Als Peter Bosz vor eineinhalb Jahren bei Borussia Dortmund aufschlug, eilte ihm sein Ruf als Offensiv-Fanatiker voraus. Entsprechend versprach der niederländische Trainer bei seinem Amtsantritt echten Sturm und Drang - und er hielt sich dran.
Bosz will Bailey zum Robben machen
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Sein ultra-offensives 4-3-3, das er aus seiner Zeit bei Ajax Amsterdam mitbrachte, erwies sich beim BVB allerdings als Bumerang. Bosz erlebte eine wahre Achterbahnfahrt und wurde trotz glänzenden Starts schon nach wenigen Monaten entlassen. Zu fehleranfällig hatte sich das System erwiesen, nachdem die Gegner es entschlüsselt hatten.
Nun versucht sich der 55 Jahre alte Coach auf seiner zweiten Bundesligastation bei Bayer Leverkusen - und die Frage lautet: Kann das dieses Mal klappen?
In den drei Testspielen unter seiner Verantwortung passte die Spielanlage der Werkself - allerdings hatten die Gegner kein Bundesligaformat. Siege gegen die niederländischen Erstligisten Twente Enschede (4:0) und PEC Zwolle (3:1), sowie gegen Drittligist Preußen Münster (4:2) lassen im Bayer-Umfeld dennoch Vorfreude auf den Rückrundenstart gegen Borussia Mönchengladbach am Samstag aufkommen (Bundesliga: Bayer Leverkusen - Borussia Mönchengladbach, ab 15.30 Uhr im LIVETICKER).
Bailey kommt aus dem Leistungsloch
Dabei wird aller Voraussicht nach auch ein Spieler zum Einsatz kommen, der in der gesamten Vorrunde nur noch ein Schatten seiner selbst war: Leon Bailey. Der sonst so gut gelaunte Jamaikaner, in der Vorsaison noch einer der Leistungsträger, wirkte unter Bosz-Vorgänger Heiko Herrlich nur noch wie ein Ritter der traurigen Gestalt.
Dass Bailey, der gegen Zwolle am Samstag einen Doppelpack erzielte, nun wieder glänzt, liegt auch an einem Kniff des holländischen Trainers: Er schickte den 21 Jahre alten Linksfuß auf den rechten Flügel und ist dabei, aus ihm eine Art Arjen Robben zu machen.
"Im modernen Fußball schießt nicht mehr nur der Stürmer die Tore", sagte Bosz nach dem Sieg gegen Zwolle. "Man sieht mehr und mehr, wie die Spieler von außen in die Mitte kommen und den Abschluss suchen. Das haben wir auch bei uns gesehen."
Für Bailey scheint die Position wie gemacht: Mit dem vielfach erprobten "Robben-Move" soll er von der rechten Seite nach innen ziehen und draufhalten. "Ich habe immer gesagt, dass meine beste Position auf der rechten Seite ist. Rechts fühle ich mich sehr wohl. Und wenn sich ein Spieler wohlfühlt, kann er eine Menge Dinge machen", freut sich der Flügelflitzer.
Bailey: "Ich mag diesen Spielstil"
Ähnliches gilt für sein Gegenüber Karim Bellarabi, der sich als Rechtsfuß auf der linken Außenbahn wiederfindet - und sich ebenfalls mit der neuen Position angefreundet hat. Während aber Bellarabi schon in der Hinrunde glänzte, soll die "Falschfuß-Taktik" auch seinen Flügelkollegen wieder in die Spur bringen.
Überhaupt: Bosz und Bailey - das scheint eine Symbiose zu werden, die nicht nur temporär funktionieren dürfte. "Ich kenne diesen Stil seit einigen Jahren, als der Trainer bei Ajax war. Ich mag diesen Spielstil", schwärmt Bailey.
Sein neuer Coach verspricht sich ebenfalls eine Menge - und stärkte Bailey von Anfang an den Rücken. "Er ist fit. Das ist wichtig", sagt Bosz. "Er hat in der ersten Saisonhälfte nicht alle Spiele gespielt, da wird es für sein Selbstvertrauen gut sein, dass er jetzt zwei Spiele gemacht hat. Und da helfen zwei Tore auch."
Weil sich der Trainer auch in Leverkusen treu bleibt, entbindet Bosz die vorderste Reihe in seinem 4-3-3-Systems weitgehend von defensiven Aufgaben. Die Folge: Fluch und Segen könnten wieder dicht beieinander liegen
Die Testspiele offenbarten bereits, dass der Bosz-Stil auch in Leverkusen riskant ist. Durch das hohe Verteidigen entstehen bei Ballverlusten schnell gefährliche Kontersituationen.
Die Antwort, inwieweit das Offensivspektakel dieses Mal ohne allzu große Reibungsverluste in der Defensive funktioniert, wird es in der anstehenden Rückrunde geben.