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Biathlon: "Die Norweger haben zuvor ohne Ende gegen uns geschossen"

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Biathlon: "Die Norweger haben zuvor ohne Ende gegen uns geschossen"

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Trainer enthüllt Norweger-Psychokrieg

Schwedens Nationaltrainer Johannes Lukas zieht im SPORT1-Interview eine gemischte Bilanz zur Biathlon-WM. Der Bayer verrät auch, wie er mit harscher Medienkritik umgeht.
Die deutsche Männer-Staffel hat eine Medaille bei der Biathlon-WM in Nove Mesto verpasst. Für ein Drama sorgt hingegen das norwegische Team.
Stefan Schnürle
Stefan Schnürle

Johannes Lukas ist gerade mal 30 Jahre alt - aber bereits seit über fünf Jahren Cheftrainer des schwedischen Biathlon-Teams.

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Nachdem er in dem skandinavischen Land zuletzt als Trainer des Jahres ausgezeichnet wurde, mehren sich nach der für die Wintersportnation Schweden dürftige Ausbeute bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Nove Mesto kritische Stimmen, vorwiegend in der heimischen Presse - befeuert auch von Landsmann Wolfgang Pichler, ehemaliger Erfolgscoach der Schweden.

Wie der Deutsche damit umgeht, was er selbst für ein WM-Fazit zieht und welche Meinung er von der norwegischen Dominanz hat, verrät Lukas im SPORT1-Interview.

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SPORT1: Herr Lukas, drei Medaillen für Schweden, Platz vier im Medaillenspiegel. Wie fällt Ihr WM-Fazit für Schweden aus?

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Johannes Lukas: Gemischt. Wir sind natürlich nicht vollkommen zufrieden, aber auch nicht total unzufrieden. Wir haben in der ersten Woche sehr gute Ergebnisse geliefert, aber dieses letzte Prozent, was es für die Medaille gebraucht hätte, fehlte. Wir haben dennoch viele Saisonbestleistungen gezeigt, viele Top-Platzierungen eingefahren, aber bei der WM zählen eben nur Medaillen. Es war auch eine schwierige Zeit, da wir medial viel Kritik bekamen. Umso zufriedener bin ich am Ende, dass wir diesen Gegenwind wendeten und die sensationellen Staffel-Erfolge erzielten. Insgesamt eine WM mit Höhen und Tiefen, die ich aber nicht zu schlechtreden will.

Lukas: „Du bist entweder der König oder der Depp“

SPORT1: Nach der Männerstaffel hat man Sie sehr ausgelassen jubeln gesehen. Sie haben den medialen Gegenwind in Schweden zuvor schon angesprochen: Wie viele Steine sind Ihnen nach dieser Goldmedaille vom Herzen gefallen?

Lukas: Ich sage mal so: Das können die zwei wichtigsten Medaillen meiner Trainerkarriere gewesen sein, weil die schwedischen Medien schon sehr aggressiv sind. Es ist eine andere Berichterstattung als in Deutschland - du bist entweder der König oder der Depp. Die Kritik war extrem groß. Der vierte Platz in der Single-Mixed war dann der Endgegner. Danach war klar, ihr habt einen Tag Zeit, wenn ihr dann keine Medaille gewinnt, raucht es richtig. Wir haben bei der Männerstaffel auch ein kleines Experiment gewagt mit Viktor Brandt, für dessen WM-Nominierung ich sehr viel Kritik bekommen hatte. Er löst es dann perfekt und wir gewinnen WM-Gold. Ich will es nicht Revanche nennen, aber es waren an dem Tag mehr als „nur“ zwei Medaillen. Wir haben dem Druck standgehalten, da bin ich am meisten stolz darüber.

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Trainer Johannes Lukas (l.) reichte Staffel-Schlussläufer Sebastian Samuelsson beim WM-Gold für Schweden die Flagge
Trainer Johannes Lukas (l.) reichte Staffel-Schlussläufer Sebastian Samuelsson beim WM-Gold für Schweden die Flagge

SPORT1: Zwischen Schweden und Norwegen herrscht ja eine besondere Rivalität. Hat dieser Sieg also besonders gut geschmeckt, da die Norweger in der Saison oft übermächtig waren?

