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Diego Maradona: Wie er Neapel einte und die SSC Napoli zum Ruhm führte

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Diego Maradona: Wie er Neapel einte und die SSC Napoli zum Ruhm führte

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Warum Maradona Gaudinos Trikot wollte

Maradona verbringt seine besten Jahre in Neapel und eint die Stadt. Im restlichen Italien wird er zur Hassfigur. Heute vor zwei Jahren verstarb er nach etlichen Exzessen, die ihn über sein gesamtes Leben begleiteten. Ein Erlebnisbericht eines Neapolitaners.
Nach dem Tod von Argentiniens Fußball-Legende Diego Maradona, versammeln sich in Buenos Aires spontan tausende Menschen und trauern gemeinsam mit Fan-Gesängen um ihr Idol.
von Giovanni Cosentino

Mein Name ist Giovanni Cosentino. Ich wurde 1965 in Neapel geboren. Und mein Leben wäre ohne Diego Maradona anders verlaufen.

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Ich bin in einer Wohnung im Stadtteil Fuorigrotta aufgewachsen, nur zweihundert Meter von der berühmten Curva B des Stadions San Paolo entfernt. Auf dem Platz vor der Fantribüne, direkt vor dem Eingang zu den Umkleidekabinen der Profis, spielten wir immer Fußball.

Es kam nicht selten vor, dass wir dabei Besuch von ein paar üblen Jungs bekamen, die uns den Ball stahlen, manchmal wurden wir von ihnen auch noch vermöbelt. Nicht nur das hatte 1984 schlagartig ein Ende.

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Maradona einte die Stadt

Ich war 19, als die SSC Neapel Maradona verpflichtete. Wenn er zum Training vorfuhr, war alles andere unwichtig. Wir hörten auf zu kicken, die bösen Jungs hatten Besseres zu tun, als uns zu ärgern.

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Gemeinsam rannten wir Maradonas Auto hinterher. Er fuhr einen Ferrari Testa Nera, jeder in der Stadt kannte diesen Wagen. Man hörte ihn bereits, wenn Maradona noch auf der Autobahn war.

Die Verehrung dieses Spielers, der bis 1991 für die Napoli auflief und damit die besten Jahre seiner Karriere bei uns verbracht hat, einte die Stadt fortan auf wundersame Weise.

Maradona macht Neapel zum Top-Team

Das Stadion San Paolo ist ein städtisches mit einer Laufbahn um den Fußballplatz herum. Heute ist das schwer vorstellbar, aber mein Leichtathletikverein Amatori Atletica Napoli war einer der Klubs, die sich mit der SSC das Stadion teilten.

Während ich also meine Zeit über 2000 Meter – die fünf Stadionrunden waren damals meine beste Strecke – zu verbessern versuchte, trainierten die Profis auf der Rasenfläche in der Mitte. Und niemand störte sich daran.

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Mit Maradona wurde unser Klub auf einmal ein italienisches Topteam, das jeder sehen wollte. Ich hatte schon als Kind von meinem Vater eine Dauerkarte für die Curva B bekommen. Aber dass ich sie immer noch besaß, hieß nicht, dass ich immer den gleichen Platz sicher hatte. Vergiss es!

Wegen Maradona platzt Stadion aus allen Nähten

Sonntags – in Italien fanden damals alle Spiele um 15 Uhr statt – musstest du bis zu vier Stunden vor Anpfiff im Stadion sein, um dir einen guten Platz zu sichern. Manchmal drängten sich 90.000 oder gar 100.000 Zuschauer hinein, obwohl es für maximal 87.000 zugelassen war.

Heute fasst es gar nur mehr 55.000 Menschen. Da das sonntägliche Mittagessen – bei uns klassisch Lasagne oder Maccaroni al Forno – für Neapolitaner unverzichtbar ist, brachten es die Leute einfach mit ins Stadion, wo wir gemeinsam aßen und stundenlang sangen.

"Ho visto Maradona" ("Ich habe Maradona gesehen") gehörte genauso zu den Dauerbrennern wie "El Porompompero", eine Rumba des spanischen Sängers Manolo Escobar aus dem Jahr 1962. Die wurde uns dann allerdings irgendwann verboten.

Khvicha Kvaratskhelia zählt im Moment zu den aufstrebendsten Top-Talenten in ganz Europa. Der georgische linke Flügel vom italienischen Spitzenklub SSC Neapel, trumpfte schon in der Champions League gegen den FC Liverpool auf und ließ Top-Spieler wie Trent Alexander-Arnold oder Joe Gomez alt aussehen. Von vielen wird er schon "Kvaradona" genannt, als Anspielung auf die Neapel-Legende Diego Maradona.
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Top-Talent Khvicha Kvaratskhelia: Warum er an Legende Diego Maradona erinnert

Wenn das ganze Stadion das Stück inbrünstig schmetterte, vibrierte nicht nur die Tribüne. Es gingen in den umliegenden Häusern tatsächlich Fensterscheiben zu Bruch. Napoli hatte damals das unbestritten beste Publikum.

