Der späte Ausgleich zum 2:2 bei Eintracht Frankfurt – und das auch noch per Eigentor – hatte ohnehin schon Spuren hinterlassen bei Borussia Dortmund. Angesprochen auf ein mögliches Mentalitätsproblem platzte Kapitän Marco Reus am Sky-Mikrofon dann der Kragen. "Kommt mir jetzt nicht mit dem Mentalitätsscheiß. Immer dieselbe Kacke", entgegnete Reus.
"Mentalitätsscheiß"? Das ist dran
Fakt ist aber: Wie schon in der vergangenen Saison hat der BVB auch in dieser Spielzeit beim 1:3 bei Erstliganeuling Union Berlin und nun beim Remis in Frankfurt nach zweimaliger Führung schon wieder leichtfertig Punkte verspielt.
Doch ein Mentalitätsproblem? Oder gibt es andere Gründe? SPORT1 legt den Finger in die schwarz-gelbe Wunde.
Zorc moniert: "Zu viel rumgedaddelt"
Der BVB begann in Frankfurt gut und ging durch Axel Witsel in der elften Minute früh in Führung. Im Anschluss waren die Dortmunder die klar dominierende Mannschaft, verpassten es aber nachzulegen. Unerklärlicherweise wurde die Borussia mit zunehmender Spieldauer gegen Frankfurter, die mit ihrem runderneuerten Angriff noch spürbar mit sich selbst zu kämpfen hatten, behäbiger und fahriger.
Die Folge war das 1:1 zwei Minuten vor der Pause durch André Silvas erstes Pflichtspieltor für die Eintracht, vor dem Thorgen Hazard und Raphael Guerreiro auf der linken Seite im Verbund nachlässig verteidigten.
Gerade diese Entwicklung in der ersten Halbzeit ärgerte Sportdirektor Michael Zorc vehement. "Wir haben den Sieg zwischen der elften Minute und der Halbzeit leichtfertig verspielt. In der Phase haben wir zu viel rumgedaddelt, waren nicht konkret genug, als Frankfurt angeknockt war", sagte Zorc. An die Journalisten gewandt schob Zorc hinterher: "Ob das mit Mentalität zu tun hat, könnt ihr selbst entscheiden."
SPORT1 meint: Dass der BVB die Frankfurter in der ersten Halbzeit überhaupt zurück ins Spiel kommen ließ, hatte durchaus mit Überheblichkeit zu tun.
Favre: "Da hat vieles nicht gestimmt"
Trotzdem ging der BVB in der zweiten Halbzeit durch Jadon Sancho (66.) erneut in Führung. Dass es dennoch nicht zum Sieg reichte, hatte dann gleich mehrere Gründe.
Erstens: Die Dortmunder spielten nicht konsequent auf das dritte Tor.
"Ballmitnahme, vorletzter Pass, letzter Pass, Abschluss – da hat vieles nicht gestimmt", analysierte Trainer Lucien Favre nach dem Spiel treffend.
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Grundsätzlich gilt Dortmund als eine der spielstärksten und technisch besten Mannschaften.
SPORT1 meint: In diesem Punkt muss den Spielern mangelnde Konzentration unterstellt werden. Wenn nicht ein Mentalitäts- so zumindest ein Qualitätskriterium.
Reus vergibt Chance, Alcàcer schwach
Zweitens: Vor dem Tor ließ der BVB die wenigen guten Möglichkeiten zum wohl vorentscheidenden 3:1 ungenutzt.
"Wenn wir vorne die Chancen verwerten und das 3:1 machen, ist das Spiel gegessen", sagte Reus. Die beste Chance dazu hatte er, nach guter Vorlage des erstmals eingewechselten Mario Götze, selbst.
Unterdessen strahlte Mittelstürmer Paco Alcàcer kaum Torgefahr aus und blieb nach dem 0:0 in der Champions League gegen den FC Barcelona am Dienstag erstmals in dieser Saison auch in der Bundesliga ohne eigenen Treffer.
SPORT1 meint: Auch eine Formkonstanz – zumal gegen vermeintlich schwächere Mannschaften – hat etwas mit Mentalität zu tun.
In der Defensive fehlt die Souveränität
Drittens: Dortmunds Abwehr war bei weitem nicht so sattelfest wie noch gegen die Barca-Stars um Luis Suárez, Antoine Griezmann und Lionel Messi.
Dass Mats Hummels Mitte der zweiten Halbzeit mit Rückenproblemen ausgewechselt werden musste, war da nicht gerade hilfreich. Allerdings hatte zuvor auch Hummels nach der bärenstarken Leistung gegen Barcelona diesmal unter den Augen von Bundestrainer Joachim Löw seine Probleme.
Reus monierte, dass sich die Mannschaft überhaupt noch einmal so unter Druck hatte setzen lassen. "Mit einer 2:1-Führung muss man in Frankfurt fünf Minuten vor Schluss richtig gegenhalten. Wir dürfen uns nicht selber in die Bredouille bringen, das darf nicht passieren", sagte Reus und fügte hinzu: "Wir haben uns dumm angestellt – auf jeden Fall. Vor allem beim 2:2."
Thomas Delaney, dem in der 88. Minute beim Klärungsversuch das Eigentor zum 2:2 unterlief, war da noch die geringste Schuld vorzuwerfen. “Was soll ich machen? Ich kann nicht anders da hingehen", sagte der Däne.
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Richtig ist: Dem BVB fehlte in der Schlussphase neben dem Biss insbesondere die Souveränität. Manuel Akanji war einmal mehr ein Unsicherheitsfaktor, der für Hummels eingewechselte Dan-Axel Zagadou wirkte ebenfalls nicht sicher.
Zorc: "So spielt keine Spitzenmannschaft"
Insgesamt zeigte nur Witsel als umsichtiger Mittelfeldchef, Torschütze und Torvorbereiter für Sancho eine starke Leistung. Mit Abstrichen konnte auch Achraf Hakimi als Rechtsverteidiger mit Vorwärtsdrang gefallen. Torhüter Roman Bürki traf an den Gegentoren keine Schuld.
Zu wenig für den selbsternannten Titelaspiranten!
Mentalitätsproblem hin oder her, Zorcs Fazit fiel deutlich und ziemlich desaströs aus: "So spielt keine Spitzenmannschaft.”