Lukas: Natürlich. Die Norweger haben zuvor in der Mixed Zone ohne Ende gegen uns geschossen. Als Deutscher ist dieses norwegisch-schwedische Duell für mich auch nur medial greifbar, aber klar kriegt man Schlagzeilen mit. Und wenn man hört, was die Norweger auf der Pressekonferenz alles sagten und sich irgendwelche Rosen für uns kauften ... Aber wir waren eigentlich nicht in der Situation, um große Sprüche zu machen. Und da stellt sich Sebastian Samuelsson trotzdem hin und sagt: ‚Ok, dann schlage ich sie halt am Wochenende‘ - und dann macht er das auch noch. Das ist einmalig, dass im Sport eine Sache so schnell zu wenden ist.

„Ich fürchte nicht um meinen Job“

SPORT1: Alle drei Medaillen gab es in Staffel-Wettbewerben, in den Einzel-Wettkämpfen ging Schweden dagegen leer aus. Haben Sie schon eine Erklärung dafür?

Lukas: Wir hatten teils die gleichen Chancen wie vergangenes Jahr (als Schweden bei der WM sehr erfolgreich war, Anm. d. Red.). Zum Beispiel Sebastians Einzelrennen, als er wie in Oberhof die vierte Laufzeit hatte. Damals schoss er einen Fehler, diesmal drei - sonst hätte er wieder Bronze geholt. Elvira und Hanna (Öberg) machten es mit einem Fehler im Sprint gut, hatten aber extrem lange Schießstandzeiten beim Stehen. Elvira verliert fast eine halbe Minute, nachdem ein Schuss nicht auslöste. Das ist ein Ok-Rennen, aber solche Sachen dürfen bei einer WM nicht passieren. Zudem waren die Französinnen an dem Tag brutal stark. Wir hätten gerne eine Einzel-Medaille gehabt, aber es gibt viele Sachen, die auch gut waren bei diesen Rennen - außer die Massenstarts, da waren wir nicht mehr zufrieden.

SPORT1: Es wurde in Deutschland viel über das Material diskutiert. Gab es bei Schweden ähnliche Probleme?

Lukas: Wir lösen das Materialthema immer intern, aber was ich sagen kann, ist, dass die Franzosen brutales Material hatten. Auch die Norweger im Männersprint. Also ich sehe ein, zwei Nationen, die sehr gutes Material hatten und sich vom Rest absetzten. Danach sehe ich aber eine große Breite. Ich sehe auch die Deutschen nicht so weit hinten.

SPORT1: Sie haben die schwedischen Medien schon angesprochen. Dort gab es trotz Staffel-Gold nach der WM Schlagzeilen wie „bald müssen Köpfe rollen“. Fürchten Sie um ihren Job?

Lukas: Gott sei Dank lese ich nicht alles. Aber das sind natürlich harte Worte und den Artikel habe ich auch von mehreren Leuten zugeschickt bekommen. Ich weiß nicht, ob das sachlich ist oder was man damit will - vor drei Wochen wurde ich noch Trainer des Jahres in Schweden. Wir haben drei Medaillen gewonnen, was sicher keine ganz schlechte WM ist. Wenn man historisch zurückschaut, gibt es im Endeffekt zwei WMs, die in der schwedischen Geschichte herausragen - die in Pokljuka mit sechs Medaillen und die in Oberhof mit elf. Das ist alles unter meiner Führung passiert. Davor waren es in der Regel zwischen zwei und vier Medaillen. Aber ich fürchte nicht um meinen Job. Ich habe ein gutes Verhältnis mit dem Verband, wir haben auch viel Rückendeckung vom Verbandschef vor der Staffel bekommen.

SPORT1: Schmerzen solche Artikel dennoch?

Lukas: Es ist einfach schade, weil auch Sachen komplett umgedreht werden. Am Anfang gab es diese Startplatz-Diskussion, wo es hieß, ich will weniger Norweger haben. Das war völliger Schwachsinn. Ich sagte nur, dass sie statistisch die größte Wahrscheinlichkeit zu gewinnen haben, weil sie als einzige Nation mehr Plätze haben. Man müsste überlegen, ob die besten Nationen nicht die gleiche Quote wie im Weltcup haben sollten. Dann wären es gleiche Voraussetzungen. Aber da muss man drüberstehen und ich bin umso mehr stolz, wie wir das Blatt wenden konnten, weil andere Teams daran zerbrechen können.