Es gab nie Gewalt im Stadion, es war ein einziges großes Miteinander. Neapel war eine Stadt mit vielen Problemen. Aber Diego Maradona und seine Mannschaft ließen sie vergessen.

Napoli gewinnt Meisterschaft dank Maradona

Als er im Jahr nach dem WM-Triumph mit Argentinien tatsächlich auch noch den Scudetto in die Stadt holte, feierten wir eine Woche lang auf den Straßen und wussten nicht wohin mit unserem Glück. Endlich waren wir, war Neapel, wichtig in Italien. Und der bekannteste Fußballer, ach was, der berühmteste Mensch des Planeten, war einer von uns.

Damals jobbte ich während des Studiums als Kellner, um meine Kasse aufzubessern. Das Ciro a Mergellina war und ist auch heute noch ein Luxus-Restaurant im touristischen Hafen Neapels, einem der schönsten Orte der Stadt. Hier begegnete ich den SSC-Spielern häufig, auch Maradona und seine Frau waren häufig zu Gast.

Er war ein extrovertierter Typ, die Menschen liebten das. Als er uns 1989 auch noch den UEFA-Cup-Sieg bescherte, war er endgültig gottgleich.

Diego Maradona im Trikot des SSC Neapel
HAMBURG, GERMANY - AUGUST 13:  Freundschaftsspiel 1987, Hamburg; Hamburger SV - SSC Neapel; Diego MARADONA/Neapel  (Photo by Bongarts/Getty Images)
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Maradona bei UEFA-Cup-Triumph von Gaudino beeindruckt

Im Finale hatte nach einem 2:1 im Hin- und einem 3:3 im Rückspiel der VfB Stuttgart unter anderem mit Jürgen Klinsmann das Nachsehen.

Maradona aber war von einem anderen Spieler beeindruckt. Das erfuhr ich, als ich nach den Endspielen als Kameramann zu einem Interviewtermin mit Maradona mitgehen durfte. Er absolvierte ein Boxtraining, und zwar in einem VfB-Trikot mit der Nummer elf.

Maurizio Gaudino hatte Stuttgart im Hinspiel mit einem Fernschuss aus fast 40 Metern in Führung gebracht. Nach unserem 2:1-Erfolg war Maradona zu ihm gegangen und hatte gesagt: "Wir haben zwar gewonnen, aber du warst mit Abstand der beste Spieler auf dem Platz. Ich möchte gerne dein Trikot haben." Was für eine Ehre für Gaudino!

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Maradona wird im WM-Finale zu Italiens Hassfigur

Nach dem Europapokalsieg ließ es Maradona zunächst ein wenig schleifen. Er war inzwischen so populär, dass er tagsüber nicht mehr sein Haus verlassen konnte, ohne gleich eine spontane Gefolgschaft von tausend Menschen um sich herum zu haben. Raus konnte er nur noch nachts. Doch da gab es ansonsten nur noch zwielichtige Gestalten und Discos. Er geriet fast zwangsläufig an die falschen Leute.

Umso erstaunlicher, dass er sich im Frühjahr 1990 – die WM in Italien schon im Blick – zu einer erneut fantastischen Form aufschwang, die der SSC den zweiten Meistertitel seiner Zeit einbrachte. Alle liebten Diego – bis zum 3. Juli 1990. Da stieg im San Paolo das WM-Halbfinale zwischen Italien und Argentinien. Maradonas Mannschaft setzte sich nach einem Krimi mit 5:4 nach Elfmeterschießen gegen eine ganz starke Squadra Azzurra durch.

Und ganz Italien hasste Neapel. Sie machten uns zum Vorwurf, dass wir nicht mit Italien, sondern mit Maradona gehalten hätten. Und ja, ich war für Diego. In Italien sagt man "Il cuore non si comanda" – man kann dem Herzen nichts befehlen. Das ist nicht nur in der Liebe so. Mit dem Herzen war ich damals bei Maradona.

Maradona-Absturz nach WM-Finale 1990

Er wurde in der Folge zum italienischen Feindbild, beim Finale gegen Deutschland war das ganze Land auf Seiten der Deutschen. Maradona hat sich von diesem Liebesentzug in Neapel nicht nur sportlich nicht mehr erholt. Drogenmissbrauch, Verbindungen zur Camorra, Seitensprünge, ständige Polizeieinsätze an seinem Haus folgten. Maradona war damals eine große Telenovela, ehe er 1991 nach einem Kokainfund in seinem Urin weltweit für 15 Monate wegen Dopings gesperrt wurde und Neapel verließ.

Ein Jahr später kam ich nach München, seit 1993 berichte ich zunächst für das DSF und dann für SPORT1 von der Serie A. Dazu wäre es ohne Diego Maradona nicht gekommen. Er hat nicht immer den geraden Weg gewählt, aber er hatte ein gutes Herz. Dass ihn nun die ganze Fußballwelt würdigt und der Hass von 1990 vergessen ist, macht mich als Neapolitaner stolz und glücklich. Er hat unsere Stadt leuchten lassen.