Für Sekunden war die ihm drohende Haftstrafe für Virgil Misidjan ganz weit weg. Der Niederländer feierte, nein zelebrierte in der Nachspielzeit sein erstes Bundesligator für den 1. FC Nürnberg mit erhobenen Armen und weit aufgerissenen Augen. 1:1 (0:1) beim selbsternannten Europa-League-Aspiranten Werder Bremen - das Ligadebüt des 25-jährigen im Weserstadion war sportlich ein voller Erfolg.
Misidjans Angst vor dem Gefängnis
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Aber der graue Alltag könnte den Mittelfeldspieler schneller einholen als ihm lieb ist, denn Misidjan muss mit vier Monaten Gefängnis rechnen. Im Mai wurde der Fußballprofi in seiner Heimat wegen Körperverletzung in erster Instanz zu einer sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt, nur zwei Monate davon auf Bewährung.
Die Franken kannten die problematische Vorgeschichte Misidjans, dennoch holte der Club die Offensivkraft Ende August für 2,5 Millionen vom bulgarischen Meister Ludogorez Rasgrad. Der FCN machte auch den Justizstreit öffentlich, wies aber darauf hin, dass sich der Spieler dazu nicht äußern werde.
Dies tat stattdessen Andreas Bornemann. "Es würde mich sehr wundern, wenn dieses Urteil Bestand hätte. Wir gehen davon aus, dass es in der nächsten Instanz anders ausfallen wird und Virgil ganz normal zur Verfügung steht", sagte der Sportvorstand des Aufsteigers nach der Verpflichtung Misidjans. Wann es zu einer Berufungsverhandlung kommt, ist noch unklar, bis dahin bleibt der Kicker auf freiem Fuß.
Schwere Vorwürfe gegen Misidjan
Bekannt ist aus dem ersten Prozess, dass Misidjan im Januar im niederländischen Roosendaal mit einem 68-Jährigen in Streit geraten war, weil er sein Auto vor dessen Grundstückseinfahrt geparkt hatte. Von wem die erste körperliche Attacke ausging und ob der Niederländer mit Wurzeln in Surinam möglicherweise zuvor rassistisch beleidigt wurde, darüber gab es widersprüchliche Zeugenaussagen.
Fakt ist, dass der Rentner wegen eines doppelten Knöchelbruchs, einer Ellenbogenverletzung und eines Herzversagens aufgrund einer Wundinfektion insgesamt vier Monate im Krankenhaus lag. Misidjan soll den Mann mehrmals getreten haben.
Zweifellos gravierende Vorwürfe, Bornemann mag sie bis auf Weiteres noch nicht an sich heranlassen: "Wenn man Virgil kennenlernt, fällt es einem schwer zu glauben, dass das passiert sein soll. Er hat eine Frau, ein kleines Kind, das zweite ist unterwegs. Er kümmert sich rührend um die Familie."