Rechnungen, Bewerbungen, Prospekte und viele ausgedruckte Mails: Der Schreibtisch von Silvio Meißner ist voll mit Papierkram.
So hilft Ex-Profi Meißner Schwachen
Der 46-Jährige hat dennoch seine gute Laune nicht verloren. Im Gegenteil. Das neue Leben gefällt dem ehemaligen Fußball-Profi, der unter anderem für den VfB Stuttgart und den 1. FC Kaiserslautern spielte. Seit Anfang des Jahres leitet Meißner seine eigene Firma "Die Alltagsbegleiter" und geht im neuen Job völlig auf. Meißner kümmert sich im Saarland um hilfsbedürftige und kranke Menschen.
Sein Freund Jens Krieger, ein früherer Amateurspieler des 1. FC Kaiserslautern, brachte ihn auf die Idee. "Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich das mache. Doch es gibt so viele Menschen, die Hilfe brauchen, manche wollen einfach nur zum Arzt gefahren werden", sagt Meißner im Gespräch mit SPORT1. Er habe "reingeschnuppert und gewusst, dass das eine super Sache ist."
"Gewusst, dass es eine super Sache ist"
Für Meißner, 2007 mit dem VfB Deutscher Meister, ist es ein neues Leben. Er spürt, dass es wichtig ist, was er macht: "Es ist schon krass in Deutschland, wie ältere Menschen leben und wie sie wohnen. Wie sich der Tagesablauf bei manchen Menschen gestaltet, ist einfach nur erschreckend. Wir helfen den Leuten, und sie sind sehr dankbar dafür. Und das macht auch noch sehr viel Spaß."
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Früher bestimmten Training und Spiele Meißners Alltag - heute dominiert ein anderer Tagesrhythmus.
Dazu gehören zum Beispiel Hausbesuche am Morgen. "Ich mache die Ersttermine, frage, was die Patienten brauchen und nach Notfallnummern, damit wir schnell helfen können, wenn etwas ganz Dringendes anliegt", erklärt Meißner.
Der älteste Kunde ist 99 Jahre alt
Sein Team besteht aus 17 bis 20 Mitarbeitern. Der tägliche Austausch mit seinen Mitarbeitern läuft über eine WhatsApp-Gruppe. "Manchmal höre ich auch 14 Tage gar nichts von meinen Leuten. Doch die wissen, was sie draußen machen müssen. Sie können sich selbst die Zeit einteilen", sagt Meißner.
"Die Alltagsbegleiter" betreuen Menschen ab Pflegestufe I, die Hilfe bei alltäglichen Belangen benötigen. "Der älteste Kunde bei uns ist 99 Jahre alt, er ist noch fit. Er kann auch mit einem Handy umgehen. Für ihn gehen wir einkaufen", erzählt Meißner.
Die Krankenkassen übernehmen 125 Euro im Monat als Entlastungsbetrag, was viele gar nicht wissen. "Darüber finanzieren wir uns. Es ist eine gute soziale Sache", findet Meißner.
Abrechnung mit dem modernen Fußball
2008 hatte er mit dem Fußballspielen aufgehört, arbeitet heute nebenbei noch als Berater. Meißner betreut zwei Spieler, einer spielt in der Oberliga beim VfB, der andere in Halle.
Die grundsätzlichen Mechanismen des Fußballgeschäfts sieht Meißner inzwischen sehr kritisch, es gehe nur noch ums Geld: "Es werden Ablösesummen und Gehälter gezahlt, mit denen ein normaler Mensch gar nicht umgehen kann. Der Hype ist zu groß."
Es gebe "zu viele Machenschaften", sagt Meißner und fügt hinzu: "Wenn viele Fans wüssten, was hinter den Kulissen abläuft, dann weiß ich nicht, ob sie noch ins Stadion gehen würden. Das ist für mich keine Normalität, sondern fernab des realen Lebens."
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Sein jetziges Betätigungsfeld seit Januar macht ihn umso froher: "Es gibt jeden Tag viel Dankbarkeit für sinnvolle Arbeit."
Bedrückendes Erlebnis
Ein bedrückendes Erlebnis hat sich in Meißners Gedächtnis eingebrannt. Ein älterer Mann, dessen Frau im Krankenhaus lag, rief ihn an und bat ihn darum, Einkäufe zu erledigen.
"Ich habe ihm gesagt, dass es meine Mitarbeiter machen werden, er der Mann bestand aber darauf. Also bin ich zu ihm gefahren und habe den Kühlschrank kontrolliert - der war leer." Meißner schaute anschließend noch in die Schränke - und fand verschimmeltes Brot. "Er hatte eine Woche nichts zu essen gehabt", sagt Meißner: "Wir haben ihm dann sofort geholfen." Heute wird der Mann durchweg von den "Alltagsbegleitern" betreut.
"Nur gesund machen können wir leider nicht"
Der Bedarf, solchen Menschen zu helfen, sei in Deutschland "riesengroß", so Meißner - Tendenz steigend. "Die Menschen werden immer älter und wollen zu Hause wohnen. Sie wollen nicht ins Heim."
Mit SPORT1 besuchte Meißner auch den demenzkranken Horst Zingraf. Der frühere Torwart des 1. FC Saarbrücken war in der Saison 1972/73 als Trainer der Saarländer auch Nachfolger von Otto Rehhagel.
"Herr Zingraf ist ein Freund, der noch fit ist und auf uns aufmerksam wurde. Wir unterstützen ihn gemeinsam mit seiner Frau", erklärt Meißner.
Auch wenn er den Fußball schon noch verfolgt und auch regelmäßig ins Stadion geht - eins hat Meißner durch seinen Job verinnerlicht: Es geht auch ohne Fußball.
"Nur gesund machen", sagt Meißner und spürt sein ehrliches Bedauern, "können wir leider nicht."