bislang nicht ersetzt
Schwächephasen sind bei Real im Grunde ja nichts Neues. Das haben die Königlichen in den vergangenen Jahren immer mal wieder erlebt. Wenn nichts mehr ging, konnten sie sich dennoch auf eines verlassen: Cristiano Ronaldo traf immer.
Diese Sicherheit fehlt seit dieser Saison.
Benzema erzielte in den ersten zwei Wochen zwar fünf Tore. Allerdings hat er die Auswirkungen von Ronaldos Verlust damit nur kurzfristig kaschiert.
In Wirklichkeit fehlen Real Ronaldos Tore mehr denn je - gerade in knappen Spielen.
Gegen Alaves hatten die Madrilenen in der Anfangsphase zahlreiche Möglichkeiten - aber keinen Vollstrecker. Die Harmlosigkeit im Abschluss rächte sich kurz vor Schluss.
Zu allem Überfluss kommt noch Verletzungspech hinzu. Spielmacher Isco fiel die vergangenen Spiele wegen einer Blinddarm-OP aus.
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Fehlerhafte Kaderplanung
Nach dem Gewinn der Champions League hat Real seinen Kader nicht so prominent aufgerüstet, wie viele Fans vielleicht gehofft hatten.
Die Bosse vertrauten auf die bewährten Kräfte - und das rächt sich jetzt. Anstelle von Neymar, Kylian Mbappe oder Eden Hazard kamen für den Sturm lediglich Lyons Mariano Diaz und der erst 18 Jahre alte Vinicius Junior von Flamengo Rio de Janeiro.
Zwei Spieler, von denen man noch nicht erwarten kann, dass sie das Spiel an sich reißen. Erst recht nicht, wenn Real liefern muss. So wie Samstag gegen Alaves.
Die fehlerhafte Kaderplanung haben in erster Linie Perez und Generaldirektor Jose Angel Sanchez zu verantworten. Weniger Lopetegui selbst.
Auch das ist einer der Gründe, weshalb die Verantwortlichen davon absehen, ihren Coach zu entlassen. Vorerst zumindest.
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