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SC Freiburg: Christian Streich im Interview über FC Bayern, Timo Werner, Corona

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SC Freiburg: Christian Streich im Interview über FC Bayern, Timo Werner, Corona

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Streich: Mit FCB-Kutte im Fanblock

Christian Streich spricht im SPORT1-Interview über die Dominanz des FC Bayern, seine Verbindungen mit dem Rekordmeister und den Wechsel von Timo Werner.
Zum achten Mal in Folge haben die Bayern sich den Meistertitel gesichert. Freiburg-Trainer Christian Streich würde sich über etwas Abwechslung an der Spitze sehr freuen.
Martin Quast
Martin Quast

Nur ein Punkt trennt den SC Freiburg vom Sprung auf die Europapokal-Plätze, der Weg dorthin führt am Samstag aber über die hohe Hürde FC Bayern.

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In der Allianz Arena empfängt der frischgebackene Meister die Breisgauer mit Kult-Trainer Christian Streich. (Bundesliga, 33. Spieltag: FC Bayern - SC Freiburg, Samstag ab 15.30 Uhr im LIVETICKER)

Zuvor spricht der 55-Jährige in Teil eins des großen SPORT1-Interviews über seine eigene Kindheit als Fan der Münchner, seine Beziehung zum SC Freiburg und den Wechsel von Timo Werner zum FC Chelsea.

SPORT1: Herr Streich, die Bundesliga verliert den besten deutschen Stürmer, Timo Werner wechselt zum FC Chelsea. Wie sehen Sie das Problem, dass wieder ein guter Spieler nach England geht?

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Christian Streich: Das ist schade. Jetzt müssen wir schauen, dass wir den nächsten ausbilden (lacht). Da kann man nichts machen, in England ist es auch schön. In einigen Dingen ist es zwar nicht so schön wie in der Bundesliga, aber mir wird von dort berichtet, dass es auch schön ist.

SPORT1: RB Leipzig bringt der Transfer viel Geld, die Zuschauer verlieren aber ein Gesicht der Liga...

Streich: Das ist zwar blöd, aber wenn man jetzt die Spiele anschaut, wird richtig gekickt. Mir gefällt es im Moment, außer dass keine Zuschauer da sind. Es wird Fußball gespielt und das auf einem guten Niveau. Vielleicht sehe ich das zu positiv, aber wenn ich unsere Spiele gegen Gladbach oder Hertha sehe, finde ich: Das kann man sich doch anschauen, da ist doch alles dabei. Dortmund ist eine herausragende Mannschaft, aber verliert gegen Mainz. Der Ausreißer ist Bayern, die werden immer Meister. Aber was will man machen, wenn sie die Besten sind? Aber sonst ist die Liga doch okay und gut.

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SPORT1: Der FC Bayern hat zehn Punkte Vorsprung auf die Verfolger. Finden Sie den Kampf um die Deutsche Meisterschaft langweilig?

Streich: Man weiß ja jedes Jahr nicht, ob es wieder so kommt. Es hätte in diesem Jahr auch anders laufen können. Langweilig ist es nicht, aber am Ende ist halt Bayern vorne. Es wäre schön, wenn mal ein anderer Meister würde und Bayern sich richtig ärgert und total genervt ist. Dann hauen sie im nächsten Jahr nochmal mehr rein und überleben würden sie das auch. Ich freue mich total für Hansi Flick. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass der Hansi mit Bayern Deutscher Meister wird? Er hat es auch total verdient. Sie sind halt die Besten, und die Besten sollen Erster sein.

Als Streich wegen Bayern weinend im Bett lag

SPORT1: In Freiburg werden Spiele gegen Bayern noch immer als Geschenk gesehen. Warum wird sich diese Sichtweise niemals ändern?

