Sein Idol soll den Rasenkönig zurück auf den Thron hieven: Auch dank Trainer Stefan Edberg zählt Roger Federer, der 2012 in Wimbledon seinen 17. und bislang letzten Grand-Slam-Titel holte, bei der 129. Ausgabe der Championships zu den Favoriten.
"Federer ist ein großer Botschafter"
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Im SPORT1-Interview per Satellitenschaltung spricht Edberg, der einst als bester Serve-und-Volley-Spieler galt und 1988 sowie 1990 auf dem Heiligen Rasen triumphierte, über die Zusammenarbeit mit Federer und die Chancen des Schweizers.
SPORT1: Seit 18 Monaten arbeiten Sie nun mit Roger Federer zusammen, der sich in diesem Zeitraum in der Weltrangliste von Platz 8 auf 2 verbesserte. Was ist der Schlüssel Ihrer Zusammenarbeit?
Stefan Edberg: 2013 war ein hartes Jahr für Roger Federer. Er hatte mit Rückenverletzungen zu kämpfen, Veränderungen wurden nötig. Dann rief er mich an. Ich war nicht wirklich darauf vorbereitet. Nachdem wir gemeinsam etwas Zeit in Dubai verbracht hatten, entschlossen wir uns zusammenzuarbeiten. Ich wollte neue Impulse geben. Er hat sein Spiel nun in der Tat etwas verändert. Auch im Herbst einer Karriere kann man immer etwas verbessern. Sein Spiel ist nun weniger vorhersehbar, aggressiver.
SPORT1: Es gibt inzwischen viele ehemalige Profis, die Spieler von heute trainieren. Boris Becker wurde der Trainer von Novak Djokovic. Sie arbeiten mit Roger Federer, Michael Chang mit Kei Nishikori. Was sind die Vorteile, einen früheren Profi an seiner Seite zu haben?
Edberg: Dieser Trend begann, als Ivan Lendl zu Andy Murray kam. Er hat ihm einige Ideen mit auf den Weg gegeben. Die früheren Spitzenspieler kennen die Tennisszene gut, waren vor Jahrzehnten in der gleichen Situation wie die heutigen Spieler. Sie haben daher gewisse Erfahrungswerte, die den Unterschied ausmachen können. Die Chemie zwischen Spieler und Trainer muss stimmen. Das Modell funktioniert auf jeden Fall derzeit sehr gut.
SPORT1: Sie trainieren Roger Federer gemeinsam mit Severin Lüthi. Sie werden dabei oft als Meister unter den Trainern bezeichnet. Gefällt Ihnen dieser Ausdruck und was macht Sie zum Meister?
Edberg: Severin Lüthi ist die meiste Zeit mit Roger unterwegs. Ich bin eher ein gewisser Mentor. Ich weiß nicht ob ich ein Meister bin, ich fühle mich zumindest nicht so.
SPORT1: Sie nutzen den Sony Tennis Sensor. Welche Vorteile bringt dieser Chip am Schlägergriff?
Edberg: Das Spiel lässt sich noch besser analysieren und visualisieren. Man kann die Ballgeschwindigkeit, den Spin und den Treffpunkt des Balles messen. Und das alles auf einem sehr einfachen Weg mit dem Handy oder dem Tablet auswerten.
SPORT1: Blicken wir auf Wimbledon, das dritte Grand-Slam Turnier des Jahres. In Melbourne und Paris hat es in diesem Jahr nicht einmal fürs Halbfinale gereicht. Glauben Sie, dass er noch immer in der Lage ist, ein Major zu gewinnen?
Edberg: Wimbledon ist wohl eine seiner besten Chancen, erneut ein Grand-Slam Turnier zu gewinnen. Er liebt es auf Rasen zu spielen. Er ist fit genug, und wenn er sein bestes Tennis abruft, glaube ich fest daran, dass er in diesem Jahr eine Chance auf den Sieg hat.
SPORT1: Wer, denken Sie, wird sein größter Widersacher? Novak Djokovic, oder Andy Murray, der in Queens gewonnen hat?
Edberg: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spieler der Top 4 der Setzliste das Turnier gewinnen wird, ist groß. Der Spieler, den es auf jeden Fall zu schlagen gilt, ist der Weltranglisten-Erste und Titelverteidiger Novak Djokovic. Er hatte bislang ein großartiges Jahr.
SPORT1: Roger Federer ist bereits 33 Jahre alt. Wie lange kann er noch mit den jüngeren Spielern wie Novak Djokovic oder Andy Murray mithalten?
Edberg: Die Motivation ist entscheidend. Er muss jeden Tag Lust haben, auf den Platz zu gehen und an sich zu arbeiten. Zudem muss er von größeren Verletzungen verschont bleiben. Ist das der Fall, kann er noch eine ganze Weile mithalten. Nicht nur ich, sondern die ganze Tenniswelt will Roger so lange wie möglich auf der Tour sehen. Er ist ein großartiger Botschafter für den Tennissport.
SPORT1: Tennis hat schon immer von großen Rivalitäten gelebt. Edberg gegen Becker. Sampras gegen Agassi. Boris Becker hat einmal gesagt, nach dem Ende der Rivalität zwischen Roger Federer und Rafael Nadal wird der Tennissport sterben. Braucht Tennis solche großen Persönlichkeiten, um seinen Stellenwert zu behalten?
Edberg: Tennis braucht Persönlichkeiten und Rivalitäten. Derzeit haben wir eine Goldene Generation an Spielern, die den Sport nun seit zehn Jahren dominieren. Blickt man zurück in die Vergangenheit, ist das eine eher ungewöhnliche Situation. Es wird schwer werden, all diese großen Namen von heute zu ersetzen.