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Kickers Offenbach, Aachen und Co.: Der Überlebenskampf der Kult-Klubs

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Kickers Offenbach, Aachen und Co.: Der Überlebenskampf der Kult-Klubs

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Der Überlebenskampf der Kult-Klubs

Klubs wie die SG Wattenscheid haben eine große Tradition, stehen finanziell aber immer wieder mit einem Bein im Insolvenz-Grab. Wie kann das passieren?
Der 1. FC Kaiserslautern, Kickers Offenbach und Alemannia Aachen: Traditionsklubs, die zu kämpfen haben
Der 1. FC Kaiserslautern, Kickers Offenbach und Alemannia Aachen: Traditionsklubs, die zu kämpfen haben
© SPORT1-Grafik.
Carsten Arndt
Carsten Arndt

Frankfurter Waldstadion. Ein denkwürdiger Tag im Sommer 1974.

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Winnie Schäfer trifft nach 19 Minuten zum 1:0 für Kickers Offenbach. Später sind unter anderem Erwin Kostedde und Siggi Held für den OFC erfolgreich. Die Zuschauer trauen ihren Augen nicht.

Ein 6:0 gegen den FC Bayern München. Gegen Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller und Uli Hoeneß - alle waren sie dabei, allesamt Weltmeister.

45 Jahre später ist Kickers Offenbach in der Viertklassigkeit angekommen. Regionalliga Südwest statt Bundesliga. Eintracht Stadtallendorf statt FC Bayern.

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Traditionsklubs in Schieflage

"In zwei Jahren, zu unserem 120. Geburtstag wollen wir gerne wieder im Profi-Fußball, also der Dritten Liga sein", erzählt OFC-Geschäftsführer Christopher Fiori im Gespräch mit SPORT1.

Wie zahlreiche andere ehemalige Bundesliga-Klubs mit großer Historie kämpfen die Kickers in den Niederungen des Fußballs um eine sportliche Renaissance - und ums Überleben.

Einigen Teams wie Dynamo Dresden oder Fortuna Düsseldorf gelingt die Auferstehung, andere bangen Jahr für Jahr um ihre Existenz.

Die SG Wattenscheid, der Wuppertaler SV oder der 1. FC Kaiserslautern sind die aktuellsten Beispiele. Alemannia Aachen oder Rot-Weiss Essen hat die Insolvenz schon vor einiger Zeit erwischt. Doch wie kann es überhaupt so weit kommen?

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OFC-Geschäftsführer Christopher Fiori (r.) mit Manager Seah Mehic (l.) und Trainer Daniel Steuernagel
OFC-Geschäftsführer Christopher Fiori (r.) mit Manager Seah Mehic (l.) und Trainer Daniel Steuernagel

Leben in der Vergangenheit

Viele Klubs haben in naher und ferner Vergangenheit zu spät erkannt, dass Tradition allein nicht für sportlichen Erfolg bürgt. Bleibt dieser aus, sind entsprechende Vorkehrungen nur rudimentär bis gar nicht getroffen worden. Die Abwärtsspirale beginnt.

Krampfhaft wird an der Vergangenheit festgehalten, die Seele des Vereins vergessen. Nicht selten wird finanziell ein exorbitant hohes Risiko eingegangen.  

"Alle wollen an die fetten Fleischtöpfe. In der Dritten Liga sind es 1,1 Millionen Euro an TV-Geldern, in der Zweiten dann schon an die 10 Millionen. Das lässt schon den einen oder anderen in die Unvernunft abgleiten", erklärt Fiori.

"Die Sehnsucht nach früheren Erfolgen führt dazu, dass Vereine Fehler machen und zu schnell zu viel wollen. Wir sind jetzt das sechste Jahr in der Regionalliga. Da besteht irgendwann die Gefahr, dass man unvernünftig wird und das Ganze implodiert."

Stadion wird zum Klotz am Bein

Eine verfahrene Situation, der oftmals gravierende Misswirtschaft vorausging. Im Glauben an den dauerhaften Erfolg wurden Stadien für eine Menge Geld modernisiert oder gar neu gebaut.

Arenen, die sich eher an der historischen Bedeutung des Klubs und weniger an den tatsächlichen Bedürfnissen des Klubs orientierten.

Bei Alemannia Aachen, zum Zeitpunkt der Ausschreibung nach 36 Jahren wieder in die Bundesliga aufgestiegen, avancierte der neue Tivoli in Rekordzeit zur bekanntesten Problemimmobilie der Stadt. Heute verlieren sich in der Regionalliga West im Schnitt 5.180 Zuschauer auf den 32.960 Plätzen.

Der 1. FC Kaiserslautern erhöhte die Zuschauerkapazität des Fritz-Walter-Stadions, das im Besitz der Stadt Kaiserslautern ist, im Zuge der WM 2006 von 38.000 Zuschauern mal eben auf 49.850 Plätze.

In dieser Spielzeit war Lauterns Heimstätte in der Hinrunde der Dritten Liga nur zu 46,8 Prozent ausgelastet. Und die Miete ist ein Grund dafür, warum der FCK vor einem finanziellen Scherbenhaufen steht.

Nicht zuletzt dank des neuen Ausrüstervertrages mit Nike sehen die Roten Teufel wieder Licht am Ende des Tunnels.

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Erwartungshaltung führt zu Fehlern

Auch der OFC ist nur Gast im eigenen Stadion. Die Miete fließt an die Stadiongesellschaft Bieberer Berg, eine hundertprozentige Tochter der Stadtwerke Offenbach Holding GmbH.

"Wir haben tolle Vermarktungsmöglichkeiten, Logen und Businessbereiche. Aber wir haben auch viel höhere Kosten als einige Mitbewerber. Das ist Fluch und Segen zugleich", berichtet Fiori.

