Siege allein reichen ihm offenbar nicht mehr.
MvG - Demütigung ist sein Ziel
Bei dieser Darts-WM zeigt Michael van Gerwen ein ganz neues Gesicht. Er fegt seine Gegner nicht nur mit Averages jenseits der 100 von der Bühne, neuerdings jagt er ihnen auch im Anschluss noch verbale Giftpfeile in den Rücken.
Auch nach der Halbfinal-Demontage gegen Gary Anderson - seines Zeichens immerhin zweimaliger Weltmeister - legte MvG nach: "Ich habe ihn am Anfang wirklich zerstört. Er hatte keine Chance!"
Tatsächlich scheint "Mighty Mike" auf dem Weg zu seinem dritten WM-Titel unaufhaltsam, aber warum braucht der Niederländer plötzlich noch die totale Demütigung seiner Gegner? (Darts-WM: Finale Michael van Gerwen - Michael Smith ab 18.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 und im LIVESTREAM)
Van Gerwen polarisiert
Van Gerwen polarisiert mit seinen Grimassen und seiner ganzen Art auf der Bühne ohnehin, wie nicht zuletzt die vollkommen unangebrachte Bier-Attacke bei seinem WM-Auftakt gegen Alan Tabern zeigte.
Auch eine Aktion beim World Matchplay 2017 kam nicht so gut an. Damals schickte MvG seinem Landsmann Vincent van der Voort während seines Matches gegen Simon Whitlock eine Textnachricht: "Whitlock ist raus", van Gerwen führte zu diesem Zeitpunkt 8:2.
Die Retourkutsche gab es dann vom großen Phil Taylor, der nach seinem 16:6-Erfolg über den Rivalen zurücklederte: "Was soll das? Er ist ein übermütiger Typ. Er saß da und hat sich die Augen ausgeheult, er hat bekommen, was er verdient. Werde erwachsen!"
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Unglaubliche Erfolge auf der PDC-Tour
Die Nummer eins der Welt wird wohl – speziell im Darts-Mutterland England - nie ein Publikumsliebling vom Stile eines Peter Wright werden. (Darts-WM: Finale Michael van Gerwen gegen Michael Smith 21 Uhr im LIVETICKER)
Das liegt aber auch in der Natur der Sache. Ein Eddy Merckx wurde im Radsport eins als Kannibale gebrandmarkt und in Frankreich auf dem Rad in den Magen geschlagen.
Darts-Kannibale van Gerwen hat seit 2014 immer mindestens drei Majors gewonnen. Allein zwischen 2015 und 2017 waren es unglaubliche 20. In der Order of Merit liegt er mit doppelt so viel Preisgeld als der Zweitplatzierte auf Jahre uneinholbar in Führung, das ruft natürlich ein Stück weit Missgunst auf den Plan.
Parallelen zu Phil Taylor
Bei Phil Taylor war das nicht anders. Es gibt durchaus Parallelen zum Rekordweltmeister, zu dem van Gerwen ein angespanntes Verhältnis nachgesagt wird.
Auch Taylor ließ sich über die Jahre zum einen oder anderen Arroganz-Anfall hinreißen - wohl auch, um sich trotz seiner Dominanz weiter motivieren zu können.
Ähnlich liegt der Fall vielleicht auch bei van Gerwen. Siege allein oder Averages von "nur" 101 wie im Viertelfinale gegen Ryan Joyce reichen ihm nicht mehr. Da war es "Mighty Mike" schlicht "langweilig".
Spitze gegen Hopp
Auch Deutschlands Darts-Hoffnung Max Hopp bekam nach der Lehrstunde in Runde 3 noch sein Fett weg.
Er müsse eigentlich schon viel weiter sein, tönte van Gerwen. Dass Hopp mit MvGs Landsmann Jeffrey de Zwaan trainiert hatte, der van Gerwen 2018 zweimal schlagen konnte, gefiel dem Dominator offenbar nicht.
Darts-WM: MvG unerbittlich wie nie
Außerdem dürften van Gerwen die Bier-Episode und die 2018 häufiger auftretende Kritik an seiner Doppelquote genervt haben, schließlich holte er sich bei den UK Open, dem World Matchplay und der EM in Dortmund ungewohnt frühe Niederlagen ab.
Der 29-Jährige tritt bei dieser WM so unerbittlich wie nie auf. Er will der ganzen Welt beweisen, dass nur er der König des Darts-Universums ist. "Wenn ich mein bestes Spiel abliefere, gewinne ich 100 Prozent. So einfach ist das", sagt er über sich.
Van Gerwen dominiert die WM
Sein Anspruch ist es, die Lücke des großen Phil Taylor als Aushängeschild zu füllen. Dafür braucht er neben großen Siegen und weiteren WM-Titeln auch eine gewisse Aura.
Bei der WM 2019 zerlegt er die Gegner, wie es selbst Taylor selten hinbekam. Noch keiner gewann gegen ihn mehr als einen Satz, als einziger Spieler lag van Gerwen immer über 100 Punkten im 3-Dart-Average.
Ob er sich auf Dauer mit diesen Interviews einen Gefallen tut, wird sich zeigen. Finalgegner Michael Smith dürfte nach der Klatsche für seinen Mentor Anderson besonders heiß sein und den Alexandra Palace auf seiner Seite wissen.
Solange van Gerwen jedoch seine Gegner so dominiert, wird dem Darts-Kannibalen sein Beliebtheitswert egal sein.