Mario Götze muss der Weg wie eine Ewigkeit vorgekommen sein.
Götze und Favre - echte Eiszeit?
Nach seiner Auswechslung in der 57. Minute des Revierderbys auf Schalke verließ der BVB-Profi das Spielfeld hinter dem Tor und trottete vor 61.873 vornehmlich blau-weiß gekleideten Zuschauern in der ausverkauften Veltins-Arena an Tor- und Seitenauslinie entlang. Hängende Schultern, meist gesenkter Blick, vor sich hinbrummelnd.
Als er an der Bank von Borussia Dortmund ankam, nahm ihn Mannschaftsarzt Dr. Markus Braun in Empfang. Der Trainer würdigte seinen an der Hand verletzten Spieler dagegen keines Blickes. Lucien Favre betrachtete, leidlich gebannt, das Geschehen auf dem Rasen.
"Ich würde Mario Götze niemals ignorieren!", sagte Favre der Bild, als er auf die Szene angesprochen wurde. Er sei so auf das Spiel fokussiert gewesen, dass er den Götze-Abgang nicht mitbekommen habe.
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"Die Götze-Aktion sieht nicht gut aus"
Dabei hätte es den anschließenden Wirbel um Götzes Verlassen des Stadions - er fuhr zum Röntgen - gar nicht gebraucht.
"Die Götze-Aktion sieht nicht gut aus", urteilte Oliver Ruhnert, Geschäftsführer Sport des 1. FC Union Berlin, der den BVB am 3. Bundesliga-Spieltag mit 3:1 besiegt hatte, im CHECK24 Doppelpass bei SPORT1. "Es kommt vor, aber bei einem Klub wie dem BVB werden solche Dinge anders wahrgenommen."
"Nicht so dramatisch" sah es dagegen Horst Heldt. Favre klatsche selten ab, sagte der frühere Manager des VfB Stuttgart, von Schalke 04 und Hannover 96.
Doch der Schweizer Trainer kann auch anders. Als beim 1:0 des BVB in der Vorwoche gegen Borussia Mönchengladbach Keeper Roman Bürki verletzt raus musste, ging Favre sehr wohl zum Ausgewechselten und erkundigte sich nach dessen Befinden.
Götze "auch mal streicheln"
Von allen Spielern hätte ausgerechnet Götze eine wertschätzende Geste seines Coachs am meisten gebrauchen können. Ein Abklatschen, einen Klaps, ein Nicken.
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"Wenn dieser dann ausgewechselt wird, muss der Trainer kurz hingehen und ihn auch mal streicheln. Weil jeder drauf schaut", sagte SPORT1-Experte Marcel Reif im CHECK24 Doppelpass. "Was in Dortmund passiert, ist nicht gut - nach innen und außen."
Der Weltmeister von 2014 hat in Dortmund seit Wochen einen schweren Stand. Von 1.260 möglichen Pflichtspielminuten in dieser Saison absolvierte Götze lediglich 257. Das Revierderby war erst seine zweite Partie von Beginn an.
"Ich hoffe, dass er brennt", hatte Sportdirektor Michael Zorc vor dem Spiel gesagt. Kein einziger Schuss und nur eine Torschussvorbereitung zeugen nicht von sonderlich heißem Lodern bei Götze.
Undankbare Rolle als Alcácer-Backup
Dabei half es Götze nicht, einmal mehr der Notnagel im Sturmzentrum und Ersatz für den verletzten Paco Alcácer zu sein - "wo er sich nicht wohlfühlt", befand SPORT1-Experte Reif.
Schalke-Legende Olaf Thon wurde im CHECK24 Doppelpass deutlich: "Du kannst Götze nicht Mittelstürmer spielen lassen. Er gewinnt keinen Kopfball und ist nicht schnell genug. Wenn Götze dort spielt, wird Dortmund nicht Meister."
Ein weiterer Schalker hatte sich direkt nach der Partie indirekt über Götze geäußert. "Das war relativ wenig", sagte Knappen-Keeper Alexander Nübel bei Sky über die zahnlose BVB-Offensive: "Es war schwierig für Dortmund, ein Tor zu schießen, weil keiner in der Box war, der in die Box wollte."
Götze selbst wiederum ist wenig erpicht darauf, stets in vorderster Front aufgestellt zu werden. Doch gibt es überhaupt eine Alternative?
Kein Platz für Götze in Favres System?
Seine Lieblingsposition ist gleich doppelt belegt. Auf der Zehn ist der Spielführer gesetzt, und sollte Marco Reus mal nicht zur Verfügung stehen, kommt 25-Millionen-Euro-Einkauf Julian Brandt zum Zug.
Bliebe einzig die offensive Außenbahn. Doch zum einen ist der Siegtorschütze des WM-Finals 2014 hier aufgrund fehlenden Top-Speeds nicht unbedingt am besten aufgehoben.
Zum anderen hat die Dortmunder Kaderplanung ohnehin für ein Überangebot gesorgt: Thorgan Hazard, Jadon Sancho, Brandt, Achraf Hakimi, Raphael Guerreiro, Jacob Bruun Larsen, Reus - an Flügelflitzern fehlt es Favre nicht.
Die Frage lautet also: Wohin mit Götze?
"Absolut" kein Problem - aber auch noch eine Chance?
Oder stellt sich Favre diese gar nicht, weil er ohnehin ein Problem mit dem Spieler hat? "Absolut nicht", betonte der BVB-Coach bereits vor einem Monat: "Fragen Sie ihn. Er weiß das."
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Doch angesichts der aktuellen Lage hätte das Problem ohnehin weniger der Trainer denn der Spieler, der außen vor bleibt. Und der sich womöglich fragen muss, ob er beim BVB noch gut aufgehoben ist.
Die Gespräche über eine Vertragsverlängerung stocken. Laut Zorc "gibt es aktuell keinen neuen Stand", der BVB werde das Thema "weiter bearbeiten und wieder aufnehmen".
Das Ausland locke ihn, hatte Götze vor der Saison gesagt. Womöglich lockt ihn ein Team, in dem er mehr als der sporadisch spielende Notnagel sein kann.
Mit einem Trainer, der ihn auch mal streichelt.