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Miracle on Ice: Wie ein Eishockey-Duell bei Olympia zum Mythos wurde

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Miracle on Ice: Wie ein Eishockey-Duell bei Olympia zum Mythos wurde

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Das Bern der Amerikaner

Am 22. Februar 1980 gelingt den USA eine Sensation. Das „Miracle on Ice“ ist die Grundlage für Olympiagold - und sorgt für einen Lichtblick in Krisenzeiten.
Am 22. Februar 1980 kommt es zum "Miracle on Ice"
Am 22. Februar 1980 kommt es zum "Miracle on Ice"
© Imago
von Denis de Haas, Tobias Wiltschek

Al Michaels hatte den Countdown gestartet. Der TV-Kommentator zählte die letzten Sekunden eines denkwürdigen Eishockeyspiels herunter. „Five seconds left in the game“, brüllte er in sein Mikrofon.

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Der US-Amerikaner Dave Silk kam an den Puck und schlug ihn nach vorne. Und dann stellte Michaels den ABC-Zuschauern eine rhetorische Frage: „Do you believe in miracles?“ Die Antwort gab er selber mit einem lauten „Yes“.

Was sich da am 22. Februar 1980 in Lake Placid abspielte, kennt jeder Eishockey-Fan unter dem Begriff "Miracle on Ice".

Das Wunder auf dem Eis vollbrachte vor 41 Jahren eine US-Auswahl, die aus unbekannten College-Spielern bestand. Sie schaffte es bei den Olympischen Winterspielen, das als übermächtig geltende Team aus der Sowjetunion zu besiegen.

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US-Präsident Carter empfängt Helden des "Miracle on Ice"

Der 4:3-Erfolg in der Finalrunde gilt als eine der größten Sensationen der Sportgeschichte. Zwei Tage nach dem „Miracle on Ice“ vergoldeten die USA den Sieg. Nach einem 4:2 über Finnland waren Namenlose auf einmal Olympiasieger. (NEWS: Alles zur NHL)

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In Deutschland drängen sich sofort Vergleiche mit der Fußball-Nationalmannschaft auf, die 1954 - 26 Jahre zuvor - sensationell Weltmeister wurde, nach einem 3:2-Finalsieg über den haushohen Favoriten Ungarn.

Die Eishockey-Mannschaft der USA wurde von Präsident Jimmy Carter im Weißen Haus empfangen. Als die Goldmedaillen-Gewinner durch die Straßen Washingtons zogen, wedelten die Menschen mit Fähnchen. Freudentränen flossen. (Spielplan und Ergebnisse der NHL)

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Die US-Bürger genossen diesen glückseligen Moment in einer ansonsten schwierigen Zeit. Das Land litt unter einer Energiekrise, die Benzinpreise lagen auf einem Rekordhoch. Eine Inflation machte der Bevölkerung zu schaffen. (ausgewählte Spiele der NHL LIVE im Free-TV auf SPORT1)

Parallelen zum „Wunder von Bern“

Auch hier sind Parallelen zum „Wunder von Bern“ unübersehbar. Die Elf um Fritz Walter und Helmut Rahn wurde in der Heimat nicht nur begeistert empfangen. Ihr Erfolg sorgte in der schweren Nachkriegszeit auch für einen Lichtblick und gilt bis heute als Symbol für den Neuanfang in Deutschland.

Die USA waren 1980 außenpolitisch in der Bredouille: Im Jahr zuvor hatten iranische Revolutionäre die Botschaft in Teheran gestürmt und dabei 52 US-Amerikaner als Geiseln genommen. Und an Weihnachten 1979 waren sowjetische Truppen in Afghanistan einmarschiert. Carter sah das als Affront und kündigte an, dass sein Land die Olympischen Sommerspiele 1980 in Moskau boykottieren werde.

Doch nun schauten die Sportfans zunächst nach Lake Placid. Im Bundesstaat New York spielten die zwölf besten Eishockeyteams der Welt die Medaillen aus.

Remis gegen Schweden, Sieg gegen Deutschland

Die USA galten bereits in ihrer Vorrundengruppe nur als Außenseiter. Doch nach einem Remis gegen Schweden sowie Siegen über die Tschechoslowakei, Norwegen, Rumänien und die Bundesrepublik Deutschland standen die Gastgeber in der Finalrunde.

Dort kam es direkt zum Duell der verfeindeten Großmächte. Es ging eigentlich nur darum, mit welchem Ergebnis die Sowjetunion gewinnen würde. Dave Anderson, Kolumnist der New York Times, räumte den USA nur eine Chance ein, wenn das Eis schmelzen würde.

