Hatte Borussia Dortmund sich womöglich schon zu früh gefreut? Bis ziemlich genau 17 Uhr lief für den BVB am Samstagnachmittag alles nach Plan.
Sieg verschenkt: Die BVB-Baustellen
Obwohl Trainer Lucien Favre grippekrank fehlte. Obwohl Kapitän Marco Reus nicht dabei war.
3:0 stand es in der 75. Minute gegen die TSG 1899 Hoffenheim. Die Dortmunder waren dabei, den nächsten Teil ihrer Meister-Prüfung abzulegen.
Da kann nichts mehr schief gehen? Von wegen. Die Gäste bewiesen Moral und schossen drei Tore binnen zwölf Minuten. Der BVB bewies, dass sie jetzt vielleicht doch da ist, die Delle, die viele schon länger befürchtet haben.
Sebastian Kehl, Chef der Lizenzspielerabteilung in Dortmund, gab mit einem kleinen Versprecher Einblick in die die Gefühlswelt des Tabellenführers. "Die Niederlage, äh, ich meine natürlich das Unentschieden, haben wir uns selbst anzukreiden." Modus "Niederlage" statt Modus "Punkt gerettet".
Geht Dortmund die Puste aus?
Das BVB-Team zeigte zwei Gesichter. In den ersten 45 Minuten präsentierte sich die Mannschaft auch in Gala-Verfassung. Jadon Sancho brillierte, Mario Götze überzeugte mit einer starken Leistung. Nach der Pause sahen die Zuschauer eine ungewohnt passive, unkoordinierte Defensive. Borussia Dortmund belebte einen Gegner, der schon am Boden lag.
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Das Szenario dürfte den Schwarz-Gelben bekannt vorkommen. In den drei letzten Spielen führte der BVB jeweils, um den Sieg am Ende noch herzuschenken. In den Spielen gegen Eintracht Frankfurt und Hoffenheim waren es wertvolle Punkte im Meisterschaftskampf.
"Das sind wichtige drei Punkte, die wir hätten holen können", erkannte Mario Götze am ARD-Mikrofon. Geht den Dortmundern auf den entscheidenden Metern die Puste aus?
Favre fehlt in der Coaching-Zone
Zweifelsohne war die Situation für die Spieler des BVB ohne Trainer Lucien Favre an der Seitenlinie ungewöhnlich. Zwar betonten sowohl die beiden Co-Trainer Manfred Stefes und Edin Terzic als auch Manager Michael Zorc, Favre habe seine taktischen Anweisungen durchgehend mitgeteilt.
Co-Trainer Edin Terzic beschrieb die Situation wie folgt: "Kein WhatsApp oder Twitter, wir haben altmodisch mit Lucien Favre telefoniert. Lucien hat die Ansprache im Hotel gehalten. Während des Spiels hatten wir regelmäßig Kontakt."
Doch Favre stand nicht an der Seitenlinie, um Instruktionen zu geben.
Schwache Verteidigung kostet BVB den Sieg
Mit dem Wiederanpfiff überließ der BVB den Hoffenheimern das Spiel. Die TSG konnte sich ausbreiten und die Hoheit über das Spiel übernehmen. Julian Weigl mahnte: "Wenn du 3:0 führst, spielst du dich natürlich in einen Rausch. Aber dann darfst du trotzdem die Defensivarbeit nicht vernachlässigen. Wir sind in einige Konter gelaufen, das darf bei einer 3:0-Führung nicht sein."
Schlüsselspieler Axel Witsel erklärte: "In der zweiten Halbzeit hatten wir nicht die Ballkontrolle wie in der ersten Halbzeit."
Und weniger Ballkontrolle heißt eben auch mehr Laufarbeit für ein Team, das in der zweiten Halbzeit an seine körperlichen Grenzen zu stoßen schien.
Ausfälle von Akanji und Zagadou wiegen schwer
Hinzu kommt eine diesmal wacklige Innenverteidigung: Abdou Diallo war zu harmlos bei der Flanke von Pavel Kaderabek auf Ishak Belfodil – und konnte das Gegentor nicht verhindern. "Wir haben ein bisschen naiv verteidigt", gab Manfred Stefes bei Sky zu. "Wir haben die entscheidenden Duelle verloren, die wir hätten gewinnen können."
Die Ausfälle von Manuel Akanji und Dan-Axel Zagadou wiegen schwer. Letzterer trainiert inzwischen wieder mit der Mannschaft – er sollte zumindest in absehbarer Zeit wieder einsetzbar sein. Eine Verstärkung, die der Trainer dringend benötigt. Zumal mit dem Champions-League-Achtelfinale gegen Tottenham zwei weitere entscheidende Spiele auf die Mannschaft warten.
Fehlt das mentale Durchhaltevermögen?
Fehlende Spielkontrolle, schwache Verteidigung – mangelndes Durchhaltevermögen? "Wir haben angesprochen, dass Hoffenheim mit Wucht und Körpergröße kommen wir. Wir haben uns nicht mehr richtig gewehrt, nicht die Ruhe gehabt", analysierte Sebastian Kehl.
Auch Co-Trainer Terzic sprach auf der Pressekonferenz von einer "Mentalitätssache." Damit diese gefühlte Niederlage die Dortmunder nicht runterzieht mahnte Witsel: "Wir müssen jetzt positiv denken!"