Schweden-Trainer: „Nicht gut für den Sport“

SPORT1: Schwedens früherer Erfolgstrainer Wolfgang Pichler sorgte für Wirbel mit seinem Ratschlag, Norwegens Trainer Siegfried Mazet einzukaufen. Wie kam das bei Ihrem Team an?

Lukas: Da habe ich gleich ein klares Statement gesetzt. Unter meiner Leitung haben wir mit meinem Trainerstab die erfolgreichsten Zeiten im schwedischen Biathlon. Wir haben alle Rekorde aufgestellt, von Podien bis Medaillen. Das ist eine Tatsache. Das heißt, wir haben sehr viele Sachen richtig gemacht. Nach der Staffel meinte ich dann, dass die Norweger jetzt hoffentlich nicht unsere Schießtrainer kaufen.

SPORT1: Fakt ist auch, dass Norwegen bei den Herren aktuell Platz 1 bis 6 im Gesamtweltcup belegt. Sehen Sie in dieser Dominanz eine Gefahr für den Biathlonsport, weil die Abwechslung fehlt?

Lukas: Absolut. Es ist nicht gut für den Sport, dass eine Nation so dominiert. Man muss aber auch sagen, im Weltcup waren die Deutschen oft auf dem Podium. Beim Saisonstart in Östersund mit Sebastian und den Deutschen - da war nicht nur Norwegen. Klar haben sie die Staffeln dominiert, aber eben nicht bei der WM. Selten haben mir danach so viele Teams gratuliert wie hier. Es war für den Sport wichtig. Klar sind sie (Norweger) die besten, haben den besten Nachwuchs. Aber man darf sich nicht einschüchtern lassen und sagen, in der Staffel haben wir eh keine Chance. Wenn sie einen Fehler machen, muss man da sein.

„Dieser Zirkus ist inzwischen extrem groß“

SPORT1: Die WM hat auch gezeigt, dass es für Biathlon angesichts der steigenden Temperaturen immer schwieriger wird, Wettkämpfe unter geeigneten Bedingungen auszutragen. Haben Sie da Ideen, wie dies in Zukunft zu lösen ist?

Lukas: Ich habe auch Athleten in Östersund. Da war eher das Problem, dass wir drinnen trainieren mussten, weil es mit -25 Grad zu kalt war. Dort ist bester Winter. Man muss eben umdenken: Zu welchen Jahreszeiten starte ich wo? Die Weltcuportwahl ist in Zukunft entscheidend. Im Norden sind Top-Bedingungen, teils auch in den Alpen wie in Seefeld. Aber 500, 600 Meter Höhenlage sind vielleicht nicht die beste Wahl. Ich war jetzt ein paar Mal in Nove Mesto und es ist nicht das erste Mal, dass ich dort keinen Naturschnee erlebe. Es liegt relativ niedrig und ist nicht extrem mit Bergen umgeben, wodurch weniger Niederschlag fällt.

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SPORT1: Auch der Januar-Termin in Oberhof geriet in die Kritik, weil die Bedingungen immer wieder nicht mitspielen. Johannes Thinges Bö sprach von „lebensgefährlichen Abfahrten“, auch Martin Fourcade übte scharfe Kritik: Muss eine Änderung her?

Lukas: Es hilft keinem, wenn ich sage, Oberhof soll nicht Anfang Januar sein. Die IBU muss diesen Weg detailliert angehen. Aber man muss sich die Bandenwerbung mal anschauen - es sind größtenteils deutsche Firmen. Und wenn ich mir die Fans in Oberhof und Ruhpolding anschaue, sind das sind auch mit die besten. Natürlich muss man über die äußeren Umstände diskutieren, aber man muss auch aus der Sportlerblase rausgehen und das große Ganze analysieren. Und da ist Oberhof ein super wichtiger Partner für den Biathlonsport ...

SPORT1: Es geht vielen vor allem um den Zeitpunkt ...

Lukas: Definitiv kann man darüber reden, aber das muss man mit der Region analysieren. Es sind ja nicht nur 200 Leute, die rumreisen, sondern Unterkunftssituation, steigende Hotelpreise, Teamkosten. Dieser Zirkus ist inzwischen extrem groß. Da kann man nicht einfach sagen, wie wäre eine Woche später. Das ist eine ganzheitliche Entscheidung, die mit der IBU und den Regionen gemacht werden muss, damit die Zukunft gesichert ist.