Altkanzler und Hannover-Aufsichtsratschef Gerhard Schröder reckte auf der Tribüne der Augsburger WWK Arena die Faust Richtung Himmel. Neben ihm beklatschte 96-Präsident Martin Kind in der 89. Spielminute den zweiten Treffer von Joker Niclas Füllkrug, der wenige Minuten später den etwas glücklichen 2:1 (0:1)-Sieg des Aufsteigers beim FC Augsburg bedeuten sollte. Dann klatschten sie einander ab (Das Spiel zum Nachlesen im Ticker).
Füllkrug lässt den Altkanzler jubeln
Nach der Partie drückte Kind drückte Matchwinner Füllkrug lächelnd an seine schwarze Daunenjacke. "Ich bin klitschnass", sagte der Boss von Hannover 96, "die erste Halbzeit war echt anstrengend - aber dann kam er." Er, das war Füllkrug, der das Spiel per Doppelpack (76./89.) gedreht hatte.
Füllkrug, in der 64. Minute eingewechselt, hatte eine erstaunliche Erklärung für seine ersten Bundesliga-Treffer seit Oktober 2012. "Der Schlüssel zu beiden Toren war, dass ich nicht nachgedacht habe", sagte er. Trainer Andre Breitenreiter lobte den 24-Jährigen. "Wir freuen uns alle sehr für ihn, weil er sehr fleißig ist und immer sehr hart arbeitet" - auch, wenn er seinen Startelfplatz wie am Samstag mal verliert (Spielplan und Ergebnisse der Bundesliga).
(Alle Highlights der Partie am Sonntag um 9.30 Uhr und 13.30 Uhr in Bundesliga Pur im TV auf SPORT1)
Das, meinte Sportchef Horst Heldt, sei wohl sogar positiv für "Fülle" gewesen. "Manchmal muss man einen Schritt zurück machen, um zwei nach vorne gehen zu können", sagte er: "Vielleicht war es für ihn wichtig, nicht von Anfang an in der Verantwortung zu stehen." Füllkrug betonte: "Ich war frei im Kopf, das war ausschlaggebend."
Dabei hatte nach vier Spielen ohne Dreier und katastrophalen 45 Minuten wohl nicht einmal mehr Kind zu hoffen gewagt, dass Hannover mit 15 Punkten den Anschluss an die Europacup-Plätze herstellen würde (Die Tabelle der Bundesliga).
Der Präsident an der Seite von Schröder über die lange schwache Vorstellung. Augsburg führte nach einer Bogenlampe von Michael Gregoritsch (33.) völlig verdient. Kind kaute Fingernägel, Schröder machte sich über 96-Torwart Philipp Tschauner lustig, der einen Abstoß ins Toraus (!) trat.
Umso ausgelassener bejubelten Kind und Schröder Füllkrugs Tore. "Er ist im Herzen ein Roter, sportlich wie politisch", sagte Kind, den schmeichelhaften Sieg solle man aber bitteschön "vernünftig beurteilen".
Umstellung zur Pause trägt Früchte
Schließlich habe 96 in der ersten Halbzeit "nicht viel richtig gemacht", (Heldt). Kapitän Tschauner sah 96 "ganz, ganz schlecht in den Zweikämpfen. Da hat ganz viel bei jedem Einzelnen gefehlt." Der "Schlüssel" zur Wende sei die Hereinnahme von Marvin Bakalorz (46.) und die damit verbundene Umstellung auf ein 4-2-3-1-System gewesen, sagte Heldt. Breitenreiter habe "mutige Entscheidungen getroffen", lobte er, auch mit den offensiven Wechseln.
Der entscheidende war der von Füllkrug, der sich mit einer kleinen Shoppingtour belohnen wollte. "Vielleicht kaufe ich mir ein paar Schuhe", sagte er grinsend. Die Kabinenparty bei fetten Beats hatte da bereits begonnen.
Augsburg seit vier Spielen ohne Sieg
Frust herrschte in Augsburgs Umkleide. "Nicht nur ich, die ganze Mannschaft ist stinksauer", sagte Trainer Manuel Baum über die unnötige Niederlage der seit vier Spielen sieglosen Schwaben. 99 Prozent reichten in der Bundesliga nicht, klagte er.
Kapitän Daniel Baier war "ratlos und sprachlos", Manager Stefan Reuter fand das 1:2 "wahnsinnig bitter". Dass Füllkrug den Ball vor dem 1:1 mit der Hand berührt hatte, tat ein Übriges. "So angefressen bin ich schon lange nicht mehr gewesen", sagte Baum.