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TimKalation über das FIFA-Momentum

In seiner Kolumne beleuchtet TimKalation alle Facetten des angeblichen FIFA-Momentums, wie Spieler damit umgehen sollten und weshalb eine solche Mechanik unlogisch wäre.
Für TimKalation befinden wir uns gerade in der heißesten Phase des FIFA-Kalenders
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© TimKalation / EA Sports / SPORT1

Momentum, Scripting, DDA (Dynamic Difficulty Adjustment) oder einfach "EA wollte nicht, dass ich gewinne!". Sie alle bezeichnen dasselbe, nämlich das Gefühl, dass man unfair verloren hat und dass bei einem selbst nichts und beim Gegner alles funktioniert. Es gibt allerdings einen gravierenden Unterschied in der Bewertung der Ursache der Niederlage. Und schon sind wir mittendrin in der heißesten Diskussion des FIFA-Gameplays seit… schon immer.

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Momentum - mehr als nur ein Gefühl?

Greift das Spiel aktiv ein, um einen Spieler zu bevor- und den anderen zu benachteiligen? Das Gefühl kann man schnell gewinnen. Unausgewogene Spielmechaniken, Server die launischer als eine Diva ohne Schokoriegel sind und am Ende ist es ein Ball, mit dem wir spielen und der verhält sich nun einmal wie… ein Ball. Dazu kommt die psychische Belastung während eines Spiels, bei dem es vielleicht um den nächsten Rang geht und das Handling der Spielmechanik, Server etc. – ich erwähnte bereits, was alles mit einfließt. Gekrönt wird das Ganze noch von Ohnmacht, die einen ereilen kann; weil die CPU-Mitspieler mit den Gedanken schon in der dritten Halbzeit zu sein scheinen und wir kaum etwas dagegen tun können, da wir nun mal von elf Spielern nur einen gleichzeitig steuern. Naja, gut, sagen wir eineinhalb, mit den beschränkten Möglichkeiten einem zweiten Spieler Anweisungen zu geben.

Wenn wir all das berücksichtigen, sind wir noch immer nicht am Ende der Unwägbarkeiten. Denn nun kommt die Varianz ins Spiel. Varianz? Das ist doch nur eine weitere Bezeichnung der Bevor- oder Benachteiligung eines Spielers! Nein. Varianz bezeichnet die fix definierte Streuung von Ergebnissen bei immer gleichen Eingaben. Was bedeutet dies? Man kann einhundertmal von derselben Position auf das Tor schießen. Mit demselben Spieler, gegen denselben Torhüter. Mit den exakt selben Eingaben. Und es wird nicht einhundertmal dasselbe Ergebnis herauskommen.

Wie im wahren Fußball. Oder trifft Cristiano Ronaldo aus bestimmten Positionen immer zu 100% das Tor? Nein. "Doch! Aus 10 Zentimetern Entfernung immer!". Es geht um normale Spielsituationen. Diese variablen Ergebnisse von Aktionen sind wichtig, damit es sich wie Fußball anfühlt. Und nicht wie Roboterball. Wäre FIFA tauglicher für eSports, wenn das Ergebnis immer dasselbe ist? Auf jeden Fall. Würde es Spaß machen, wenn man nach Aktionen nicht mehr erleichtert jubeln kann? Sei es der Siegtreffer in der 92. Minute oder eben die Glanzparade des eigenen Torhüters? Das ist fraglich.

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Varianz. Ein wichtiger Aspekt, wenn wir über Skillgap sprechen. Also einfach ausgedrückt: Der Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Spieler und die daraus resultierende Wahrscheinlichkeit, dass der bessere Spieler gewinnt. Warum ist dies ein wichtiger Aspekt?

Ein guter Spieler versucht jederzeit die Varianz bestmöglich zu reduzieren, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen: Der Schuss geht in das Tor. Der Pass kommt an. Der Ball wird erobert.

Dazu muss man aber wissen, was alles die Leistung der Spieler auf dem Platz beeinflusst. Beispiele gefällig? Also los: Die Höhe des Wertes der für die Aktion durchgeführten relevanten Fähigkeiten, die Nähe des Gegners und der dadurch ausgeübte Druck, die Ausrichtung des Spielers, die Anzahl der Ballkontakte vor der Ausführung, die Geschwindigkeit des Spielers vor der Ausführung, die verbleibende Kondition, die generelle Eingabe am Controller und so weiter.

Alles schön und gut. Es bleibt aber häufig das Gefühl zurück, dass man unverdient verloren hat. An Momentum, Scripting und Co. muss also doch was dran sein? Man fühlt das doch. Die Beurteilung der eigenen FIFA-Fähigkeiten, meist in einem emotionalen Zustand nach einer knappen Niederlage, stelle ich vorsichtig in Frage.

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Weshalb ein FIFA-Momentum unlogisch ist

"Aber Profis verlieren manchmal gegen Goldspieler! Das kann ja wohl nicht sein!"

In den allermeisten Fällen gewinnt der Profi gegen den Goldspieler. Genauso wie Bundesligisten in den meisten Fällen gegen Amateurvereine im Pokal weiterkommen. In den meisten Fällen. Nicht immer. Selektive Wahrnehmung, da es natürlich eine kleine Sensation ist, wenn der Profi (Bundesligist) gegen den Goldspieler (Amateurverein) verliert, rundet das Empfinden ab. Die regelmäßigen 30-0 in der Weekend League werden als Standard hingenommen.