Die Fakten sprachen auch klar für die „Sbornaja“. Die sowjetische Auswahl hatte bei den vergangenen vier Winterspielen die Goldmedaille gewonnen. Vor dem Turnier in Lake Placid gab es noch ein Testspiel im New Yorker Madison Square Garden. Die Sowjetunion fertigte die USA mit 10:3 ab. (SERVICE: Der Medaillenspiegel)

Das rote Trikot trugen damals durchweg Weltklassespieler: Da war Torwart Vladislav Tretjak, der sich den Spitznamen "Mann mit den 1000 Händen" verdient hatte. Boris Michailov, auch bekannt als die "Puckmaschine", führte die Mannschaft als Kapitän aufs Eis. Hinzu kamen Talente wie Sergej Makarov oder Vladimir Krutov.

Legende Tichonov steht an der Bande

An der Bande stand Viktor Tichonov. Der Trainer drillte ZSKA Moskau und die Nationalmannschaft zu Erfolgen. Es schien damals kein Mittel gegen Tichonovs läuferisch und technisch perfektes Spiel zu geben. (ausgewählte Spiele der PENNY DEL LIVE im TV auf SPORT1)

Doch der US-Trainer glaubte an den Sieg. Herb Brooks hielt in der Kabine eine emotionale Rede. „Ihr seid geboren, um Eishockeyspieler zu sein, das heute ist euer Moment“, sagte der Trainer. Die Russen seien reif, sie seien fällig, betonte Brooks.

Tim Stützle im SPORT1-Interview: So läuft es beim deutschen NHL-Rookie
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Die Mannschaft ging aufs Eis und machte dem Favoriten vom ersten Bully an das Leben schwer. Nach dem ersten Drittel stand es 2:2. Mark Johnson, ein Absolvent der University of Wisconsin-Madison, erzielte mit der Sirene den Ausgleich. Die Zuschauer in der Halle flippten aus. Der große Feind, der die Sowjetunion in ihren Augen damals war, wankte.

In der Pause wechselte Tichonov den Torwart. Zu Verwunderung der Zuschauer ließ er Tretjak auf der Bank. Vladimir Myshkin sollte den Sieg festhalten. Es kam aber anders.

Craig hält unter Schmerzen

Das lag in erster Linie am Torwart der USA. Jim Craig parierte einen Schuss nach dem anderen. Und das unter großen Schmerzen. Im zweiten Abschnitt verpasste Valeri Kharlamov dem Torwart einen Bodycheck. Craig dachte aber nicht daran, sich auswechseln zu lassen. Das zahlte sich aus: Außer beim zwischenzeitlichen 2:3 ließ er keinen Puck mehr durch.

Im Schlussdrittel glich Johnson erneut aus. Und dann kam Mike Eruzione. Der Kapitän zog ab. Myshkin sah den Puck zu spät. Es stand 4:3. Der Favorit war nun von der Rolle. "Mit jeder weiteren Minute wurden die Sowjets hektischer und wir immer sicherer. Als die letzten Sekunden vergingen, standen die Zuschauer längst auf ihren Sitzen", erzählte Eruzione später dem Spiegel.

Die Schlusssirene ertönte. "Als wir dem Gegner wie nach jedem Spiel an der Mittellinie die Hand gaben, sah ich ungläubiges Entsetzen in den Augen der Sowjets", schilderte Eruzione. Er stand zwei Tage später stellvertretend für sein Team ganz oben auf dem Siegerpodest. Eruzione rief seine Mitspieler zu sich. Und die College-Jungs stürmten auf ihren Teamkollegen zu – wie beim Siegtor.

Es war Eruziones letzter großer Jubel. Nach dem "Miracle on Ice" beendete der damals 25-Jährige seine Karriere. Seinen Finalschläger ließ er später versteigern. Ein Fan zahlte 2018 umgerechnet 236.000 Euro für das Sportgerät.

Brooks holt später noch mal Silber

Während Eruziones Karriere in Lake Placid endete, starteten einige Teamkollegen danach durch. Doppel-Torschütze Mark Johnson spielte noch zehn Jahre in der NHL. Auch Herb Brooks arbeitete später in der nordamerikanischen Profiliga. Für die Olympischen Spiele 2002 übernahm er wieder die Nationalmannschaft. In Salt Lake City holten die USA immerhin Silber. (News: Alle aktuellen Infos zu Olympia 2022)

Eineinhalb Jahre nach diesem Turnier kam Herb Brooks bei einem Autounfall ums Leben. Ihm zu Ehren wurden die Halle in Lake Placid umbenannt. Die Stätte seines großen Triumphes heißt nun „Herb Brooks Arena“.