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U18-Trainer Christian Wörns bei SPOR1 über DFB-Talente

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U18-Trainer Christian Wörns bei SPOR1 über DFB-Talente

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Wörns mahnt Moukoko

Seit Juli betreut Christian Wörns die deutsche U18. Der frühere Dortmunder gibt bei SPORT1 Einblicke in seine Arbeitsweise und erklärt, worauf es bei ihm ankommt.
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Früher schickte Christian Wörns als langjähriger Profi und Kapitän von Borussia Dortmund höchstens verbale Giftpfeile nach München. Mittlerweile ist er im Süden der Bundesrepublik heimisch geworden. Wörns liebt den Viktualienmarkt und die Alpen, überquerte diese vor kurzem sogar mit Bergführer und Freunden – ausschließlich zu Fuß.

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Vom Zillertal über Südtirol an den Gardasee liefen sie, 20 Kilometer pro Tag bei mindestens 1000 Höhenmetern. Täglich bis zu acht Stunden auf Achse. Der 47-Jährige geht also noch immer dahin, wo es wehtut. Seit Juli dieses Jahres ist er Trainer der U18-Nationalmannschaft. Zuvor war Wörns bis Juni 2018 acht Monate Trainer der U19 des TSV 1860 München.

SPORT1 gibt der Ex-Nationalspieler sein erstes Interview in neuer Position.

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SPORT1: Herr Wörns, wissen Ihre Spieler eigentlich, dass sie einst Weltstars wie Ruud van Nistelrooy, Ronaldo oder Thierry Henry auf den Füßen standen?

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Christian Wörns: Ich habe 2008 aufgehört. Da waren die Spieler meines jetzigen 2002er-Jahrgang sechs Jahre alt. Die Spieler haben mich daher wahrscheinlich nicht mehr kicken sehen, aber sie kennen meine Vita. Für mich ist das allerdings nicht wichtig. Meine Vita nützt mir nichts, wenn ich den Jungs nur Quatsch und Käse erzählen würde. Das spüren die Spieler direkt.

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Wörns: "Müssen Mentalität an erste Stelle rücken"

SPORT1: Sind Sie auch wegen Ihrer Raubein-Vergangenheit beim DFB gelandet?

Wörns: Ja, das ist ein Grund. Gewisse Tugenden sind in der Gesellschaft in den vergangenen Jahren etwas verloren gegangen. Die wollen wir beim DFB wieder in den Vordergrund stellen. Da kam ich zur rechten Zeit.

SPORT1-Chefreporter Florian Plettenberg (r.) traf Christian Wörns auf dem Münchner Viktualienmarkt
SPORT1-Chefreporter Florian Plettenberg (r.) traf Christian Wörns auf dem Münchner Viktualienmarkt

Für SPORT1: Im DFB-Kosmos fiel zuletzt oft der Begriff "Bolzplatzmentalität", wenn man über die zukünftige Ausbildung der Talente sprach. Versteht man darunter Hackentricks oder blutige Knie?

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Wörns: Beides (lacht). Wir haben uns früher auf dem Bolzplatz die Knie aufgeschlagen und eine blutige Nase geholt. Aber wir konnten da auch frei kicken. Mit Übersteigern konnten wir uns ausprobieren. Das gehört alles mit dazu. Wir müssen schauen, dass wir wieder die Mentalität an erste Stelle rücken, bevor wir zu detailliert über Schema F oder Systematiken sprechen.

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Wörns: Wir wollen die Qualifikation zur U19-EM 2021 schaffen. Das wäre der erste Step. Jetzt müssen wir allerdings erstmal schauen, dass wir die 2002er kennenlernen und wissen, was den Jahrgang ausmacht, welche Stärken und Schwächen er hat.

SPORT1: Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus?

Wörns: Ich scoute viel, besonders an den Wochenenden, und stehe täglich im engen Austausch mit den Spielern und ihren Vereinstrainern. Mein Ziel ist es, alle Mannschaften in der U19-Bundesliga einmal gesehen zu haben – in ganz Deutschland. Ich bin im ganzen Land unterwegs und habe über die 2002er schon Marktkenntnisse gesammelt. Ich kenne mittlerweile viele Spieler, aber bei Weitem noch nicht alle. Bald werden mein Trainerteam und ich zudem die erste Länderspiel-Maßnahme planen.

Moukoko? "Wenn einer 50 Tore schießt..."

SPORT1: U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz wies neulich daraufhin, dass in den aktuellen deutschen U-Mannschaften die ganz großen Namen fehlen.

