Bei Dennis Schröder werden die Stützräder abmontiert.
Vom Sündenbock zum Hoffnungsträger
© SPORT1-Grafik Paul Haenel / Getty Images
Vor zwei Jahren haben die Atlanta Hawks das deutsche Supertalent als Entwicklungsprojekt gedraftet und ihn behutsam aufgebaut.
Nach einer starken zweiten NBA-Saison mit durchschnittlich 10 Punkten und vier Assists in nicht einmal 20 Minuten und der beeindruckenden EM - trotz öffentlicher Abstempelung zum deutschen Sündenbock - wird von Schröder nun mehr erwartet. Im ersten Spiel hielt er dem Druck trotz Niederlage mit 20 Punkten stand.
"Dennis wird immer stärker, er bringt uns eine weitere Dimension auf dem Feld. Er geht jetzt in seine dritte Saison und wird natürlich auch anders wahrgenommen", sagt Coach Mike Budenholzer.
Der 22-Jährige soll als sechster Mann zum Schlüsselspieler des Titelkandidaten reifen.
Schröder beim Zug zum Korb spitze
Das Zeug dazu hat Schröder auf jeden Fall. In der vergangenen Saison ließ er immer wieder sein Potenzial aufblitzen. Vor allem sein blitzschneller Zug zum Korb beeindruckte.
Nicht einmal NBA-Topscorer Russell Westbrook oder MVP Steph Curry markierten auf 48 Minuten hochgerechnet so viele Punkte aus diesen Situationen wie Schröder (12,2).
"Ich habe mir viele Videos angeschaut - vor allem Tony Parker. Ich versuche, meine Geschwindigkeit so zu nutzen wie er", erklärt Schröder.
Vergleich mit Parker
Der Vergleich mit dem viermaligen NBA-Champion aus Frankreich passt wesentlich besser zu Schröders Spiel als der immer wieder aufgewärmte zu Rajon Rondo.
Auch Parker kam als Entwicklungsprojekt in die NBA und mauserte sich im mannschaftsdienlichen System der San Antonio Spurs, das Budenholzer in Atlanta umsetzt, zum NBA-Star.
Bei der Eurobasket übertraf Schröder in praktisch jeder statistischen Kategorie Parker bei dessen erster EM-Teilnahme 2003, obwohl er im deutschen Spiel nahezu die alleinige Verantwortung trug und sich mit herausragenden Spielern wie Sergio Rodriguez duellierte.
Öfter Gespann mit Teague
Mentor Budenholzer war sogar bei zwei EM-Spielen dabei, um sich seinen Jungstar anzuschauen. Auch das zeigt die Hoffnungen, die in Atlanta auf Schröder lasten.
Nach dem Abgang von DeMarre Carroll - drittbester Punktesammler der Hawks in den Playoffs - ist das Überraschungsteam der vergangenen Saison auf dem Flügel deutlich schwächer geworden und braucht jeden Playmaker, um den gestiegenen Erwartungen gerecht zu werden.
Entsprechend plant Budenholzer öfter mit der 2014/15 durchaus schon erfolgreichen Variante mit seinen beiden Point Guards Jeff Teague und Schröder.
"Du willst natürlich deine besten Spieler möglichst lange auf dem Court haben. Es wird sicher mehr Situationen mit Jeff und Dennis gemeinsam geben. Wenn es funktioniert, dann liegt es an uns das noch öfter einzubauen", bestätigt Budenholzer.
Hawks-Kollege Korver hilft beim Wurf
Dafür muss Schröder aber konstanter werden, sein physisches Potenzial in der Verteidigung endlich ausschöpfen sowie den Sprungwurf aus dem Dribbling (14/15: 38,9 Prozent; 13/14: 28,3) und aus der Distanz weiter verbessern.
Wer wäre bei diesem Unterfangen besser als Lehrmeister geeignet als Teamkollege Kyle Korver? Einer der besten Dreierschützen aller Zeiten arbeitete im Sommer mit Schröder an seinem Wurf.
Die größte Schwäche des Braunschweigers bleibt jedoch der Kopf. Dabei geht es nicht nur um den Basketball-IQ.
Unbedachte Äußerungen schaden
Immer wieder lässt er auch in der NBA den Einsatz - besonders defensiv - schleifen. Seine kritische Wahrnehmung bei der EM ist ganz stark der öffentlichen Kritik an Bundestrainer Chris Fleming zuzuschreiben.
Dieser unrühmlichen Episode ließ er zum Vorbereitungsstart bei den Hawks unüberlegte Aussagen in der Bild folgen: "Mein Ziel ist der Starting Spot. Wenn es nächste Saison nicht vorwärts geht, muss man andere Möglichkeiten suchen."
Beliebter dürfte er sich damit bei Budenholzer nicht gemacht haben, vor allem weil All-Star Teague noch zwei Jahre unter Vertrag steht.
Wenn die Leistung stimmt, wird dieses Selbstbewusstsein in den USA geschätzt, sonst kann es schnell zum Bumerang werden. Der Welpenschutz ist bei Schröder jedenfalls Geschichte.