Die Diskussionen um eine Austragung der Handball-WM im Januar in Ägypten halten weiter an.
Fritz: "WM ergibt wenig Sinn"
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Während die Befürworter auf die Wichtigkeit des Turniers für die Aufmerksamkeit der Sportart hinweisen, äußern die Kritiker angesichts der Corona-Pandemie gesundheitliche Bedenken.
Zu letzterer Fraktion gehört auch der ehemalige Welt- und Europameister Henning Fritz.
Dieser erklärte bei SPORT1: "Zu einer anderen Zeit hätte ich gesagt, wie wichtig die Handball-WM ist. Wir wollen prinzipiell gerne eine WM spielen, auch für die Außendarstellung. Aber unter den momentanen Bedingungen ergibt das wenig Sinn."
Fritz ergänzte: "Viele Athleten haben selber gesagt, dass sie sich unsicher sind, ob die WM unter den entsprechenden Hygienemaßnahmen durchgeführt werden kann. Die Unsicherheit der Athleten ist vorhanden." (Ergebnisse und Spielplan der Handball-Bundesliga)
Dass sich zuletzt mehrere Stars, darunter Henrik Pekeler (THW Kiel), Aron Pálmarsson (FC Barcelona) und Domagoj Duvnjak (THW Kiel), kritisch über die WM geäußert haben, zeige, "dass die Top-Spieler sich positionieren. Am Ende funktioniert ein Großturnier nur, wenn sich die Besten der Welt messen. Denn das sind die Namen, die die Zuschauer sehen wollen. Würde jede Nation nur, überspitzt gesagt, ihr B-Aufgebot schicken, hätte das nicht den gleichen Wert. Die Positionierung der Topstars aus Kiel und international ist ein klares Zeichen."
Fritz: Handball-Bundesliga hat Priorität
Für Fritz hat derzeit erst einmal ein anderer Wettbewerb Priorität: die Handball-Bundesliga.
"Der Spielbetrieb der Vereine muss erst einmal gesichert sein. Da ist man bereits im Verzug, weil einige Spiele ausgefallen sind, weil beispielsweise Spieler in Quarantäne waren. Entscheidend ist, wie lange wir brauchen, um die Saison durchzuspielen", sagte der frühere Torhüter (Die Tabelle der HBL)
Denn "die Vereine müssen die Gehälter der Spieler finanzieren. Und der eine oder andere Klub ist schon in Schieflage geraten. Wir sollten zunächst schauen, dass der Spielbetrieb zu Ende geführt werden kann."
Fritz betont jedoch, dass er grundsätzlich nicht dafür sei, die WM ausfallen zu lassen. Stattdessen rät der Ex-Nationalspieler dazu, "zu überlegen, ob es Sinn ergibt, sie in den Sommer zu verlegen, da sich bis dahin die Corona-Situation etwas entschärfen könnte."
Geht es nach dem ehemaligen Welthandballer, sollte jegliche Gedankenspiele über die Olympischen Spiele, die im Sommer 2021 stattfinden sollen, sowie die WM jedoch erst einmal hinten angestellt werden, bis der Ligabetrieb sichergestellt ist.
"Wir sind in einer ganz schwierigen Situation, das ist auch den Athleten bewusst. Wir wissen, dass die überregionale Aufmerksamkeit auf den Großturnieren liegt. Davon profitiert unsere Sportart", sagte Fritz: "Nichtsdestotrotz ist es erst einmal notwendig, den Spielbetrieb zu sichern, um ein repräsentatives Ergebnis präsentieren zu können. Heißt: Dass jede Mannschaft gegen jede einmal zu Hause und einmal auswärts gespielt hat."
Erst dann könnte man "darüber nachdenken, was mit WM und Olympia passiert."
Sein ehemaliger Nationalmannschaftskollege Florian Kehrmann, der inzwischen als Trainer der TBV Lemgo Lippe arbeitet, hatte bei SPORT1 betont: "Letztendlich wäre es unglaublich schade für den Handball, wenn die Weltmeisterschaft nicht stattfinden könnte. Wenn man sicherstellen kann, dass die Spieler gesund zurückkommen und ein chancengleiches Turnier organisiert werden kann, dann wäre es wichtig, dass die Sportart Handball im Januar präsent ist. Eine WM ist ein Großereignis und sowas braucht der Handball."
Weniger internationale Turniere? Fritz zwiegespalten
Von SPORT1 auf die Problematik angesprochen, dass Infektionen von der WM mit in die Liga getragen werden könnten und es dadurch zu weiteren Verschiebungen kommen könnte, sagte Fritz: "So sieht es aus: Solange die Verantwortlichen auf Vereinsebene noch keine Vorgaben haben, mit denen sie planen können, wäre es sinnvoll, zu sagen: Wir konzentrieren uns auf den Ligabetrieb."
Der gebürtige Magdeburger sieht in der momentanen Situation jedoch auch eine Chance, "über Themen zu sprechen, die wir seit Jahrzehnten haben – wie die Diskrepanz zwischen nationalen und internationalen Verbänden. Vielleicht kann eine Einigung gefunden werden, mit der alle leben können."
Denn es gebe "genügend Top-Athleten, die oft betont haben, dass sie überlastet sind. Die Verletzungssituation ist nach oben gegangen. Vielleicht ist das eine Chance, sich an einen Tisch zu setzen und grundsätzliche Themen zu überdenken und für die Zukunft zu verändern."
Fritz: Handball ist nicht unverwundbar
Eine Verknappung der internationalen Turniere - nicht zuletzt wegen der steigenden Belastung der Profis - sieht Fritz zwiegespalten.
"Da spielen mehrere Interessen eine Rolle. Wir sind uns bewusst, dass Profisport durch Geld, durch Geldgeber, finanziert wird. Das bringt den Bedarf, so oft wie möglich Großveranstaltungen zu präsentieren. Aber wenn man das ein oder andere Großturnier verknappt, könnte das auch wieder ein größeres Interesse bei den Zuschauern wecken", glaubt der 46-Jährige.
"Alles nur dem Kommerz zu unterwerfen, ergibt auf lange Sicht auch keinen Sinn", meinte Fritz: "Wenn die Leute überfrachtet sind mit Spielen, mit Informationen, dann geht das Interesse auch verloren. Die momentane Situation ermöglicht die Chance, Dinge grundsätzlich zu überlegen. Der Handball hat in den letzten Jahrzehnten eine sehr gute Entwicklung genommen. Aber der Handball ist nicht unverwundbar."