Oliver Kahn hat seinen früheren Nationalmannschaftskollegen Per Mertesacker vor dem Champions-League-Rückspiel zwischen Besiktas Istanbul und dem FC Bayern München in Schutz genommen.
Kahn: "Keiner will Schwäche zeigen"
Der "Titan" stimmte den Aussagen von Mertesacker aus dem Spiegel-Interview zu und widersprach der Kritik von Lothar Matthäus.
"Mich haben die Aussagen überhaupt nicht überrascht. Was mich nur überrascht, ist, dass es nur wenige solcher Aussagen gibt", sagte Kahn im ZDF.
Und weiter: "Man merkt den Druck den Spielern nicht an, denn sie wollen es natürlich größtenteils verstecken. Denn in diesem Geschäft will keiner eine Schwäche zeigen. Oder sich eine Blöße geben. Und deswegen wird das solange verdrängt, bis – und das ist jetzt bei Per Mertesacker der Fall – das Karriereende naht. Und dann kommen diese ganzen Dinge, die verarbeitet werden müssen, hoch."
Kahn: "Mich hat man zu der Zeit immer belächelt"
Der ehemalige Bremer und heutige Arsenal-Spieler hatte mit seinen Äußerungen zum Thema Druck im Profifußball ein starkes Echo ausgelöst. Auf Nachfrage, ob der TV-Experte das nachempfinden könne, da er sich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt hat, stimmte Kahn voll und ganz zu und verriet, wie er damit umging:
"Ich kann das absolut nachvollziehen. Mich hat man zu der Zeit immer belächelt, wenn ich dieses Wort Druck in den Mund genommen habe."
Er habe sich sich in den 14 Jahren beim FC Bayern München damit tagein tagaus beschäftigt:
"Wie kann ich den Ansprüchen von außen, die an mich gestellt werden, aber auch - ganz wichtig - meinen eigenen Ansprüchen im Zwei-, Drei-Tage-Rhythmus mit Champions League und Nationalmannschaft genügen? Und wie kann ich dem gerecht werden? Das ist sehr wichtig und deswegen kann man auch darüber sprechen, wenn man merkt, dass man mit den Anforderungen Probleme hat. Sich Hilfe zu holen und an Bewältigungsstrategien zu arbeiten, wie man mit den Ansprüchen umgehen kann, ist unerlässlich."
Des weiteren monierte der 48-Jährige, dass diese Thematik "in Deutschland immer noch stiefmütterlich behandelt wird". "Das sind Themen, die nicht nur zum Fußball gehören, sondern zu jedem anderen Beruf auch. Wie kann ich den Anforderungen meines Berufes gerecht werden? Das sind Fragen, die wir uns alle immer wieder stellen müssen", so Kahn.
Kahn widerspricht Matthäus
Den kritischen Äußerungen von Matthäus, der nicht glaubt, dass Mertesacker nach dessen Beichte mit jungen Spielern zusammenarbeiten könne, widersprach Kahn:
"Ich sehe das total anders. Ich glaube, dass es gerade in der heutigen Zeit wichtig ist, dass man sich mit jungen Menschen auch in der Tiefe auseinandersetzt. Und gerade, wenn sie jung sind und sich entwickeln, ihnen genau darüber etwas mitgeben zu können. Wenn jemand reflektionsfähig ist wie Per Mertesacker, zeigt das, dass er nachdenken kann."
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