Streich: Das hoffe ich. Gewissermaßen ist das schon fast Gewohnheit, weil wir oft gegen Bayern spielen dürfen und sehr oft in der Bundesliga sind. Wir spielen zweimal in einer Saison gegen Bayern und sehen das als etwas Tolles. Wir haben sie zuhause schon ein paar Mal an die Kante gebracht. Im Hinspiel wäre ein 1:1 von den Leistungen gerechter gewesen als das 1:3 am Ende. Es pusht und motiviert uns wahnsinnig, wenn wir gegen solche Mannschaften spielen. Wir wollen zeigen, was wir können. Das ist uns schon oft gelungen, wir haben auch schon Punkte geholt. Letztes Jahr waren wir die einzige Mannschaft, die in der Saison nicht gegen Bayern verloren hat. Wir nehmen diese Spiele als etwas Besonderes wahr, weil es einfach etwas Besonderes ist.

Der Bodycheck des Frankfurter Spielers David Abraham gegen Freiburgs Trainer Christian Streich.
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SPORT1: Haben Sie von solchen Spielen schon geträumt, als Sie sich entschlossen haben, Fußballtrainer zu werden?

Streich: Wenn ich Beckenbauer, Müller, Sepp Maier, 'Bulle' Roth oder 'Katsche' Schwarzenbeck gesehen habe, habe ich davon geträumt mitzuspielen. Als kleiner Bub mit acht oder zehn Jahren war dieses Wahnsinnsspiel gegen Atlético Madrid, wo Schwarzenbeck das Tor schießt (CL-Finale 1974, Ausgleich zum 1:1 in der 120. Minute, Anm. d. Red.). Ich bin heulend im Bett gelegen, mein Vater hat mich rausgeholt, weil ich es nervlich nicht ausgehalten habe. Er hat mich rausgeholt und gerufen: 'Komm' raus, hör' auf mit dem Heulen, Schwarzenbeck hat ein Tor geschossen.'  Das werde ich nie vergessen, das war so aufregend. Zwei Tage später war das Wiederholungsspiel (4:0 für Bayern), und Uli Hoeneß und Gerd Müller machen je zwei Tore, weil Atlético mit diesem Schuss von Schwarzenbeck zerstört war. Da haben sie heute noch ein Trauma. Ich habe geträumt, dass ich mitkicke oder von draußen zuschaue und dann auf den Platz komme. Jetzt bin ich schon viele Jahre dabei und sehe, wie sich die Spieler bekämpfen und bin selber involviert. Das ist unglaublich und fühlt sich wie ein Traum an, aber es ist ja wahr. Es ist wie ein wahr gewordener Traum.

SPORT1: Sie waren also in Ihrer Jugend Bayern-Fan? Zu dieser Zeit in den 70er Jahren gab es nur die zwei Pole Gladbach oder Bayern.

Streich: Ich schäme mich nicht, ich war Bayern-Fan. Die meisten coolen Leute hatten ein Gladbach-Trikot an (lacht). Ich wollte am Wochenende einfach oft gewinnen als Fan. Ich bin einmal mit 16 oder 17 Jahren nach München auf den Marienplatz gefahren, als sie Meister geworden sind. Am letzten Spieltag haben sie im Olympiastadion 3:1 gewonnen gegen Braunschweig. Mein Freund hat mir damals über eine Speditionsgesellschaft einen Platz im LKW besorgt und wir standen mit einer Bayern-Jeansjacke und dem Emblem in der Südkurve. Das war so, ich schäme mich nicht. Zwei Tage später sind wir wieder heim getuckert.

Christian Streich: "Ich habe kein Ziel"

SPORT1: Der SC Freiburg liegt ja nicht weit weg von Ihrem Heimatort Eimeldingen. Wie war die Wahrnehmung für den Klub damals, hatten Sie damals eine Beziehung zum SC?

