Im Mittelkreis brach die komplette Ekstase aus. Die dänischen Spieler schauten gebannt auf das Handy von Teammanager Christian Norkjaer und bekamen die frohe Kunde so direkt mit. Weil Belgien parallel Finnland mit 2:0 besiegte, reichte das furiose 4:1 der Dänen gegen Russland für das Achtelfinale. (Das Spiel zum Nachlesen im Ticker)
Verdächtige Parallelen
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Die Stars flippten aus, holten Fahnen und ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Der Parken in Kopenhagen wurde zum Tollhaus und die Fans schrien sich die Kehle aus dem Hals. (Tabellen der EM)
Es war fast so, als hätte Dänemark die EM gewonnen. Zwar müssten bis zum Titel noch vier Hürden genommen werden und ein Sieg der Skandinavier wäre sensationell. Aber: Die Dänen haben es 1992 bei ihrem Triumph bereits gezeigt, wie ein Außenseiter die Elite überraschen kann.
Schmeichel und Hjulmand denken an Eriksen
Nun werden Erinnerungen an 1992 wach.
Die Euphorie nach der Gala gegen Russland ist jedenfalls riesig.
"Es zeigt, was Fußball leisten kann. Was Fußball für eine Nation tun kann. Wir sind einfach glücklich, dass wir dem ganzen Land etwas zurückgeben konnten. Wir alle haben in den letzten zehn bis zwölf Tagen eine turbulente, emotionale Achterbahnfahrt erlebt", fasste Kasper Schmeichel bei Berlingske zusammen.
Trainer Kasper Hjulmand erklärte auf der Pressekonferenz: "Ich glaube nicht, dass dies ohne die fantastische Unterstützung, die wir von den Dänen erhalten haben, möglich wäre. Vielen Dank. Wenn das jemand verdient, dann diese Spieler. Es ist nicht ganz nachvollziehbar, wie sie an das anknüpfen konnten, was wir in den letzten Wochen durchgemacht haben."
Eriksen im Stadion allgegenwärtig
Was Schmeichel und Hjulmand ansprechen, ist offensichtlich: das Drama um ihren Spielmacher Christian Eriksen.
Der Star war zum Auftakt gegen Finnland kollabiert, musste auf dem Platz wiederbelebt werden und überlebte schließlich. Nun ist Eriksen aus dem Krankenhaus entlassen.
Seine Mannschaft ist nun völlig befreit.
Im Stadion war der abwesende Leader gegen Russland doch allgegenwärtig. Wieder wurde das überdimensionale Trikot mit seiner "10" auf den Rasen getragen wie beim zweiten Gruppenspiel im Parken gegen Belgien (1:2). Wieder sangen die Zuschauer vor dem Einlauf der Mannschaften voller Inbrunst "You'll never walk alone". Wieder gab es Gänsehaut-Momente. Und die Elf auf dem Rasen? Kämpfte für ihren Kumpel. (Ergebnisse und Spielplan der EM)
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Christensen: "Sieg für Eriksen"
"Zweifellos war der Sieg auch für Christian. Alle Gedanken, die wir senden können, und all die Freude. Das ist ein riesiger Teil davon", meinte Christian Nörgaard im Moment des Erfolgs.
Andreas Christensen fügte an: "Christian bedeutet uns allen sehr viel. Er bleibt immer ein Teamkamerad, das wird sich nie ändern, wir tragen ihn immer in unseren Herzen."
Erneut meldete sich Eriksen sofort nach dem Spiel per Handynachricht bei seinem Team und motivierte es für weitere Großtaten.
Dänemark: Nächste Sensation nach EM-Sieg 1992?
Ist nun sogar der Titel drin?
Es gibt jedenfalls mehrere Parallelen zur EM-Sensation von 1992.
Auch damals galt Dänemark als krasser Außenseiter.
Auch damals stand das Team bereits in der Gruppenphase kurz vor dem Aus und schaffte durch den ersten Turniersieg am letzten Vorrundenspieltag den Einzug in die nächste Runde. Das 2:1 gegen Frankreich reichte vor 19 Jahren.
Es folgten ein 5:4 im Elfmeterschießen gegen die Niederlande und das 2:0 gegen Deutschland bis zum Titelgewinn.
Schmeichel, Delaney, Poulsen spielen bei Topklubs
Damals der sichere Rückhalt: Peter Schmeichel. Mittlerweile hütet sein Sohn Kasper das Tor und ist in ähnlich starker Form wie sein Vater früher.
Allerdings: "Danish Dynamite" ist qualitativ dieses Mal deutlich besser besetzt.
In der Aufstellung gegen Russland fanden sich nur Spieler, die in Europas Top-Ligen spielen. Jannik Vestergaard (Southampton), Andreas Christensen (Chelsea), Kasper Schmeichel (Leicester), Pierre-Emil Höjbjerg (Tottenham), Martin Braithwaite (Barcelona), Yussuf Poulsen (Leipzig), Thomas Delaney (BVB), Simon Kjaer (AC Milan), Joakim Maehle (Atalanta Bergamo), Mikkel Damsgaard (Sampdoria) und Daniel Wass (Valencia) spielen allesamt bei großen Klubs.
Spielerisch hat Dänemark also viel drauf. Und nun kommt nach dem überstandenen Eriksen-Drama und der daraus geschöpften Kraft eine ganz neue Dimension hinzu: unbändige Leidenschaft.
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