Es hätte alles so schön sein können: Nach massiven Verstärkungen im Sommer wären die Dallas Mavericks voller Euphorie in die NBA-Saison 2015/16 marschiert, hätten im bärenstarken Westen Warriors und Co. herausgefordert, auf der Zielgerade von Dirk Nowitzkis Karriere viellleicht sogar noch mal um den NBA-Titel gekämpft.
In Dallas regiert das Prinzip Hoffnung
© SPORT1 Grafik: Philipp Heinemann/Getty Images
Doch es kam anders: Nach dem DeAndre-Jordan-Fiasko standen die Mavs vor den Scherben ihrer Offseason, die Playoffs schienen ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
Nachdem schon alle Topstars vom Markt waren, musste sich Dallas auf dem Wühltisch der Free Agency bedienen landete dort aber noch beachtliche Treffer.
Ausgerechnet zwei Gescheiterte sorgen jetzt zum Start in die Vorbereitungsspiele dafür, dass die Playoff-Hoffnungen in Big D trotz dieser Achterbahn-Offseason am Leben sind.
Hoffnung von der Resterampe
Hoffnungsträger Nummer 1 ist Heimkehrer Deron Williams. Den in Texas aufgewachsenen Point Guard sicherten sich die Mavs, nachdem die Brooklyn Nets seinen Vertrag auflösten.
Mit nur knapp fünf Millionen Dollar Jahresgehalt darf "D-Will" durchaus als Coup bezeichnet werden. Klar war der Großverdiener - auch aufgrund von ständigen Verletzungsproblemen - dem grellen Rampenlicht von New York nicht gewachsen war und enttäuschte. Einst zählte er aber zu besten Aufbauspielern der Liga.
Bei den Mavs muss er jetzt beweisen, dass diese Qualitäten noch in ihm stecken. Williams dürfte doppelt motiviert sein, denn 2012 zog er Brooklyn den Mavs vor.
"Ich will mir selbst zeigen, dass ich falsch lag", verkündete Williams: "In der Vergangenheit habe ich an mir selbst gezweifelt, das hat mich belastet. Aus dieser mentalen Negativspirale bin ich raus. Der Neustart hat mir unglaublich geholfen. Ich freue mich auf dieses Jahr."
Pannen-Center als Jordan-Ersatz
Eine große Rolle könnte auch JaVale McGee spielen - könnte. Mit seinen herausragenden Fähigkeiten im athletischen Bereich und als Korbbeschützer neben Nowitzki ist der 2,13-Schlaks ein DeAndre Jordan light - wenn sein Kopf richtig herum auf den Hals geschraubt ist.
Wie Williams wurde McGee von seinem letzten Team, den Philadelphia 76ers, vor die Tür gesetzt.
Das riesige Potenzial von McGee ist ebenso unbestritten wie seine verheerenden mentalen Aussetzer auf dem Feld berüchtigt sind. Nicht umsonst ist McGee - unter anderem unter den Spitznamen "Epic Vale" und "Big Daddy Wookie" bekannt - MVP der NBA-Pannenshow "Shaqtin a fool" und treibt seinen Trainern regelmäßig die Zornesröte ins Gesicht.
Behält Mavs-Coach Rick Carlisle aber seinen Blutdruck unter Kontrolle und bekommt McGee in den Griff, könnte dieser ein äußerst wertvoller Baustein sein.
"Ich bin überzeugt davon, dass ich hier gut reinpasse", meint der Center selbst: "Mein Spiel ähnelt dem von Tyson Chandler (Ex-Mavs-Center, Anm. d. Red.). Wir sind beide athletisch und dunken den Ball, aber ich bin etwas schneller und agiler."
Allerdings befindet sich McGee nach seiner Stressfraktur im Februar noch im Reha-Prozess und darf noch nicht sprinten oder springen.
Fragezeichen bei Matthews und Parsons
Anführen sollen die Mavs Chandler Parsons und Wesley Matthews. Allerdings gehen beide Leistungsträger mit Fragezeichen in die Saison.
Vor allem bei Topverdiener Matthews, den Dallas für 16,4 Millionen Jahressalär aus Portland weglockte, sind die Sorgen nach seinem Achillessehnenriss groß.
Zwar dementierte Carlisle die Schock-Meldung, Matthews könnte sogar bis Weihnachten ausfallen, mit dem Saisonstart dürfte es nach der schweren Verletzung aber kaum klappen - auch wenn Matthews zurückdrängt.
"Wir werden kämpfen müssen, um ihn vom Feld fern zu halten", sagte Carlisle über den Flügespieler, der wegen seiner Zähigkeit den Spitznamen "Iron Man" trägt: "Wir müssen sichergehen, dass wir alles richtig machen und er zu 100 Prozent gesund ist, bevor wir ihn ein NBA-Spiel absolvieren lassen."
Parsons kommt ebenfalls von einer Verletzung zurück und musste sich im Sommer der berüchtigten Microfracturing-OP im Knie unterziehen.
Wie verkraftet Nowitzki die EM?
Als ob zwei Leistungsträger mit Verletzungproblemen nicht genug wären, stellt sich bei den Mavs auch die Frage, wie der inzwischen 37-jährige Nowitzki die zusätzliche Belastung durch die EM im Sommer weggesteckt hat.
Zur Erinnerung: Nach seinem letzten Turnier mit der Nationalmannschaft, der EM 2011 in Litauen, kämpfte der Deutsche die gesamte Saison über mit Knieproblemen, verpasste 20 Spiele und legte die schlechteste Wurfquote seit seiner Rookiesaison auf.
In diesem Jahr sind die Vorzeichen aber vor allem deshalb besser, weil Nowitzki das Team nicht mehr wie 2011 alleine schultern muss. "Ich möchte hier noch zwei Jahre spielen, hoffentlich auf einem hohen Level. Und ich will effektiv sein, wenn ich auf dem Feld stehe", sagt Nowitzki.
Playoff-Hoffnung trotz Fiasko und Fragezeichen
Trotz aller Fragezeichen dürfen sich die Mavs berechtigte Hoffnungen auf einen Playoff-Platz im Westen machen - wenn die Leistungsträger fit werden und Nowitzki es bleibt. Eng wird es aber auf jeden Fall.
Die Warriors, Spurs, Clippers und Thunder werden in einer anderen Liga spielen als Dallas und die ersten vier Plätze unter sich ausmachen.
Hinter dem Top-Quartett folgen mit den Memphis Grizzlies, Houston Rockets und New Orleans Pelicans weiter drei Teams, die noch vor den Mavs landen werden.
Für Nowitzki und Co. bleibt damit nur noch das Rennen um Platz 8 - gegen bekannten Namen. Mit den Phoenix Suns mit Tyson Chandler und vielleicht auch den Utah Jazz von Rookie Tibor Pleiß werden sich die Mavs um den letzten Playoffplatz streiten müssen.