Streich: Ich hatte keine Fan-Beziehung zum SC Freiburg, sondern eine Beziehung zum FC Basel. Wir hatten es zum St. Jakob-Park über die Grenze nur 20 Minuten, ich komme direkt aus dem Drei-Länder-Eck. Der FC Basel war damals sehr gut und hat Europapokal der Landesmeister gespielt. Gegen Roter Stern Belgrad waren 45.000 Fans im St. Jakob, ich war beim Finale Fortuna Düsseldorf - FC Barcelona (Europapokal der Pokalsieger 1979, Anm.d.Red.). Barcelona mit Hans Krankl und Johan Neeskens hat 4:3 gewonnen und alles im Stadion war mit den Basler Farben Rot und Blau versehen, weil ein Basler den FC Barcelona gegründet hat. Der hat die Farben nach Barcelona gebracht. In Freiburg war ich eher für den Freiburger FC. Das war der Klub in der Stadt, der mehr nach außen gewirkt hat. Als ich in die A-Jugend des FFC gewechselt bin, habe ich eine richtige Anerkennung von den Leuten bekommen. In der Kindheit hatte ich also keinen näheren Bezug zum SC Freiburg, das muss ich ehrlich zugeben.

SPORT1: Sind Sie beruflich am Ziel angekommen? 

Streich: Ich habe kein Ziel. Wenn ich das Coaching jetzt ohne Zuschauer erlebe, erinnert mich das die ganze Zeit an meine Arbeit als Jugendtrainer. Man bestreitet quasi gemeinsam das Spiel mit den Spielern, sie hören alle meine Zurufe. Im Moment gibt es viel Kontakt und Kommunikation auf dem Platz, das ist brutal. Man soll zwar immer Ziele haben, aber komischerweise habe ich keins. Ich lasse es laufen.

Streich glaubt an sinkende Gehälter

SPORT1: Glauben Sie, dass die Corona-Zeit eine nachhaltige Veränderung im Fußball bewirken wird? 

Streich: Wir sind noch in der Corona-Zeit. Das merkt man auch, auf dem Transfermarkt passiert im Moment nicht so viel. Die Vereine zögern und wissen nicht genau, was in drei Monaten ist. Wenn keine zweite Welle kommt, kann es sich wieder ein Stück weit normalisieren. Ich kann keine Prognose stellen. Wahrscheinlich werden die Gehälter sinken bei einem Teil der Vereine, bei den absoluten Topvereinen wahrscheinlich nicht. Da tummeln sich große Investoren und Milliardäre, um einen Spielplatz zu haben. Das ist legitim, wenn es einem juristischen Rahmen entspricht. Ich hoffe, dass bei uns 50+1 bleibt und Vereine wie wir überleben können. England ist ein großartiges Fußballland, aber vor 20 Jahren hat es mir - da bin ich konservativ - besser gefallen. Der Fußball war damals nicht besser, aber das Drumherum ist teilweise an der Kante. Ich hoffe, dass wir in Deutschland einige Dinge, die uns im Fußball viel Begeisterung gebracht haben, aufrechterhalten. Weil ich überzeugt bin, dass wir immer auf einem guten Niveau Fußball spielen können, wenn gute junge Trainer und Mitarbeiter nachkommen, auch wenn ein oder zwei Länder dir die besten Spieler wegholen. Ich will, dass wir mit den Fans und Gremien kommunizieren können, damit demokratische Verhältnisse herrschen. Dann bin ich extrem gerne ein Teil der Bundesliga. Ein paar Dinge müssen verändert werden, aber juristisch muss alles festgezurrt bleiben, damit wir nicht unser Gesicht verlieren.

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SPORT1: Sie werden mit dem SC Freiburg die Saison in der oberen Tabellenhälfte beenden. Ist das für Sie ein gutes Ergebnis oder machen Sie es vom Tabellenplatz und dem Erreichen des Europapokals abhängig? 

Streich: Nein, das mache ich nicht. Die Saison war toll und hat wahnsinnig Spaß gemacht. Wir sind auch durch Täler gegangen, aber die Entwicklung ist gut und einige Spieler haben Schritte gemacht. Ich bin nicht mit allem zufrieden, aber mit dem Meisten. Ich sehe meine Spieler und finde es toll, dass sie alle unser Trikot anhaben. Das sind richtige Kerle, die gut kicken können und das Herz am richtigen Fleck haben. Die Jungs auf dem Platz kriegen das alles gut hin, da muss ich als Trainer sagen: Chapeau. Sie kicken, wir helfen ihnen nur ein bisschen.

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