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Olympia: Massendoping-Skandal? Experte Fritz Sörgel kritisiert WADA

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Olympia: Massendoping-Skandal? Experte Fritz Sörgel kritisiert WADA

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„Das perfekt konstruierte Doping“

Vor den Olympischen Spielen 2021 sollen mehrere chinesische Schwimmer positiv auf Doping getestet worden sein - Sanktionen blieben jedoch aus. Experte Fritz Sörgel spricht bei SPORT1 über das „das perfekt konstruierte Doping“.
Vor den Olympischen Spielen 2021 sollen mehrere chinesische Schwimmer positiv auf Doping getestet worden sein
Vor den Olympischen Spielen 2021 sollen mehrere chinesische Schwimmer positiv auf Doping getestet worden sein
© IMAGO/Xinhua
Johannes Vehren
Johannes Vehren

Es sind Vorwürfe, die schwer wiegen: Eine gemeinsame Recherche der ARD-Dopingredaktion und der New York Times stellt die Glaubwürdigkeit von Chinas Anti-Doping-System und die Wächterfunktion der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) erheblich infrage.

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Laut des Berichts wurden 23 chinesische Spitzenschwimmer vor den Olympischen Sommerspielen 2021 positiv getestet, allerdings nicht sanktioniert. 13 der mutmaßlich positiv getesteten Chinesen starteten dennoch und gewannen Medaillen in fünf Wettbewerben, darunter die spätere Doppel-Olympiasiegerin Zhang Yufei sowie die ebenfalls in Tokio siegreichen Wang Shun und Yang Junxuan.

Die WADA sprach in einer Reaktion am Samstag von „irreführenden und möglicherweise diffamierenden Medienberichten“, bestätigte allerdings positive Befunde.

Doping-Experte Sörgel: „Man muss Zweifel daran haben“

Im vorliegenden Fall geht die mögliche Vertuschung aus einem Untersuchungsbericht hervor, den die ARD-Dopingredaktion nach eigenen Angaben im September 2023 erhalten hat.

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„Ich habe den Bericht mindestens dreimal gelesen und mit jedem Mal wurde mir klarer, dass man Zweifel daran haben muss“, erklärt der Toxikologe, Pharmazeut und Doping-Experte Fritz Sörgel auf SPORT1-Nachfrage. Er selbst stellte die Schilderungen aus dem chinesischen Untersuchungsbericht für die ARD nach und kam zu dem Schluss, dass es „extrem unwahrscheinlich“ sei, dass sich die Ereignisse wie geschildert abgespielt hätten.

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Bei SPORT1 stellt der 74-Jährige klar: „Es ist einfach zu perfekt und die angeblichen Vorgänge um die Küche - das Zentrum des Falls - steigern die Zweifel.“ Dem ARD-Bericht zufolge wurden die chinesischen Schwimmer positiv auf das verbotene Herzmittel Trimetazidin getestet. Demnach seien die positiven Fälle durch Kontamination in einer Hotelküche zustande gekommen.

Doping-Wirbel: Die entscheidende Frage bleibt ungeklärt

Aus dem Report geht hervor, dass mehr als zwei Monate danach Ermittler die Küche inspiziert und dabei Spuren von Trimetazidin im Dunstabzug, an Gewürzcontainern sowie im Abfluss gefunden hätten. Die verbotene Substanz sei ohne Wissen der Sportler in deren Körper gelangt.

„Um das, was in der Küche vorgegangen sein könnte, hat der Untersuchungsbericht einige Spekulationen in die Welt gesetzt. Wir haben die Experimente - soweit es ging - versucht, nachzuvollziehen und beispielsweise erklären können, wie der Abzug Spuren von Trimetazidin enthielt“, schildert Sörgel.

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Allerdings ergänzt er: „Trotzdem bleibt die entscheidende Frage ungeklärt: Wieso befand sich in der Küche ein zumindest nach russischer oder chinesischer Einschätzung hochwirksamer Arzneistoff?“

WADA soll auf eigene Untersuchung verzichtet haben

Dies wird in dem Untersuchungsbericht nicht beantwortet. Dieser sei offiziell von der chinesischen Anti-Doping-Agentur CHINADA verfasst worden, als untersuchende Behörde sei aber das Ministerium für öffentliche Sicherheit angegeben, ein Arm des chinesischen Geheimdienstes.

ARD und New York Times ließen das Dokument nach eigenen Angaben durch mehrere Quellen verifizieren. Die positiven Fälle seien im März 2021 korrekt in das offizielle WADA-Meldesystem eingegeben worden.

Anstatt einen offiziellen Anti-Doping-Regelverstoß (ADRV) zu melden, habe jedoch die interne chinesische Untersuchung stattgefunden. Steht ein Regelverstoß im Raum, greift normalerweise eine vorläufige Sperre. Die WADA verzichtete laut der Recherchen auf eine eigene Untersuchung.

Sörgel: WADA hätte den Fall prüfen müssen

Die Welt-Anti-Doping-Agentur teilte der ARD mit, sie habe auf Basis der Analysedaten „keine Grundlage“ gesehen, die „Erklärungen der Kontamination anzufechten“ und verwies in ihrer Stellungnahme unter anderem auf niedrige Konzentrationen und schwankende Werte.

CHINADA erklärte, es hätten keine Anti-Doping-Verstöße vorgelegen. Der Schwimm-Weltverband World Aquatics teilte mit, die Vorgänge seien sorgfältig und professionell geprüft worden.

Laut Sörgel hätte die WADA die Fälle prüfen müssen, doch er wirft eine Frage auf: „Wir standen vor den Olympischen Spielen und den dann folgenden Winterspielen in Peking. Will da die WADA - oder sagen wir besser - darf da die vom IOC mitfinanzierte WADA Unsicherheit und Misstrauen säen?“

Kommt es zu nachträglichen Sperren und Sanktionen?

Der Experte ergänzt, dass der nun publik gewordene Dopingverdacht mit Hinblick auf die anstehenden Olympischen Spiele 2024 in Paris das Misstrauen weiter erhöhen werde.

„Man sollte auch nicht vergessen, dass weder die WADA noch das IOC wirklich so unabhängig sind, wie es nach außen vorgegeben wird. Man sah das ja an der einstigen Männerfreundschaft zwischen Wladimir Putin (Russischer Präsident, Anm. d. Red.) und Thomas Bach (IOC-Präsident)“, schildert Sörgel. Der 74-Jährige spielt damit auf Recherchen der Süddeutschen Zeitung an, nach denen Bach ohne Putin wohl nie ins Amt gekommen wäre.

Mit Blick in die Zukunft geht er nicht davon aus, dass es noch zu Sperren und Sanktionen für die chinesischen Schwimmer komme. „Es ist zu befürchten, dass es so bleibt“, sagt Sörgel und bezeichnet die Geschehnisse als „das perfekt konstruierte Doping“.

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Mit Sport-Informations-Dienst (SID)