Seit November 2016 ist der 38-Jährige in Offenbach tätig. Nur wenige Monate zuvor hatte der Klub, für den unter anderem Rudi Völler, Dieter Müller oder die Kremers-Zwillinge aufliefen, zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren einen Insolvenzantrag gestellt.

Aktuell haben sich die Kickers finanziell stabilisiert. Nun gilt es, den Verein behutsam Stück für Stück voranzubringen. Nicht ganz einfach, bei den hohen Erwartungen.

"Je traditionsreicher ein Verein ist, desto schwieriger ist das Umfeld. Bleibt der Erfolg aus, haben die Fans keine Lust mehr, Sponsoren haben keine Lust mehr und es dümpelt alles vor sich hin. Das führt dazu, dass zu viel Risiko eingegangen wird", erläutert Fiori, der zuvor beim FSV Frankfurt tätig war.

Mäzene als notwendiges Übel

Nicht selten besteht jenes Risiko laut Fiori darin, sich einem potenten Geldgeber zu öffnen.

"Die meisten Vereine können in diesen Spielklassen nur überleben, wenn sich jemand stark engagiert. Anders ist es nahezu unmöglich, einen Etat für eine Top-Mannschaft in der Regionalliga von zwei Millionen Euro auf die Beine zu stellen. So etwas finanziert sich nicht mit normalen Sponsoren."

Lange Jahre hatte der OFC mit Horst Jung von Portas einen solchen Gönner. Auch die ehemaligen Bundesligisten Waldhof Mannheim mit dem ehemaligen Kosmetik-Unternehmer Bernd Beetz oder der 1. FC Saarbrücken mit Unternehmer Hartmut Ostermann, beide direkte Konkurrenten der Offenbacher in der Regionalliga, fahren gut damit und drängen mit Macht auf die Rückkehr in den Profi-Fußball. Andere Klubs haben weniger Glück.

"Die Gefahr ist natürlich immer, dass man sich in eine Abhängigkeit begibt. Geht es schief, gibt es den großen Knall", warnt Fiori.

MIROSLAV KLOSE: Vor seinem großen Durchbruch kickt Miroslav Klose in der vierten Liga bei Homburg. 1999 wechselt er zum 1. FC Kaiserslautern, wo seine Karriere Fahrt aufnimmt. 2014 krönt er sie mit dem WM-Titel
ANDREAS BREHME: Auch der 1. FC Saarbrücken hat seinen eigenen Weltmeister. In der Saison 1980/81 kickt Brehme im Saarland, ehe er ins nicht weit entfernte Kaiserslautern wechselt. 1990 schießt er Deutschland im Finale gegen Argentinien per Elfmeter zum WM-Titel
RODOLFO ESTEBAN CARDOSO: 1990 verpflichtet Homburgs Präsident Manfred Ommer das Talent vom argentinischen Klub Estudiantes. Den Durchbruch schafft Cardoso aber erst nach seinem Wechsel zum SC Freiburg, mit dem er die Bundesliga aufmischt. Später spielt er zudem für Bremen und den HSV in der Bundesliga
WERNER LORANT: 1977 steigt Lorant mit Rot-Weiß Essen aus der Bundesliga ab. Aufsteiger Saarbrücken holt den Mittelfeldmann, erweist sich aber als kein gutes Pflaster. Auch für den FCS geht es mit dem Fahrstuhl nach unten. Für Lorant ist es bereits der dritte Abstieg der Karriere
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Saarbrücken und Homburg als Wiege der Stars

Trotz all der Bedenken sieht er aber kaum eine andere Möglichkeit, um sich mittelfristig wieder nach oben orientieren zu können.  

"Grundsätzlich ist es ein Bestreben von uns, jemanden von außen mit ins Boot zu holen. Wir sind zwar stabil und haben von Sponsoren und Zuschauern her eine gute Basis. Aber um nochmal wirklich nach oben aufzuschließen, wäre das für uns schon sehr wichtig."

Muss sich der DFB hinterfragen?

Dass sich diverse Klubs der Dritten Liga und der Regionalligen beinahe gezwungen sehen, ihre Unabhängigkeit aufzugeben, schreibt Fiori auch dem DFB zu.

"Was in Wuppertal oder Wattenscheid passiert, sollte ein Warnsignal für den Fußball in Deutschland sein. Der DFB stellt es ja immer so dar, dass die Vereine selbst schuld sind. Das ist mir zu einfach. Die Bedingungen sind auch verdammt schwierig."

Ist man erst einmal in der Regionalliga angekommen, gibt es keinerlei fixen TV-Einnahmen mehr. Da die Klubs in der Regel keinerlei Rücklagen haben, kann selbst die kleinste Abweichung in der Kalkulation schnell eine große Wirkung entfachen.

"Es gibt Fälle, in denen sich ein Verein sich mit einem Sponsor einig ist und der sagt in letzter Minute ab, obwohl aus diesem Grund vielleicht schon mit einem Spieler verlängert wurde. Das muss nicht immer zum Exitus führen, kann aber dramatische Folgen haben", erklärt Offenbachs Geschäftsführer.

Bei der SG Wattenscheid haben sie dem Sensenmann in letzter Minute noch einmal die Tür gewiesen.

Dank einer Finanzspritze des Aufsichtsratsvorsitzenden und Gönners Oguzhan Can - und dank rund 150.000 Euro, die treue Fans des Klubs über eine Crowdfunding-Aktion spendeten. Auch in Wuppertal sieht es gut aus, dass via Crowdfunding bis zum 19. Januar die benötigten 100.000 Euro zusammenkommen.

Liebe und Tradition kennen eben keine Liga.