Okay. Aber selbst, wenn dies nun alles so ist, ist es aber doch "logisch, dass EA SPORTS den schlechten Spieler mal gewinnen lassen will, damit dieser nicht die Lust am Spiel verliert!". Was auf den ersten Blick nachvollziehbar wirkt, verliert bei näherer Betrachtung aber jede Validität. Völlig außer Acht gelassen wird nämlich der bessere Gegenspieler, den das Spiel extra verlieren lässt. Denn, wo dem einen zum Sieg verholfen werden soll, frustriert man den anderen vollkommen. Wenn das große Ganze betrachtet wird und man sich einen Kuchen an Spielspaß vorstellt, der auf beide Spieler aufgeteilt werden soll, dann stellt man fest, dass das Stück unverdienter Sieg wesentlich kleiner ist und nicht wirklich schmeckt. Ein Mindestmaß an Selbstreflexion vorausgesetzt. Dazu gesellt sich der Spieler, der verlieren sollte, dessen Stück nicht nur winzig ist, sondern auch bitter schmeckt.

Ein verdienter Sieg belohnt die Beschäftigung mit dem Spiel, das Training und das an sich und seinen Fähigkeiten arbeiten. Ein großes Stück des Kuchens, der schmeckt. Der unterlegene Spieler kann an seinen Fehlern arbeiten und so immer besser werden. Und damit am Ende selbst häufiger ein großes, gut schmeckendes Stück Kuchen genießen. Engagement wird also auf beiden Seiten belohnt.

Klage wegen Scripting eingereicht

Aber genug von Kuchen; der Punkt ist sicher deutlich geworden. Am Ende muss das Spiel Spaß machen und sich fair anfühlen. Und da hat EA SPORTS mit Gameplay und Servern noch genug zu tun.

Zusätzlich psychologisch völlig unlogische Mechanismen einbauen, wäre konträr zum Ziel des höchstmöglichen Engagements der Spieler. Und Engagement mit dem eigenen Produkt ist das wichtigste überhaupt.

Okay. "Aber Goldteams werden in jedem Fall gepusht! Sieht man ja, wie TOTY Ronaldo das Tor nicht trifft und sein Lukas Podolski ganz entspannt!" Hallo? Wir sprechen über Lukas Pod… okay, Entschuldigung, da kam der Fan des 1. FC Köln in mir durch. Goldteams werden von EA SPORTS also bevorzugt. EA SPORTS, denen man an anderer Stelle unaufhörlich unterstellt, geldgierig zu sein, untergräbt also sein Geschäftsmodell des ULTIMATIVEN Teams, indem es dem Besitzer des Goldteams durch einen Push vermittelt, dass sein Team locker gegen das 20 Millionen Team reicht? Diese Unlogik muss ich jetzt nicht weiter ausführen, denke ich.

Im November 2020 war es dann so weit. Gegen EA SPORTS wurde Klage vor Gericht eingereicht. Der Vorwurf? Dass EA SPORTS in FIFA Scripting nutze, um den Verkauf von FIFA Points zu fördern. Damit war für viele klar; jetzt geht es ihnen an den Kragen und endlich kommt der Betrug ans Licht. Der unwiderlegbare Beweis wird erbracht werden und alle haben die Bestätigung, dass es Scripting, Momentum etc. in FIFA gibt. YouTuber brachten passende Videos heraus und alle waren gespannt auf den Ausgang des Verfahrens.

Diese Woche dann das Ergebnis. Die Klage wurde fallen gelassen. Was war geschehen? EA SPORTS öffnete sich den Klägern und legte detaillierte technische Informationen über FIFA, dessen Programmierung und der Spielmechaniken vor. Die Entwickler sprachen ausgiebig mit den drei Kaliforniern, die Klage eingereicht hatten und konnten die Vorwürfe entkräften.

Fall erledigt - Thema abgeschlossen?

Was nun? Die Reaktionen auf Social Media zeigen: Wer an Momentum und Scripting glauben will, wird dies auch weiterhin tun. Es gibt genügend Beispiele, dass Menschen verschlossen für Logik und fundierte Erklärungen sind, solange es ihnen selbst zum Vorteil gereicht. Andere sind dankbar für das Ergebnis und sagten, dass sie nun mit einer anderen Betrachtung an das Spiel herangehen möchten.

Diesen Ansatz begrüße ich; denn geht es am Ende nicht vor allem darum, Spaß mit dem Spiel zu haben? Ist dies nicht das wichtigste? Wieviel Spaß kann ein Spiel machen, bei dem man überzeugt ist, dass es einen betrügt?

Und EA SPORTS? Ich wünsche mir sehr, dass neben all den in der Vergangenheit getätigten Äußerungen von Entwicklern und die kleinen, schriftlichen Statements, dass die Mechaniken nicht im Spiel enthalten sind, nicht alles bleiben. Bitte veröffentlicht doch eine allumfassende Pitch Note, in der unter allen Gesichtspunkten die Thematik vollkommen verständlich aufgeklärt wird.

Dies würde vielen Spielern ein gutes Gefühl geben und den Weg zu mehr Spaß an FIFA ebnen. Zumindest den meisten.

Liebe Grüße

Tim