Wörns: Ich bin erst seit 1. Juli 2019 beim DFB dabei und habe bei einem Sichtungsturnier zuletzt die Jahrgänge 2003 bis 2005 gesehen. Ich finde schon, dass wir Talente haben. Für mich ist aber die Frage, was wir auf dem Weg zum Herrenbereich mit ihnen machen. Beim DFB spüre ich, dass alle Trainer die Jungs bestmöglich fördern wollen – und gemeinsam mit den Vereinen und Nachwuchsleistungszentren muss es uns gelingen, Spitzentalente auszubilden. Damit der deutsche Fußball an die Weltspitze zurückkehrt.

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SPORT1: Was schlagen Sie vor?

Wörns: Ich hoffe, dass man den Spielern nicht zu viel von ihrer Spielintelligenz nimmt. Also Näschen und Bauchgefühl beibehalten und ihnen nicht irgendwas implantieren, was ich Schema F genannt habe – also nur angeleiteten Fußball. In der Ausbildung darf die Kreativität nicht auf der Strecke bleiben. Muster und Grundordnungen auf dem Feld sind das Eine, Spielintelligenz ist das Andere. Es kommt darauf an, ob wir aus den Spielern Roboter machen oder sie Fußball spielen lassen.

SPORT1: Welchen Namen sollte man sich aus dem 2002er-Jahrgang merken?

Wörns: Wir haben gute Spieler im Kader, aber nicht den absoluten Topspieler, der 100 Tore in der Saison schießt.

SPORT1: Also keinen Youssoufa Moukoko.

Wörns: Wenn einer 50 Tore schießt in der U17-Bundesliga, steht er natürlich im Fokus. Ich habe ihn zuletzt in Gladbach gesehen. Er ist gut, ohne Frage. Aber interessant wird es im Herrenbereich, da trennt sich die Spreu vom Weizen. Bis dahin ist es noch ein längerer Weg. Er muss weiter dranbleiben und seine Entwicklung so fortsetzen.

"Die Jungs können immer zu mir kommen"

SPORT1: Was müssen ihre Spieler über Sie als Trainer wissen?

Wörns: Ich kann auch mal unangenehm werden. In meiner Ansprache bin ich klar und direkt. Vor allem Spieler im U18- oder U19-Bereich haben keine Zeit mehr für irgendwelche Spielchen, sie wollen den Sprung in den Profifußball packen. Darauf bereite ich die Jungs vor. Ich packe meine Spiele daher nicht gerne in Watte, denn sie wollen alle ganz oben ankommen. Also brauchen sie auch ein dickes Fell. Super sensibel zu sein, nützt ihnen nichts auf dem Weg zum Profi.

SPORT1: Ihr Führungsstil?

Wörns: Mit den Spielern bin ich eher autoritär. Disziplin und Engagement sind mir wichtig. Dem Staff lasse ich längere Leine.

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SPORT1: Wenn heute ein Jugendspieler Unmut hat, dann…

Wörns: Immer her damit. Ich bin da relativ offen. Die Jungs können immer zu mir kommen. Das kann auch gerne kritisch sein. Aber ich bilde mir ein zu wissen, wovon ich spreche, und zu wissen, wie es funktionieren kann – und wie nicht. Weil ich 40 Jahre als Jugendspieler, Profi, Papa, und als Trainer dabei war.

SPORT1: Wie übermitteln Sie Ihre Botschaften?

Wörns: Ich halte vor allem den persönlichen Kontakt für wichtig. Ich schreibe nicht so viele Emails oder Whatsapp-Nachrichten, sondern greife lieber zum Hörer. Das gesprochene Wort ist mir am liebsten, weil man da Vertrautheit aufbauen kann und es eine persönliche Ebene gibt.

SPORT1: Auf was achten Sie im Gespräch?

Wörns: Auch auf Haltung. Wenn jemand mit mir spricht, dann möchte ich, dass mich derjenige anschaut und sich nicht wie ein Gockel verhält. Authentisch sein, ehrlich auftreten, klar kommunizieren - das halte ich generell für wichtig. Nicht nur im Fußball. 

Social Media? "Da bin ich Hardliner"

SPORT1: Sie sollen kein Freund von Social-Media-Aktivitäten sein, dem Hobby vieler ihrer Spieler. 

Wörns: Ich weiß, dass die sozialen Medien heutzutage dazugehören. Mir geht es um das Augenmaß: Ich persönlich halte es für übertrieben, wenn man der ganzen Welt ständig mitteilen muss, was man gerade macht und erlebt. Ich finde, dass man die Zeit besser nutzen kann. Etwa mit einem persönlichen Gespräch mit dem Mitspieler. Es hat sicher jeder seine eigene Einstellung dazu.

