Andreas Wolff bleibt eisern. Kein Wort. Auch nach der Gala gegen Ägypten nicht.
Wolff mit Maulkorb lässt Taten sprechen
© SPORT1-Grafik Philipp Heinemann / Getty Images
Ausgerechnet der deutsche Torhüter, eigentlich nicht für sein introvertiertes Wesen bekannt, drückt sich beim olympischen Turnier so gut es geht vor den obligatorischen Gesprächen mit der Presse.
Nach den Spielen stiehlt er sich davon, überwindet Absperrgitter, verschwindet schweigend in der Kabine, während die anderen Spieler Rede und Antwort stehen.
Wolffs Wandlung
Noch vor Kurzem sah das noch ganz anders aus. Beim EM-Triumph in Polen war der bärtige Hüne zum Gesicht der "Bad Boys" geworden. Und hatte die Chance genutzt, eine Marketing-Offensive zu starten. Interviews, Talkshows, seit der Nacht nach dem Finale betreibt er einen Twitter-Account. Der "Handballwolff" war plötzlich überall.
So dass es ihm vielleicht dann alles doch etwas zu viel wurde. Vielleicht lenkte es ihn auch vom Wesentlichen ab. In der Rückrunde bei der HSG Wetzlar blieb Wolff, der ab der kommenden Saison für den THW Kiel aufläuft, jedenfalls unter seinen Möglichkeiten. Er gab zu, dass die Situation mitunter anstrengend für ihn gewesen sei. Nun steuert er gegen.
Guter Start ins Turnier
Sein Start ins Olympische Turnier war durchaus ordentlich, und dennoch sah sich Bob Hanning veranlasst, den Keeper nach dem Auftakt zu kitzeln: "Er kann mehr."
Mittlerweile aber ist er voll drin im Turnier (durchschnittlich 29 Prozent Fangquote), bekommt wie erwartet deutlich mehr Spielanteile als Silvio Heinevetter. Seine Körpersprache verrät nicht den leisesten Zweifel.
Auch dank der überragenden Leistung gegen Ägypten ist das deutsche Team als Gruppensieger ins Viertelfinale eingezogen. Und es wäre eine handfeste Überraschung, sollte Wolff im ersten K.o.-Spiel am Mittwoch gegen Katar nicht zwischen den Pfosten stehen.
Volle Konzentration auf Gold
Der Mann tut alles für den Erfolg. Als einziger war der Rheinländer sogar der Eröffnungsfeier ferngeblieben. Volle Konzentration auf ein Ziel, das er direkt nach dem EM-Gewinn formuliert hatte: Gold.
Irgendwann dieser Tage musste er dann doch sprechen bei einem offiziellen Medientermin im Olympischen Dorf. "Ich versuche mich noch mehr zu fokussieren als vorher und lasse mich von dem ganzen Drumherum überhaupt nicht beeindrucken oder ablenken", sagte Wolff.
Er habe kein Medium bevorteilen wollen und deshalb lieber mit gar keinem geredet, war seine etwas halbgare Begründung für sein Schweigen.
Voll im Tunnel
Wolff ist im Tunnel. Der Ehrgeiz, der ihn antreibt, ist extrem. An den Spieltagen lässt er kaum etwas an sich heran. "Da kann man ihn fast schon für bescheuert halten", sagt sein Mitspieler Julius Kühn: "Aber meinetwegen kann er immer so sein, wenn er solche Leistungen abruft."
Wolff weiß, dass er auf einem schmalen Grat wandelt. Die Zurückhaltung ist einerseits verständlich. In Rio sind die Möglichkeiten zur Zerstreuung für die normalerweise bei großen Turnieren in einem familiären Kosmos aufgehobenen Handballer riesig.
Ablenkung im Athletendorf
Andererseits könnte er mit seiner Selbstkasteiung auch übers Ziel hinaus schießen. "Sicher muss man auch mal ein, zwei Stunden raus, die Seele baumeln lassen, um nicht alles zu verkrampft zu sehen", sagt er. Beim Basketball oder Fußballtennis würde er sich ablenken, "alles in geregeltem Maße".
Spazierengehen ist eigentlich nicht so sein Ding, aber im Athletendorf gibt es schließlich immer was zu sehen. Und großes Aufsehen um seine Person muss er nicht fürchten. Noch nicht?
Wolff sagt: "Wenn hier Michael Phelps oder Usain Bolt rumlaufen, dann zieht das ganz anders als ein bisher noch unbekannter Handballtorhüter."
Er hat auf jeden Fall noch etwas vor in Rio.