Der Boden bebte, Schwimmer Paul Biedermann, Golfer Martin Kaymer und Sprinter Julian Reus machten auf der Tribüne große Augen angesichts der Stimmungsexplosion um sie herum.
Bad Boys kriegen was auf die Ohren
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Mit einem haarsträubenden Pass ermöglichte Uwe Gensheimer, der Kapitän der deutschen Handballer, Gegner Brasilien einen Wurf aufs leere deutsche Tor und damit die knappe Führung zur Halbzeitpause. Was der Großteil der 11.000 Zuschauer in der Future Arena in Olympiapark von Rio de Janeiro zum Anlass nahm, komplett auszurasten.
Nach 60 Minuten in einem irren und hitzigen Spiel gab es beim Endstand von 33:30 (17:16) für den Gastgeber der Spiele dann überhaupt kein Halten mehr.
Heinevetter spricht von vogelwilder Partie
Die Deutschen dagegen trotteten niedergeschlagen vom Feld. Torwart Silvio Heinevetter umschrieb die Partie, in der die Deutschen auf ihrer Mission Gold nach zwei Siegen den ersten Rückschlag erlitten, später recht treffend mit "vogelwild".
Biedermann und Co. bekamen jedenfalls etwas geboten. Vor allem in der Schlussphase erlebten sie eine unglaublich intensive Atmosphäre, mit der das deutsche Team allerdings nicht sonderlich gut klar kam an diesem Nachmittag.
Man wurde zudem den Eindruck nicht los, dass sie den Gegner ein wenig unterschätzt hatten. Trotz des Auftaktsieges der Gastgeber gegen Polen. Schließlich zählt die Fußballgroßmacht nicht zu den ganz großen Nummern im Handball.
DHB-Team fehlt Kontrolle
"Brasilien wollte den Sieg mehr", gab Tobias Reichmann zu: "Wir haben uns von der Halle beeindrucken lassen und dann auch verdient verloren."
Und Trainer Dagur Sigurdsson sagte: "Wir haben das Spiel nicht unter Kontrolle bekommen. Uns haben die Lockerheit und die Cleverness gefehlt."
Als der für Patrick Groetzki in den Kader gerückte Steffen Weinhold Mitte der zweiten Halbzeit sein Olympia-Debüt feierte, war die Sache schon ziemlich ins Schlingern geraten und am Ende auch vom Routinier nicht mehr zu steuern.
Gensheimer sah beim Stande von 25:25 nach einem Kopftreffer beim Siebenmeter gegen den brasilianischen Keeper Rot (49.), das Unheil nahm seinen Lauf.
Gensheimer stellt Rot in Frage
"Wenn die Schiedsrichter das so bewerten, dass der Torwart sich nicht bewegt hat, dann muss man das geben. Ich glaube schon, dass er sich bewegt hat", sagte Gensheimer.
"Das kann passieren, hat uns aber natürlich nicht geholfen", sagte Sigurdsson zu der Szene, die die ohnehin aufgeheizte Atmosphäre in der Halle noch weiter nach oben trieb. Angefeuert von den ekstatischen Fans ergriffen die Brasilianer ihre Chance beim Schopfe.
"Es ist fantastisch, hier vor unserem Publikum in so einer Atmosphäre den Europameister zu schlagen", sagte Mittelmann Diogo Hubner: "Die Stimmung hat uns natürlich sehr geholfen. In Brasilien haben wir so etwas normalerweise nicht."
Brasilien ein Team ohne Star
Hubner steht bei Sao Caetano unter Vertrag, einem Klub im Umland von Rio de Janeiro, von dem die wenigsten Handballfans schon einmal gehört haben dürften.
Richtig große Namen sucht man im Team von Jordi Ribera Romans überhaupt vergebens, die meisten aber verdienen ihr Geld in Spanien, der Heimat des Trainers, bei durchaus etablierten Klubs. Dazu kommen Jose Guilherme de Toledo (Wisla Plock/Polen) und Joao da Silva (Chambery Savoie/Frankreich).
Und dass auch in Brasilien guter Handball gespielt wird, zeigte unter anderem Torwart Maik dos Santos vom Handbal Clube Taubate nahe Sao Paulo, der vor allem in der Schlussphase zahlreiche Würfe entschärfte. "Wir haben vier Jahre gearbeitet, um bereit zu sein", sagte Ribera Romas stolz.
Den "Bad Boys", die immer noch Gruppensieger werden können, bleibt ein Tag, um das Sausen aus den Ohren zu bekommen und sich auf den nächsten Gegner Slowenien vorzubereiten.