SPORT1: Also Handyverbot in der U18?

Wörns: Es geht rein um Konzentration und entscheidende Details. Ich mag es nicht, wenn ein Spieler auf dem Fahrradergometer oder auf der Massagebank in sein Handy reinschaut. Oder etwa wenn die Jungs gerade mit dem Teambus ins Stadion reinfahren oder weit vor Anpfiff erstmals den Rasen betreten. Das sind Momente, in denen sie mit dem Kopf voll und ganz bei der Sache sein sollen. Das werde ich auch so kommunizieren, da bin ich Hardliner. Ansonsten gehören Handys heutzutage dazu, wir leben ja nicht hinter dem Mond (lacht)

SPORT1: Sprechen wir nochmal über Sie. Warum wurde Christian Wörns Trainer?

Wörns: Da bin ich so reingerutscht beim FC Homburg. Ich habe dort meinen großen Sohn trainiert und wurde eines Tages gefragt, ob ich diese Tätigkeit ausbauen möchte. Ich habe dann gesagt: 'Klar, das probiere ich mal.' Ich brauche den Praxisbezug auf dem Rasen, daher bin ich Trainer und kein Sportdirektor. Das wäre mir dauerhaft zu politisch.

SPORT1: Haben Sie Traineridole?

Wörns: Ich orientiere mich an Spielweisen von Trainern, die ich gut finde. Daher finde ich Jürgen Klopp super, aber auch Pep Guardiola.

SPORT1: Was genau imponiert Ihnen?

Wörns: Bei Jürgen, dass er es immer wieder schafft, die Mannschaft zu 100 Prozent auf Zug zu haben und sie einen Tempofußball mit Leidenschaft und Herz spielen zu lassen. Pep ist der Feingeist. Er lässt einen Fußball vom allerfeinsten technischen und taktischen Niveau spielen. 

Wörns hofft auf Praktikum bei Guardiola

SPORT1: Haben Sie mal bei den beiden hospitiert?

Wörns: Bei Jürgen zu seiner Dortmunder Zeit. Ich hoffe, dass ich noch das Vergnügen haben werden, über den DFB an Pep Guardiola ranzukommen. Aber da wollen wahrscheinlich alle hin. Trotzdem werde ich es probieren.

SPORT1: Verspüren Sie nun weniger Druck als Trainer, weil sie nicht mehr täglich mit einer Vereinsmannschaft auf dem Rasen stehen?

Wörns: Druck als Trainer hat man immer. Aber durch meine Vita als Spieler habe ich ein dickes Fell. Ich beschäftige mich nicht mit einer Entlassung, sondern nur mit Erfolg. Gewinnen ist in meiner DNA verankert.  Die Jungs stehen für mich im Vordergrund, nicht meine Trainerkarriere. Viele Trainer müssen abliefern, um an die Fleischtöpfe rankommen zu können. Das verstehe ich auch, aber bei mir ist das nicht der Fall. Ich habe mir alles erarbeitet und mir wirklich auf die Fahne geschrieben, für die Jungs da zu sein. Ich erwarte von ihnen aber auch einiges.

SPORT1: Wie wichtig ist es, dass Peter Hermann zum DFB zurückkehrt und Ihr Co-Trainer wird?

Wörns: Das hat Meikel Schönweitz (Cheftrainer U-Nationalmannschaften, d. Red.) eingefädelt. Als er mir gesagt hat, dass es mit Peter klappen könnte, habe ich gesagt: 'Super, her damit.' Davon profitieren wir im Trainerteam und die Spieler auch. Man kann nicht alle Dinge aus dem Buch erlernen. Im Fußball ist Erfahrung wichtig. Und wenn die einer hat, dann Peter Hermann.

SPORT1: Abschließend gefragt: Müssen Ihre Spieler die Nationalhymne mitsingen?

Wörns: Hauptsache meine Spieler tragen den Adler mit Stolz und hauen alles raus, was in so einem Körper drin ist. Mir ist nicht so wichtig, ob die Jungs die Nationalhymne mitsingen.

SPORT1: Warum?

Wörns: Weil nicht jeder ein großer Sänger ist oder vielleicht schüchterner ist, was das Singen der Hymne betrifft. Ich werde da niemanden zwingen. Wenn aber die Nationalhymne erklingt, muss jeder wissen, dass wir eine Schlacht zu schlagen haben. Mit dieser Einstellung müssen wir aufs Feld gehen, diese Überzeugung will ich sehen.